Wozu stundenlang Stelleninserate durchforsten, wenn es auch anders gehen kann? Mit geschicktem Vorpreschen zum richtigen Zeitpunkt kommen Jobsuchende unter Umständen an Stellen heran, die nie ausgeschrieben würden. «15 bis 20 Prozent aller Stellen werden aufgrund von sogenannten Initiativbewerbungen vergeben», schätzt Roger Gfrörer, Leiter der Abteilung Career Services der Universität Zürich.

Auch die Zürcher Laufbahnberaterin Trudy Dacorogna-Merki ist überzeugt: Initiativbewerbungen funktionieren. «Die Chance auf Erfolg ist rein mathematisch viel höher, wenn man einziger Bewerber und nicht einer von hundert ist.» Zudem böten Initiativbewerbungen die Möglichkeit, eine Karriere aktiv zu planen und sich damit auseinanderzusetzen, wo man denn eigentlich arbeiten wolle. «Das kann eine Chance sein, sich zu verändern und einen Arbeitgeber zu finden, der zur eigenen Berufslaufbahn passt», so Dacorogna-Merki.

Personalisierte Stellensuche auf dem Handy

Was bei der Partnersuche funktioniert, muss auch bei der Stellensuche funktionieren. Das Start-up «Yooture» hat es sich zur Aufgabe gemacht, Stellensuchende und Firmen über ein «Match»-System einfacher zusammenzubringen.

Wer sich auf der Plattform registriert, hinterlässt auf dem Portal sein individuelles Profil: Die Daten werden von den Stellenplattformen LinkedIn oder Xing übernommen oder können manuell eingetragen werden. Anschliessend erhält man täglich Stelleninserate auf sein Handy, die zum Profil, zur gewünschten Branche und zur gewünschten Region passen. Ausserdem ist es möglich, von interessierten Firmen direkt kontaktiert zu werden.

Doch wie geht Yooture damit um, falls man vom aktuellen Arbeitgeber als Stellensuchender gefunden wird? Anonymisierte Kandidatenprofile ermöglichen es, dass ein Bewerber eine Kontaktanfrage durch die Firma erst annehmen muss, bevor diese die Person und einen Lebenslauf sieht. Interessierte Unternehmen können lediglich die Fähigkeiten sowie eine aktuelle Tätigkeitsbeschreibung der bewerbenden Person lesen.

Die Nutzung der App ist für Stellensuchende gratis, für Firmen kostenpflichtig.
 

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Begeisterung für die Firma zeigen

Der grosse Unterschied zwischen einer Initiativbewerbung und einer Bewerbung auf ein Inserat steckt bereits in der Bezeichnung: Bewerber müssen die Initiative ergreifen und von sich aus auf Firmen zugehen. Sie müssen echte Begeisterung für eine Firma zeigen und überzeugend darlegen, warum sie für diese arbeiten wollen.

«Initiativbewerbungen sind spezifisch auf die Firma zugeschnittene Motivationsschreiben», sagt Dacorogna-Merki. Daher sei es unerlässlich, im Vorfeld die Aktivitäten des Unternehmens zu verfolgen und mit Informiertheit zu punkten. Denn: «Wenn ich mich intensiv mit einer Firma auseinandersetze und auch unbedingt dort arbeiten will, gehöre ich dort auch hin – das spüren die Arbeitgeber.»

«Ich wurde sofort eingeladen»

Zahlreiche Firmen haben damit begonnen, auf ihrer Website aktiv zu Spontanbewerbungen aufzurufen. So etwa Maxon Motor in Sachseln OW, Herstellerin von Antriebssystemen und Motoren. «Wir sprechen mit unseren technischen Produkten ein ganz spezifisches Segment von Leuten an», sagt Personalleiter Stefan Preier. «Wenn jemand Interesse hat an unserer Technologie, dann wollen wir ihm die Möglichkeit bieten, mit uns in Kontakt zu treten.» Beinahe täglich erhalte die Firma Initiativbewerbungen. Und: «10 bis 20 Prozent unserer Mitarbeiter werden auf diese Weise eingestellt.»

Einer der Glücklichen war Patric Ulrich. Der ETH-Student wollte die Masterarbeit für sein Maschinenbaustudium nicht am Institut seiner Hochschule schreiben, sondern in der Industrie. «Der Bereich, in dem Maxon Motor tätig ist, interessiert mich. Also habe ich mich spontan beworben und wurde dann tatsächlich sofort zu einem Gespräch eingeladen», sagt Ulrich. Gegenwärtig absolviert er ein Praktikum bei der Firma und schreibt dabei seine Masterarbeit zum Thema Situationsanalyse von Hochgeschwindigkeitskugellagern; eine Stelle für danach hat er in Aussicht.

So einfach ist es natürlich nicht immer. Denn eine Bewerbung kann noch so gut sein – wenn keine Stelle frei ist, fruchtet sie nicht. Es lohnt sich deshalb, die Branche und die Wunschfirmen im Auge zu behalten. «Man muss herausfinden, wo die Organisation steht», sagt Laufbahnberaterin Dacorogna-Merki. «In Zeiten von Reorganisation etwa sind Krisenmanager gefragt. Wenn man sich dann als solcher bewirbt, wird man vielleicht gebraucht.» Auch Veränderungen wie Fusionen, Expansionen oder neue Grossprojekte bringen Bewegung in die Mitarbeiterzusammensetzung oder steigern den Bedarf nach zusätzlichem Personal.

