Chef eines Ölkonzerns und gleichzeitig Präsident der Weltklimakonferenz? Was wie ein schlechter Witz klingt, ist dieses Jahr Realität – Sultan al-Jaber präsidiert die Uno-Klimakonferenz in Dubai und ist CEO der staatlichen Abu Dhabi National Oil Company. Für seine Doppelrolle und Aussagen zum Klimawandel wurde er schon im Vorfeld heftig kritisiert. Selber sieht sich der Sultan zu Unrecht am Pranger. 

Die Klimakonferenzen haben schon lange ein Glaubwürdigkeitsproblem. In den letzten zwanzig Jahren sassen Delegierte mit Verbindungen zu den weltgrössten Öl- und Gasfirmen sowie deren Wirtschaftsverbände über 7200-mal mit am Tisch bei Uno-Klimagesprächen. Das zeigten die Ende November veröffentlichten Recherchen der «Kick Big Polluters Out»-Koalition. Demnach brachte beispielsweise die offizielle Delegation von Kanada Vertreter der Ölsand-Industrie mit an die Klimakonferenz in Glasgow 2021 und gab ihnen damit Zugang zu den Verhandlungen. Am häufigsten habe Shell über die Jahre Personal an die Klimakonferenzen geschickt, zeigt die Recherche weiter. 

Dieses Jahr ist sogar eine Rekordzahl von 2456 Lobbyisten aus dem Kohle-, Öl- und Gassektor vor Ort – und das ganz offiziell akkreditiert. Gemäss einer heute publizierten weiteren Recherche der «Kick Big Polluters Out»-Koalition sind das viermal mehr Fossil-Lobbyisten als noch im vergangenen Jahr am Klimagipfel in Ägypten. Die meisten von ihnen sind als Vertreter eines Wirtschaftsverbandes zugelassen. Es sind mehr Fossil-Lobbyisten vor Ort als Delegationsmitglieder der zehn am meisten verletzlichen Länder zusammen. 

Uno stösst Transparenzoffensive an

Die Uno versucht dem mit einer Transparenzinitiative Gegensteuer zu geben, weil die Anzahl Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den letzten Jahren ständig wuchs und es nicht immer transparent war, wer an diesen Konferenzen teilnahm. An der diesjährigen Klimakonferenz in Dubai müssen alle zum ersten Mal beim Registrieren ihre Interessenbindungen offenlegen

Und was bringt das konkret? Zum ersten Mal sehe man jetzt endlich, welche Interessenvertreter bei der Länderdelegation mitreisen, sagt Christina Aebischer von Helvetas Schweiz. Sie koordiniert in Dubai die Arbeit der Helvetas-Teilnehmenden aus Mosambik, Bangladesch, Ecuador und Tansania. «Wir begrüssen diese Initiative sehr», sagt sie. Interessenvertretung sei nicht per se schlecht, sondern Teil jedes politischen Verhandlungsprozesses. «Aber es muss transparent sein, wer mit am Tisch sitzt», so Aebischer. Helvetas habe beispielsweise zwei Badges für die sogenannte blaue Zone, in der die Verhandlungen stattfinden und man entweder im Rahmen der Landesdelegation oder als Beobachter akkreditiert sein muss. 

«Ich nehme an, da sind auch viele mit den Länderdelegationen dabei, die nicht an mehr Klimaschutz interessiert sind», sagt Aebischer. «Hoffentlich wird das mit der Zeit ausgeglichener, wenn alles transparenter ist. Es ist aber natürlich wichtig, dass auch Ölförderer und grosse Ölkonsumenten – wie die Schweiz – dabei sind. Man muss alle am Tisch haben, sonst gibt es keine Lösungen.»

Grosse Unterschiede bei der Grösse der Delegationen

In der blauen Zone sei Lobbying grundsätzlich in Diskussionen spürbar, aber sonst nicht besonders sichtbar, weil es keine Stände oder Werbung gebe, nur Sitzungszimmer und Plenar- und Workshopräume für das Programm neben den Verhandlungen. Es gebe aber noch eine grüne Zone etwas ausserhalb, eine Art Expo oder Olma, zu der auch der Privatsektor und verschiedene Interessengruppen Zugang haben und wo viele Events stattfinden.

Die Transparenzinitiative findet Aebischer auch deshalb gut, weil das möglicherweise zu kleineren Delegationen führen könnte: «Man muss nicht mit 700 Leuten anreisen, solche Beispiele gibt es aber. Die Schweiz hat im Vergleich eine sehr kleine Delegation. Und mit den Vertretern aus der Entwicklungszusammenarbeit, dem Umweltschutz und der Wirtschaft ist die Schweiz von Anfang an transparent.»

Damit gemeint sind Patrick Hofstetter vom WWF (nominiert von der Umweltallianz), Rupa Mukerji von Helvetas (nominiert von Alliance Sud) und Owen Bethell von Nestlé (nominiert von Economiesuisse). Neben diesen drei Namen ist auch derjenige des Leiters der zehnköpfigen Delegation, Felix Wertli, bekannt. Wer die restlichen Mitglieder sind, war zunächst geheim, erst Ende November wurde die Teilnehmerliste der Konferenz bekannt. Die Geheimhaltung war nötig, weil man sich gemäss Bund sorgte, dass die Delegation beeinflusst werden könnte. 

Heisst das, dass man versucht hat, die Schweizer Delegation unter Druck zu setzen? «Dem Bundesamt für Umwelt sind keine Druckversuche auf die COP28-Delegation bekannt, uns ist es aber wichtig, vorzubeugen. Die Arbeit in Dubai verläuft ungestört», sagt ein Mediensprecher. Man begrüsse die Massnahmen zur Transparenz bei den Verhandlungen.
 

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