«Mein Bruder schrieb mir: Ihr habt ein neues Album draussen – aber es klingt voll nicht nach euch.» Silvan Gerhard ist der Frontmann der Aargauer Rockband Bell Baronets. Sofort gibt er den Namen seiner eigenen Band beim Streaminganbieter Spotify ein. Tatsächlich ist da ein neues Album. Doch die Songs sind nicht von den Bell Baronets.

«Die Songs hätten gewisse Ähnlichkeiten zu unseren. Doch irgendwie waren sie auch weit entfernt von unserer Ästhetik. Zudem ist in jedem Song eine andere Stimme zu hören.» Dem Album fehlt der rote Faden, eine gewisse Stringenz. Ihm wurde klar, dass es sich um KI-generierte Musik handeln muss.

Gerhard war irritiert: «Wem bringt das überhaupt was? Das Album wird ja unter unserem Namen veröffentlicht.» Doch im Gespräch mit dem Vertrieb der Band stellte sich heraus, dass durchaus jemand von dem Betrug profitiert.

Wie das in solchen Fällen genau funktioniert, beschreibt der Blog «Negative White». Wird Musik auf Spotify veröffentlicht, geschieht das über sogenannte Aggregatoren. Das sind Schnittstellen zwischen der Musikerin und dem Streaminganbieter. Auf solche Aggregatoren kann jede Person Musik hochladen. Und: Diese Musik kann einer beliebigen Musikerin zugeordnet werden. Sprich: Als Privatperson kann man einen Song komponieren, auf einen Aggregator hochladen und beispielsweise angeben, er sei von Britney Spears.

Das Geld erhält jemand anderes

Die Krux: Das Geld bekommt die Person, die den Song auf den Aggregator hochgeladen hat. In diesem Fall bereichert sich also jemand anderes mit dem Namen der Bell Baronets.

Um viel Geld geht es nicht: «Mit ein paar Hundert Streams kann man sich noch nicht einmal einen Kafi kaufen», sagt Gerhard. Er vermutet, dass die Betrüger es darauf anlegen, die Masche bei möglichst vielen Bands anzuwenden – sonst lohne es sich nicht.

Gerhard postete ein Statement zu dem Vorfall auf Instagram, damit die Bell-Baronets-Fans Bescheid wissen. Daraufhin meldeten sich mehrere Schweizer Bands, denen das Gleiche passiert war. Er vermutet: «Wahrscheinlich kopieren die Betrüger gezielt kleine Bands.» Bei Britney Spears würde der Betrug schnell auffallen.

Der Frontmann hat den Vorfall Spotify gemeldet. Gelöscht wurden die Songs aber nicht – sie existieren weiter. Die falschen «Bell Baronets» werden jetzt einfach als separate Band behandelt.

«Erst war ich wütend, doch auf gewisse Weise fand ich das Ganze auch lustig.» Gerhard will demnächst dennoch mit einem Anwalt sprechen.

KI-Fakes sind rechtlich problematisch

Beobachter-Rechtsexperte Daniel Leiser findet solche KI-Fakes rechtlich problematisch. «Zumindest die Anmassung eines anderen Namens, hier der Name der Band, verstösst gegen das Gesetz. Zudem könnte das sogar ein Betrug sein – die Betroffenen müssten dafür aber den genauen Schaden beziffern können.» Rechtlich gegen die KI-Betrüger vorzugehen, dürfte aber schwierig sein – wer wisse schon, wo die allenfalls steckten. 

Frontmann Silvan Gerhard sagt: «Schon eindrücklich, was die Technik alles kann.» Mit künstlicher Intelligenz und wenig Aufwand kriege man einfach gleich mehrere Songs ausgespuckt. Ihn beruhigt, dass die Musik der KI derzeit noch keine echten Musikerinnen ersetzen kann. «Die veröffentlichten Fake-Songs sind momentan keine Konkurrenz», findet er. Die Frage sei aber, wie lange es wohl noch dauere, bis es ebenbürtige KI-Musik geben werde.