Blinde können Zugbillette jetzt früher kaufen
Der Ticketkauf kann für Sehbehinderte schwierig sein. Der Beobachter hat dabei geholfen, eine Hürde zu beseitigen.
Veröffentlicht am 17. Juni 2025 - 17:00 Uhr
Tickets per Telefon für Sehbehinderte: Die SBB verbessern ihr Angebot.
Billett lösen, einsteigen, abfahren – Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist für die meisten das Einfachste der Welt. Nicht aber für Blinde. Anfang 2024 schaffte die Alliance Swisspass die Ausweiskarte für sie ab – nach 50 Jahren. Seither müssen auch Blinde für alle Fahrten in Tram, Bus und Zug bezahlen.
Zuvor hatten sie die meisten Nahverkehrsstrecken gratis nutzen können. Die Alliance Swisspass, die Branchenorganisation des öffentlichen Verkehrs, begründet diesen Schritt mit dem technischen Fortschritt und dem Grundsatz der Gleichstellung.
Am SBB-Automaten möglich, per Telefon nicht
Daniel Neuenschwander ist blind. Im Bahnverkehr fühlt er sich nach wie vor benachteiligt. Seine Tickets kauft er telefonisch über eine kostenlose SBB-Hotline für Blinde. Er gibt an, welche Verbindung er in welcher Klasse nutzen möchte, und das Ticket wird für ihn hinterlegt. Das Zugpersonal kontrolliert wiederum mit der Zentrale, ob ein Ticket auf den Namen der blinden Person gelöst wurde.
Was Daniel Neuenschwander daran stört: Er kann Billette so frühestens 24 Stunden vor der Reise lösen – am Automaten dagegen ist ein Vorverkauf bis zu sechs Monate im Voraus möglich.
«Die Beschaffung von Abos und Fahrkarten ist für Menschen mit Sehbehinderung deutlich schwieriger geworden.»
Martin Abele, Schweizerischer Blinden- und Sehbehindertenverband
Der Schweizerische Blinden- und Sehbehindertenverband (SBV) hat sich stark gegen die Abschaffung der Ausweiskarte für Blinde und Sehbehinderte gewehrt, sagt Kommunikationsleiter Martin Abele. «Die Beschaffung von Abos und Fahrkarten für den öffentlichen Verkehr ist für Menschen mit Sehbehinderung seit Januar 2024 deutlich schwieriger geworden.»
Diejenigen, die gut mit dem Smartphone vertraut seien, könnten heute zwar mehr oder weniger problemlos ihre Tickets kaufen, erklärt Abele. Betroffen seien jedoch vor allem Personen, die im Alter ihr Augenlicht verlieren würden. Weil sie sich den Umgang mit Onlinediensten oder Sprachsteuerung nicht gewohnt sind.
Plötzlich entscheiden sich die SBB um
Auch beim Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) kann man Tickets per Anruf kaufen. Allerdings viel weiter im Voraus als bei den SBB. Wie bei allen anderen Tickets gilt eine Vorverkaufsfrist von 60 Tagen. Das bestätigt der ZVV gegenüber dem Beobachter. Anders als bei den SBB wird das Billett auf den Swisspass geladen und Ende Monat abgerechnet.
Der Billettverkauf per Telefon bringe einen sehr hohen Aufwand mit sich, heisst es bei den SBB. Doch nach der Anfrage des Beobachters untersuchte man intern die telefonischen Billettkäufe und kam zum Schluss, dass nur noch sehr wenige Tickets auf diese Art verkauft werden. Das relativiere den grossen Aufwand, der damit verbunden sei. Darum wollen die SBB bei Anrufen auf ihre Hotline für Blinde künftig auf die Einschränkung von 24 Stunden vor der Reise verzichten.
«Problem noch nicht ganz gelöst»
Daniel Neuenschwander freut sich sehr über die jüngste Entscheidung der Bundesbahnen. Als Mathematiker war es ihm nie ganz klar, wieso es nicht möglich ist, das Datum weiter als einen Tag im Voraus anzupassen.
Auch beim SBV freut man sich über die neuste Entwicklung. Martin Abele sieht das Problem aber noch nicht als gelöst und betont: «Wir erhalten immer noch viele Reaktionen aus unseren Sektionen, die uns auffordern, eine nationale Ersatzlösung für die abgeschaffte Ausweiskarte zu finden.»
- Telefonate und Mailverkehr mit den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB)
- Telefonate und Mailverkehr mit dem Zürcher Verkehrsverbund (ZVV)
- Telefonate und Mailverkehr mit dem Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband (SBV)
- Alliance Swisspass: Die Ausweiskarte für Blinde und Sehbehinderte ist nur noch bis Ende 2023 gültig
1 Kommentar
Zitat: „Die Alliance Swisspass, die Branchenorganisation des öffentlichen Verkehrs, begründet diesen Schritt mit dem technischen Fortschritt und dem Grundsatz der Gleichstellung.“
Das nenne ich NICHT Gleichstellung, sondern Abbau NACH UNTEN für die Minderheiten…..wie immer in der Schweiz! Es ist eine Schande, immer wieder dasselbe! Ob für Menschen mit Einschränkungen oder für die bedürftigsten Menschen in der Schweiz! Die Reichen müssen nichts tun, nur die hohle Hand machen, denen wird hier immer gegeben (endlich gerechte Steuern einfordern bei denen!) zulasten der Bedürftigsten, dann reicht nämlich das Geld für diese Menschen auch! Diese müssen sich in einer „Demokratie“ tatsächlich immer und immer wieder wehren für ihre Rechte! Als ob diese Bevölkerungsgruppe nicht eh schon genügend andere Schwierigkeiten hätte und sowieso sonst schon kämpfen müsste! Stattdessen werden Milliarden zum Fenster rausgeschmissen für einen viel zu teuren und mittlerweile sehr gefährlichen F-35 und die Armee ganz allgemein, oder auch für unnütze Autobahnen hat die Politik immer Geld, nur NICHT für den Klimaschutz, eine biologische Landwirtschaft oder die Menschen am untersten Rand der Gesellschaft - diese kann man ja getrost vernachlässigen - irgendwann wird sich das wohl rächen!! Ich wünsche mir ENDLICH eine menschlichere und menschenwürdige Politik UND Gesellschaft in der Schweiz!! Das ist das Mindeste was man erwarten darf von einem Staat mit soviel Geld! Man muss es nur RICHTIG verteilen!