Die Hoffnung ist überall spürbar: Wenn wir den Lockdown meistern konnten, dann können, ja müssen wir doch auch im Kampf gegen den Klimawandel endlich vorankommen. Das neue CO2-Gesetz, das das Parlament in der Sommersession wohl beschliesst, kommt also zur richtigen Zeit.

Für einen wirksamen Klimaschutz sind aber weitere Efforts nötig. Solche, die deutlich weiter führen als die minime Flugticketabgabe oder leicht höhere Benzin- und Heizölsteuern, wie sie das neue Gesetz vorsieht. Damit wir so weit kommen, braucht es aber ein Umdenken: Wir sollten beim Klimaschutz weniger aufs Klima, sondern mehr auf uns schauen.

Auf Solidarität zu hoffen, ist naiv

Denn Klimaschutz, der nur das Klima im Blick hat, hemmt und demotiviert. Das Totschlagargument gegen alle Bemühungen, leider Gottes trifft es zu: Alles, was wir in der Schweiz fürs Klima tun, wird von einer wachsenden Anzahl Menschen Philosoph zur Klimadebatte «Kinder sind keine Privatsache mehr» weltweit wieder zunichte gemacht, die wenigstens ein bisschen so leben wollen, wie wir es seit Jahrzehnten tun. Wenn die SVP in der Debatte um das CO2-Gesetz mantramässig einwirft, die Schweiz könne das Klima nicht retten, hat sie recht. Warum also sollen wir uns einschränken und Geld dafür ausgeben?

Die Befürworter von griffigen Massnahmen verweisen jeweils auf die globale Verantwortung. Daraus entsteht aber wenig Tatkraft – etwa so wenig, wie die geplante Schweizer Flugticketabgabe die CO2-Konzentration in der Atmosphäre senken wird. Hier auf die Solidarität aus der Coronakrise zu hoffen, ist naiv. Dort waren wir bereit, Opfer zu bringen. Aber nicht gegenüber der Welt, sondern weil wir unsere Eltern, Nachbarinnen und Freunde schützen wollten. Und weil wir wussten, dass unser Verhalten etwas bewirkt. Bei der Klimaerwärmung ist die Lage komplett anders.

Mehr Platz, bessere Luft, weniger Lärm

Schub kann der Klimaschutz nur bekommen, wenn wir ihn lokaler betrachten, egoistischer. Wenn wir schauen, was er hier für uns in der Schweiz bewirkt. Klimaschutzmassnahmen, das sind ja nicht nur Einschränkungen, Verbote und Verzichte für ein abstraktes Klima irgendwo auf der Welt. Sondern sie wirken sich auch auf unseren Alltag aus. Und zwar sehr oft positiv.

Weniger Auto fahren schafft mehr Platz für Fussgänger, Velos und spielende Kinder, macht die Luft besser, und wir sparen Geld für Benzin und Reparaturen. Weniger Fliegen erzeugt weniger Fluglärm, wir müssen weniger Böden für neue Pisten versiegeln, und vielleicht entsteht sogar genügend Nachfrage für ein schnelles und bequemes Nachtzugnetz. Weniger Fleisch CO2-Reduktion Das Weltretter-Menü macht uns gesünder, es braucht weniger stinkende Schlachthöfe und Mastbetriebe, und wir müssen uns nicht mehr schämen fürs Leiden der Tiere. Die Aufzählung liesse sich fortsetzen.

Es braucht Gesetze und Verbote

Und es ist noch viel mehr möglich. Hat nicht die Coronakrise gezeigt, dass Änderungen oft andere Folgen zeitigen, als wir uns vorstellen konnten? Im Lockdown haben wir plötzlich Homeoffice gelernt, die Freude am Kochen neu erfahren und die Schweiz als wunderbares Freizeitland entdeckt. Dasselbe könnte uns bei einem Umstieg auf eine klimaschonendere Wirtschaft, Mobilität Mobilität Ist dieses Wachstum noch zu bewältigen? und Ernährungsweise passieren. Der Umstieg könnte positive Konsequenzen mit sich bringen, die wir heute nicht mal erahnen.

Wohlverstanden, es geht nicht um Klimaschutz als individuelles Selbstoptimierungsprojekt, in dem alle machen, was für sie passt. Wie Massnahmen zum Virenschutz wirken auch Klimaschutzmassnahmen am stärksten, wenn sie für alle gelten. Damit die Luft sauberer wird, müssen alle weniger Auto fahren oder auf ein Elektroauto umsteigen.

Eine egoistische Sicht auf den Klimaschutz heisst darum: Wir als Land und Gesellschaft lassen uns endlich auf verbindliche Vorgaben und Verbote zum Schutz des Klimas ein – weil sie uns eben auch hier und jetzt etwas bringen. Es stimmt, die Schweiz kann das Klima nicht retten. Klimaschutz aber kann unser Leben besser machen. Und wenn andere sehen, dass das so ist, werden sich Nachahmer finden.

Zu träge für die freiwillige Klimawende?

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Das Klima wird vom Lockdown kaum profitieren. Es brauche schärfere Rahmenbedingungen, die für alle gelten, sagt ETH-Klimaforscher Reto Knutti.
Quelle: Beobachter Bewegtbild
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