Schaut man sich die Zutatenliste herkömmlicher Kosmetika an, kann einem angst und bange werden: Deren synthetische, auf Erdöl basierende Tenside sind biologisch schwer abbaubar und belasten die Umwelt. Emulgatoren wie PEG (Polyethylenglycol) stehen im Verdacht, die Haut durchlässiger für Schadstoffe zu machen. Silikone und synthetisches Glycerin beeinträchtigen den natürlichen Feuchtigkeitshaushalt der Haut und können Unreinheiten auslösen. Synthetische Konservierungsmittel wie Parabene und Formaldehyd sollen krebserregend sein. Und einzelne Phthalate, Weichmacher, sind hormonwirksam – möglicherweise machen sie Männer fortpflanzungsunfähig.

Es kommen nur sichere Kosmetikprodukte auf den Markt, und was in welchen Mengen drin sein darf, ist gesetzlich geregelt, betonen Hersteller. Doch Konsumentenschützer und Kritiker wie der Medizinjournalist Klaus Oberbeil zweifeln daran. Zu viele heikle Stoffe seien in zu hohen Konzentrationen zugelassen. Tag für Tag werde unsere Haut mit schätzungsweise rund 1000 «Beauty-Giften» attackiert, schreibt Oberbeil in seinem Buch «Die tägliche Dosis Gift».

Wer sich dem nicht aussetzen will, greift gern zu Naturkosmetika. Der Markt für solche Produkte boomt, und sie werden längst nicht mehr nur in Biogeschäften und Reformhäusern angeboten. In Supermärkten und Warenhäusern füllen sie die Regale mittlerweile am Meter.

Was heisst schon «pflanzlich»?

Aber der Begriff Naturkosmetik ist keine verlässliche Grösse, denn die Bezeichnung ist nicht geschützt. Was zur Folge hat, dass vieles verkauft wird, was lediglich ein grünes Mäntelchen trägt. Die Schlagworte «biologisch», «natürlich» oder «pflanzlich» ziehen – entsprechend vollmundig werden Cremen, Deos, Duschgels oder Shampoos vermarktet. Auch wenn der pflanzliche Inhaltsstoff wie Aloe vera oder Granatapfel nur einen minimalen Anteil ausmacht und der Rest aus dem üblichen Chemiecocktail besteht und von Naturkosmetik keine Rede sein kann.

Doch selbst bei der Frage, was «echte» Naturkosmetika sind, bestehen unterschiedliche Auffassungen und mehr oder weniger aussagekräftige Definitionen. Die Produkte sollen aus natürlichen Rohstoffen bestehen, wenn möglich tier- und umweltfreundlich hergestellt worden sein, lautet einer der Grundsätze. Dass nichts aus der Erdölchemie verwendet werden soll und keine synthetischen Duft- und Farbstoffe, auch darüber herrscht bei Verbänden und Herstellern noch weitgehend Einigkeit. Wie viele der Rohstoffe aus ökologischer Landwirtschaft stammen müssen oder welche Herstellungsverfahren angewendet werden, dazu gibt es jedoch eine ganze Reihe unterschiedlicher Standards. Der deutsche Bundesverband der Industrie- und Handelsunternehmen (BDIH) hält beispielsweise wenige naturidentische, sprich synthetische, Konservierungsstoffe für vertretbar. Hersteller wie Farfalla oder Weleda lehnen dies ab.

Dies alles trägt nicht eben zur Klarheit bei. Immerhin können sich Konsumenten und Konsumentinnen an Labels orientieren – allerdings ist es Fleissarbeit, die Richtlinien zu durchpflügen und für sich das Passende herauszupicken. Eines der bekanntesten Gütesiegel ist das des BDIH. Einige Hersteller bevorzugen inzwischen das neue Natrue-Siegel, weil es strenger ist.

Ob es etwas bringt, Kosmetikprodukte – wie in Frankreich und Grossbritannien – mit Fairtrade-Labels zu versehen, auch darüber scheiden sich die Geister. Konsumenten würden «für blöd verkauft», und oft handle es sich nur um «Greenwashing», sagt Julia Fiagbedzi von Farfalla. Kosmetika dürften das Label zum Beispiel auch dann tragen, wenn gerade mal fünf Prozent Biosheabutter aus fairem Handel enthalten seien. Nach dem grossen Rest an Inhaltsstoffen frage niemand, auch wenn es sich um «billige Erdölabfallprodukte und aggressive Konservierungsmittel» handle. Wenn schon, müssten Fairtrade-Standards in bereits bestehende Naturkosmetiklabels integriert werden, wie beim Gütesiegel Ecocert Equitable.

Allergisch? Es bleibt nur der Selbsttest

Vorsichtig wäre Harald Dittmar, Geschäftsführer vom deutschen Bundesverband der Industrie- und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und kosmetische Mittel (BDIH) darüber hinaus bei Aufschriften wie «allergiegetestet», «dermatologisch getestet» oder «hypoallergen». Es sei weder geregelt, wie solche Tests durchgeführt werden, noch was die Angabe konkret bedeute. Bei empfindlicher Haut empfiehlt es sich deshalb, die neue Gesichtscreme oder die Körperlotion selber zu testen: das Produkt linsengross auf die Innenseite des Ellbogens auftragen, ein Pflaster daraufkleben und zwölf Stunden warten. Zeigen sich keine Hautreaktionen, ist alles okay.

«Unverträglichkeiten sind meist individuell», sagt Konstanze Braun von Weleda. Im Zweifelsfall sollte man sie vom Facharzt abklären lassen, denn nicht jede Hautreaktion auf Körperpflegeprodukte sei allergisch bedingt – auch wenn Allergien laut Dermatologen zunehmen, insbesondere jene auf synthetische Duftstoffe.

Labels: Kosmetika auf dem Prüfstand

BDIH
Label des Bundesverbands der Industrie- und Handelsunternehmen. Rund 5000 Produkte tragen es inzwischen. Einer der Standards: 15 pflanzliche Rohstoffe müssen stets aus ökologischem Anbau stammen. www.kontrollierte-naturkosmetik.de

Natrue
Das Label aus Brüssel gibt es seit 2008. Natrue verteilt bis zu drei Sterne: In der Drei-Sterne-Kategorie müssen mindestens 95 Prozent der natürlichen Inhaltsstoffe aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft und/oder kontrollierter Wildsammlung kommen. www.natrue.org

Ecocert
Die französische Organisation zur Zertifizierung von Biokosmetika wurde im Jahr 1991 gegründet. Sie vergibt zwei Siegel, beim strengeren müssen unter anderem mindestens 95 Prozent aller Inhaltsstoffe natürlichen Ursprungs sein. www.ecocert.com

Schweizer Allergielabel
Diese zertifizierten Produkte sind frei von Duftstoffen und von aggressiven Konservierungsmitteln. www.service-allergie-suisse.ch

Kosmetikcheck
Die Website bietet Übersetzungshilfen für Inhaltsstoffe. www.kosmetik-check.de