Liebe Leserinnen und Leser

Welche Wörter schiessen Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an die Zustände und die Akteure im überhitzten Wohnungsmarkt denken? Ich unterstelle Ihnen mal, dass es Begriffe wie «Profitdenken» oder «Abzocker» sind. Und wohl kaum «fair» oder «partnerschaftlich». Bei mir ist es jedenfalls so. 

Gemeinsinn in einem Umfeld, das förmlich zur einseitigen Bereicherung einlädt, weil Angebot und Nachfrage komplett aus dem Gleichgewicht sind? Das erscheint wie die Vereinigung von Feuer und Wasser. Doch der erste Gedanke neigt dazu, Schlagseite zu haben.

Die Geschichte der Woche

Denn es gibt sie, die fairen Wohnungsvermieter. Hauseigentümer, die sich mit einer «bescheidenen Rendite» zufriedengeben, weil ihnen andere Aspekte wichtiger sind – etwa neuen Wohnraum für Familien zu schaffen. Das ist eine hoffnungsvolle Nachricht. Denn der Markt besteht nur zum Teil aus institutionellen Playern wie Immobilienfirmen oder Pensionskassen, deren innere Logik der maximale Profit ist. Die meisten Mietwohnungen in der Schweiz gehören immer noch Privatpersonen – und diese können selbst entscheiden, welche Ziele sie verfolgen. Wie nachhaltig und sozial sie sein wollen. Oder wie bescheiden. Mein Kollege Raphael Brunner hat solche «guten» Vermieter getroffen. Er beschreibt sie so:

«Keiner von ihnen hat sich zum Ziel gesetzt, ein besonders fairer Vermieter zu sein. Sie sehen sich auch nicht als Wohltäter. Sondern sie haben eine Idee und schauen dann: Stimmt es für mich? Stimmt es auch für die anderen Beteiligten, also die Mieterinnen und Mieter? Wenn ja, dann ist es gut. Dann überlegen sie nicht, ob sie eventuell noch mehr herausholen können. Das Ganze ist ihnen wichtig, nicht, welche Zahl hinter dem Komma auf der Rendite steht.»

 

Hier geht es zur Geschichte.

Ausserdem

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Voilà

Wobei ... Die Sache mit der selbst auferlegten Bescheidenheit lässt mich nicht in Ruhe. Eine Haltung, die nicht nur im Wohnungsmarkt irgendwie aus der Zeit gefallen scheint. Um das zu überprüfen, gibt es ein wunderbares Spielzeug: das digitale Wörterbuch der deutschen Sprache. Damit lässt sich herausfinden, wie häufig Wörter in verschiedenen Epochen verwendet werden. Tatsächlich: «bescheiden» – seit den 1990ern im Sinkflug. Hingegen: «viel» und «mich» kräftig ansteigend. «Viel für mich» mag man sich da gar nicht vorstellen. Jetzt ziehe ich erst recht den Hut vor dem Vermieter aus unserer Geschichte, dem eine bescheidene Rendite genügt.
 
So viel für den Moment. Mehr von uns gibt es nächste Woche, wenn Sie mögen.