Haben Sie schon mal etwas Radioaktives per Post bestellt? So abwegig das für die meisten tönen mag – es gibt Menschen, die machen das tatsächlich. 

Ob sie das allerdings auch absichtlich tun, ist nicht bekannt. «Oft sind die Leute ein bisschen überrascht, viele sind sich nicht bewusst, dass die Produkte radioaktiv sind. Sammler von antiken Stücken sollten es zwar eigentlich wissen, aber auch bei diesen Waren ist nicht alles immer korrekt deklariert», erzählt Reto Linder von der Abteilung Strahlenschutz beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) dem Beobachter.

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Jeden Tag werden 5000 Pakete getestet

Das BAG hat den gesetzlichen Auftrag, mit Stichproben zu prüfen, ob radioaktives Material in die Schweiz importiert wird. Da ein Grossteil der Pakete über das Paketzentrum Urdorf in die Schweiz gelangt, hat das Amt Anfang 2024 dort ein hochempfindliches Strahlenmessgerät durch das Paul-Scherrer-Institut an einem Förderband installieren lassen. Über diese Messstelle werden jeden Tag durchschnittlich 5000 Pakete befördert und auf erhöhte Radioaktivität geprüft.

Wenn der Wert von der üblichen Umgebungsradioaktivität abweicht, bekommt Reto Linder vom BAG automatisch eine SMS mit dem Hinweis auf ein Ereignis. So steht es im neuen Bericht des Bundesamts über die Überwachung der Radioaktivität in der Schweiz.

60 radioaktive Pakete

2024 piepste das Handy von Reto Linder 60-mal, weil das Messgerät in Urdorf bei 60 Paketen wegen einer erhöhten Radioaktivität Alarm geschlagen hatte. Das gibt das Bundesamt für Gesundheit auf Nachfrage des Beobachters bekannt. In 37 Fällen handelte es sich effektiv um Waren, die nicht in die Schweiz eingeführt werden dürfen. Wie etwa Uhren mit Radium-Leuchtziffern oder Kameraobjektive mit thoriumhaltigen Linsen. 

In die Schweiz wurden aber auch Schmuck, Fitnessmatten oder Decken bestellt, denen radioaktives Material zugesetzt worden war – weil es gemäss Produktanpreisungen einen positiven Effekt auf die Gesundheit haben soll. Doch diese sogenannten Negativ-Ionen-Produkte sind alles andere als gesund. «Aus Sicht des Strahlenschutzes stellen solche strahlenden Gegenstände ein Gesundheitsrisiko dar», schreibt das BAG im Bericht, weshalb der Vertrieb verboten sei.

Sogar bei einer WC-Schüssel setzte das Strahlenmessgerät ein Warnsignal ab.

23 weitere Pakete lösten ebenfalls einen Alarm aus, konnten aber trotz Strahlung den Empfängern zugestellt werden. Dazu gehören Produkte mit kaliumhaltigen Zusatzstoffen mit hohem Salzgehalt, zum Beispiel Nudelpulver aus Thailand. Oder Keramiktassen. Sogar bei einer WC-Schüssel setzte das Strahlenmessgerät ein Warnsignal ab. Später konnten die Prüfer Entwarnung geben: Diese Produkte sind alle natürlicherweise leicht radioaktiv, die Verwendung ist aber unbedenklich. 

Alter Schiffskompass als Gefahrengut entsorgt

Und was passiert mit Waren, die zu stark radioaktiv strahlen und daher nicht in die Schweiz eingeführt werden dürfen? Diese werden von der Post an den Absender zurückgeschickt.

Allerdings gibt es auch da Grenzen. In zwei Fällen sei das nicht möglich gewesen: Ein grosser, alter Schiffskompass mit «reichlich Radiumleuchtfarbe» und radioaktive Mineralien strahlten so stark, dass eine Retoure an die Absender wegen geltender Transportvorschriften nicht mehr zulässig war. Sie wurden als Gefahrengut eingestuft und mussten als radioaktiver Abfall entsorgt werden. Für die Sonderentsorgung mussten die Besteller der Ware aufkommen.

In zwei Fällen war die Aktivität jedoch so hoch, dass diese Objekte als Gefahrgut eingestuft werden mussten. Es handelte sich dabei um einen grossen alten Schiffskompass mit reichlich Radiumleuchtfarbe und um radioaktive Mineralien mit einer zu hoh…

Der Schiffskompass mit Radiumleuchtfarbe. Dieser musste als Sonderabfall entsorgt werden.

Quelle: BAG

In Urdorf wurden bisher keine Importe von stark radioaktiven Quellen entdeckt. Aber theoretisch denkbar wäre es: «Wir prüfen nur stichprobenartig. Die Radioaktivität wird fast nirgends gemessen, weder flächendeckend an den Grenzen noch bei der Post», sagt Reto Linder, der Strahlenschutz-Fachmann beim BAG. «Nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit ist das so. Deshalb kann man tatsächlich nicht ausschliessen, dass auch grössere Mengen radioaktives Material geschmuggelt werden.»

Illegal radioaktive Waren in die Schweiz einzuführen, kann ein juristisches Nachspiel haben: Gemäss BAG werden die Empfänger der Pakete schriftlich darauf aufmerksam gemacht und im Wiederholungsfall mit maximal 2000 Franken gebüsst. Bisher sei es dazu aber noch nicht gekommen.