Die Methode ist immer dieselbe und wurde dem Taxivermittler Uber abgeschaut: Erst Knall auf Fall handeln, dann schauen, was geschehen ist, wenn der Rauch sich verzogen hat.

So gingen auch Start-ups wie Lime und Bird in Schweizer Städten vor. Über Nacht verstellten sie Trottoirs und Plätze mit Hunderten von E-Trottinetten und lobten sich als hippe Vorreiter umweltfreundlicher Mobilität. Doch kaum häuften sich die Probleme, hüllte man sich in Schweigen. Zurück blieben Verluste, Verletzte und Fragen.

In der Schweiz wurde der US-Anbieter Lime bisher nicht glücklich. Kaum hatte er Mitte letzten Jahres die Städte Basel und Zürich mit 550 giftgrünen E-Scootern bestückt, vermeldete das Nachrichtenportal «Watson» erste schwere Unfälle. Bei voller Fahrt blockierte die Vorderbremse, die Passagiere landeten kopfvoran auf der Strasse und dann im Spital.

Sechs Monate nach dem Start zog Lime alle Geräte wieder ein. Unfälle wie in Baar ZG, Genf und Winterthur und ein Todesfall in London sind für Verleiher ein Desaster. Sie stellen die Sicherheit auf den wackeligen Gefährten mit ihren kleinen Rädchen in Frage und könnten dazu führen, dass E-Flitzer völlig aus der Schweiz verschwinden. Lime beantwortete die Fragen des Beobachters mit einem einzigen Satz: «Wir sind dabei, unseren Relaunch vorzubereiten.»

Verschlossen gibt sich auch Bird, eine weitere US-Firma. Bird unterhalte 400 E-Trottinette in Zürich und 100 in Winterthur und sei «glücklich über die Akzeptanz Strassenverkehr E-Trottinette ärgern Fussgänger-Lobby und die Nutzung von Bird in der Schweiz». Kein Wort zur Lebensdauer der angeblich ökologischen Fahrzeuge aus China.

28 Tage Lebensdauer, 92 Mal benutzt

Gemäss einer Studie im amerikanischen Louisville wird ein Bird-Flitzer der ersten Generation 28 Tage alt und wird im Durchschnitt 92-mal genutzt. Dann ist das Teil mit seiner kiloschweren Lithiumbatterie defekt, unter dem Gewicht der Nutzer zusammengebrochen, verrottet im Fluss, wurde zerstückelt oder verbrannt, wie der Instagram-Account «Bird Graveyard» hundertfach dokumentiert.

Geld lasse sich jedenfalls keines verdienen, errechnete das Magazin «Quartz» im März, Bird verbrenne mit jedem E-Flitzer fast 300 Dollar. Im Juli hielt der Bird-Gründer dagegen, er verdiene an jeder Fahrt USD 1.27. Bird gilt als Superstar der Branche und wird mit zwei Milliarden Dollar bewertet.

«Vandalismus bewegt sich in überschaubarem Rahmen»

Vandalismus ist auch in der Schweiz ein Problem, gemäss den Verleihern aber kein so grosses wie in anderen Ländern, wo Scooter reihenweise zerschmettert werden. Mitte Juni fischten über 100 Freiwillige einer Tauchschule aus der Ostschweiz innert weniger Stunden zwei Dutzend E-Trottinette aus dem Zürichsee und der Limmat (und musste dafür der Stadt Zürich über 100 Franken für die Bewilligung zahlen). Wochen davor hatten private Taucher einer anderen Organisation über zehn E-Scooter aus Stadtzürcher Gewässern geborgen. In Basel zog die Polizei weitere zehn E-Flitzer aus dem Rhein.

Für den deutschen Verleiher Circ bewegt sich der Vandalismus in der Schweiz «in überschaubarem Rahmen». Voi aus Schweden kennt «vereinzelte Fälle»; die deutsche Firma Tier hat damit «kein Problem in der Schweiz» und weist darauf hin, dass ihre 700 Fahrzeuge in Basel und Zürich «deutlich länger standhalten», mehrere Monate statt die viel zitierten 28 Tage.

Dass die E-Roller ein Geschäft sind, müsse die Branche noch beweisen, sagt Circ-Chef Lukasz Gadowski. «Das geht nicht, wenn 20 Anbieter miteinander konkurrieren.» In Madrid sind es sogar 21, die zum Ärger der Anwohner die piepsenden E-Mobile nachts einsammeln und mit benzinbetriebenen Autos neu verteilen. Am Ende werden sich pro Stadt ein bis drei Anbieter den Markt teilen, schätzt Gadowski.

Bis die Konkurrenten pleite sind, werden also eher noch mehr als weniger Trottis die Trottoirs verstellen Chaos auf dem Trottoir Stoppt den Trotti-Terror!

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René Ammann, Redaktor
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