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Heutige Stellenprofile werden immer anspruchsvoller, weshalb die Stellensuche zunehmend zur Herausforderung wird. Guider gibt Beobachter-Abonnenten Tipps, wie sie den Stellenmarkt optimal erkunden, dabei ihr persönliches Netzwerk nutzen und worauf Berufseinsteiger sowie 50-plus-Bewerber achten können.

Eine Absage ist nicht so schlimm

Nicht alle Firmen behandeln Initiativbewerbungen jedoch gleich. «Ich höre oft von Mitstudenten, dass ihre Bewerbungen vergessen gehen oder nicht beantwortet werden», sagt Patric Ulrich. Wichtig in solchen Fällen: nicht verzagen, sondern sich mit einer Nachfrage in Erinnerung rufen. Und auch bei einer Absage nicht den Kopf hängen lassen. Denn, so Dacorogna-Merki: «Eine Absage auf eine Initiativbewerbung hat nicht dasselbe Gewicht wie eine Absage auf eine normale Bewerbung.» Man könne die Firma problemlos bitten, sein Dossier pendent zu behalten, und sich wieder bewerben, sobald eine Stelle frei werde. Bis man mit etwas Glück irgendwann doch die Traumstelle erwischt.

6 Tipps für Initiativbewerbungen

1. Branche überblicken
Verschaffen Sie sich einen Überblick über die Branche, in der Sie tätig sein möchten. Erstellen Sie dann eine Liste mit Wunschfirmen, die Sie kontaktieren wollen.

2. Saubere Vorrecherche
Nutzen Sie alle Kanäle, um sich möglichst viel Wissen über die Wunschfirma anzueignen. Informieren Sie sich dazu via Internet, Publikationen, Medien, ehemalige oder aktuelle Mitarbeiter, Zulieferer und Kunden. Klären Sie dabei folgende Fragen:

  • Wünscht die Firma Spontanbewerbungen?
  • Was ist die strategische Ausrichtung der Firma?
  • Welches Leitbild verfolgt sie?
  • Wie waren die Geschäftsberichte?
  • Welche Dienstleistungen und Produkte bietet die Firma an?
  • Was ist ihre Marktstellung?
  • Gibt es aktuelle Ereignisse um die Firma? Neue Projekte? Expansionen? Filialen? Fusionen?
  • Hat die Firma in letzter Zeit Preise gewonnen?
  • Wie sind Firmenkultur und Anstellungsbedingungen?
     

3. Richtigen Ansprechpartner finden
Es ist wichtig, dass Ihre Bewerbung bei jemandem landet, der damit etwas anzufangen weiss.

  • Finden Sie mit einem Anruf heraus, wer in der Firma über neue Anstellungen entscheidet.
  • Auch die Firmenwebsite gibt über Funktionen Auskunft. Bei KMU entscheidet meist die Geschäftsleitung, bei Grossfirmen die Human-Resources-Abteilung (HR).
  • Falls Sie unsicher sind: Schicken Sie Ihre Bewerbung an eine möglichst hohe Hierarchiestufe.
     

4. Motivationsschreiben ausarbeiten
Das Motivationsschreiben ist Marketing in eigener Sache. Verfassen Sie es basierend auf Ihrer Vorrecherche. Es sollte kurz und präzise sein. Betonen Sie am Ende, dass Sie auch mittelfristig an einer Stelle in der Firma interessiert sind. Arbeiten Sie folgende Punkte heraus:

  • Was ist meine persönliche Motivation, bei dieser Firma tätig zu sein?
  • Warum muss es unbedingt diese Firma sein?
  • Was kann ich der Firma aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen bieten?
  • Wo liegen meine speziellen Fähigkeiten und Kenntnisse?
     

5. Dossier vorbereiten
Die Meinungen darüber, ob man bei einer Initiativbewerbung das ganze Dossier oder nur Motivationsschreiben und Lebenslauf mitschicken sollte, gehen auseinander.

  • Handeln Sie nach Gefühl. Wenn Sie über ein spezielles Zertifikat, eine Auszeichnung oder eine gute Masterarbeit verfügen, die die Firma interessieren könnte, legen Sie das Dokument bei.
  • Finden Sie auf der Homepage heraus, ob die Firma Bewerbungen per Post oder E-Mail wünscht.
     

6. In Kontakt bleiben
Wenn man eine gute Beziehung zur Wunschfirma hergestellt hat, lohnt es sich, sie zu pflegen.

  • Fragen Sie etwa einen Monat nach Verschicken der Bewerbung nach.
  • Überlegen Sie sich für dieses Gespräch, wie Sie sich präsentieren. Erklären Sie, dass Sie sich beworben haben und auch mittelfristig sehr an der Firma interessiert sind. Stellen Sie Fragen zu bevorstehenden Veränderungen (Expansionen, neue Projekte).
  • Rufen Sie sich nach einem halben Jahr per E-Mail oder Post wieder in Erinnerung und bitten Sie die Firma, Ihr Dossier weiterhin pendent zu halten.
  • Bewerben Sie sich wieder, wenn Veränderungen in der Firma geschehen oder eine Stelle ausgeschrieben wird.
Buchtipp
Stellensuche mit Erfolg
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