Wo sind die meisten Hitzeinseln?

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«Es war die absolute Todeszone. Ein Kilometer purer Asphalt, und unterwegs ein einziger Baum!», erinnert sich Bettina Walch. Sie war auf dem Weg zu einem Vortrag in Emmenbrücke, als sie und ihre Kollegin Isabella Sedivy versehentlich eine Station zu früh aus dem Zug gestiegen waren.

Die Kommunkationsfachfrau Walch und die Biologin Sedivy sind von Berufs wegen sensibilisiert auf zugepflasterte Strassen und betonierte Plätze: Seit einem Jahr setzen sie sich mit ihrem Projekt «Asphaltknackerinnen» dafür ein, dass sich Gemeinden von versiegelten Flächen befreien.

Denn Schweizer Städte sind richtiggehende Asphalt- und Betonwüsten. Das zeigt eine Analyse des Beobachters mit Daten aus der Arealstatistik: In Ortschaften mit mehr als 10’000 Einwohnerinnen und Einwohnern sind im Durchschnitt 64 Prozent der Siedlungsfläche versiegelt, sprich: asphaltiert, zubetoniert, überbaut.

Städte als Hitzeinseln

Den einsamen Spitzenplatz hält die Gemeinde Carouge bei Genf. 79 Prozent der Siedlungsfläche sind dort versiegelt. In Renens VD sind es 73, in Genf 71 Prozent. Dass die Asphaltknackerinnen Walch und Sedivy ausgerechnet in Emmenbrücke auf eine Betonwüste stiessen, ist kein Zufall. Die Gemeinde Emmen, zu der Emmenbrücke gehört, führt die Rangliste in der Deutschschweiz an, mit ebenfalls 70 Prozent Versiegelungsgrad. Den tiefsten Wert unter den 50 grössten Gemeinden weist Riehen BS auf. Dort sind bloss 46 Prozent der Flächen zugepflastert.

Wenn wie in den vergangenen Wochen Hitzerekord um Hitzerekord gebrochen wird, bekommt man das in den Zentren umso deutlicher zu spüren. Asphalt und Beton speichern die Hitze und verhindern so eine Abkühlung über Nacht. Städte entwickeln sich zu veritablen Hitzeinseln. Die Folge sind Temperaturen, die vielen Menschen den Schlaf rauben. In Vevey etwa lag der tiefste gemessene Wert am 23. August nachts bei 24,7 Grad, in Lausanne bei 24,1 Grad, und in Locarno zeigte das Thermometer 23,8 Grad.

Mehr Asphalt – höhere Temperaturen

Eine amerikanische Studie aus dem Jahr 2015 zeigt: Wenn 65 Prozent der Böden in einer Stadt versiegelt sind, liegt die Durchschnittstemperatur rund 1,6 Grad höher als im nicht urbanen Umland.

«Die Hitze in den Städten ist ein wichtiges Thema für uns», sagt Guirec Gicquel, Fachspezialist beim Bundesamt für Umwelt (Bafu) und Leiter des Pilotprogramms «Anpassung an den Klimawandel»: «Um ihre hohe Wohn- und Lebensqualität erhalten zu können, müssen sich die Städte und Agglomerationsgemeinden an die neuen Bedingungen anpassen.» Die Versiegelung sei da ein zentraler Faktor: «Langfristig wird es darum gehen, den Hitzeinseleffekt zu minimieren und unsere Städte und Agglomerationen so zu gestalten, dass sie auch in einem wärmeren Klima eine angenehme Aufenthalts- und Lebensqualität bieten. Dazu müssen genügend Freiräume mit Grünflächen und Schattenplätzen geplant und gesichert werden.» 

Asphaltknackerin Bettina Walch wundert sich, dass das nicht schon längst eine Selbstverständlichkeit ist: «Es ist mir schlicht unverständlich, wie man heute noch ganze Neubauquartiere zubetonieren kann», sagt sie. Mit ihrer Firma unterstützt sie Privatpersonen und Firmen, die etwa Parkplätze oder Freiflächen in Siedlungen entsiegeln wollen: «Das bringt nicht nur mehr Biodiversität, sondern auch mehr Lebensqualität, trotz steigender Temperaturen und vermehrter Starkregen.»