Jahr für Jahr fallen in der Schweiz bis zu 2000 Rehkitze Gnadenhof Frau Spoerlé und ihre Tiere Mähmaschinen zum Opfer – weil sie sich ganz natürlich verhalten. «Aufgrund ihres Drückreflexes kauern sie sich bei herannahenden Gefahren tiefer ins Gras, anstatt zu flüchten. Das endet meist tödlich», sagt Adrian Meyer. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Muttenz.

Der Geomatiker will dem Sterben auf Schweizer Wiesen ein Ende bereiten. Sein Rezept dafür: mit Wärmebildkameras ausgerüstete Drohnen . Meyer erforscht, wie sich intelligente Drohnen in der Land- und Forstwirtschaft einsetzen lassen. Gemeinsam mit der Stiftung Wildtiere Aargau und dem Verein Rehkitzrettung Schweiz wurden diesen Frühling 30 Aargauer Jäger zu Drohnenpiloten ausgebildet, schweizweit sind schon 170 Jäger als Drohnenpiloten tätig. «Je schneller die landwirtschaftlichen Maschinen werden, desto wichtiger wird die Arbeit mit den Drohnen», sagt Andreas Hofstetter. Er ist selbst Jäger und Leiter des Aargauer Projekts. 

Mit Wärmebildkameras auf Rehkitzsuche

Die Drohnen sind mit Hightech-Sensoren ausgestattet, die bis vor kurzem der Polizei und dem Militär vorbehalten waren. Der Clou dabei: eine spezielle Technologie zur Aufarbeitung der Wärmebilder. Adrian Meyer und sein Team haben Algorithmen programmiert, die sogar in der Lage sind, verschiedene Tierarten zu unterscheiden. Dank dieser Technik können die Jäger die Rehkitze im hohen Gras besser orten.

Die Rehkitzrettung geschieht am frühen Morgen, wenn die Aussentemperatur niedrig ist. Dann hebt sich der warme Rehkitzkörper auf dem Wärmebild deutlich von der Umgebung ab. Auf der oberen Bildhälfte sieht man live die gewöhnliche Drohnenaufnahme, in der unteren Bildhälfte die Wärmeaufnahme, wo das Rehkitz deutlich erkennbar ist. 

Wenn ein Jungtier entdeckt ist, geht alles schnell. Es wird aus der Wiese gehoben und an eine andere Stelle in der Wiese oder an den nahen Waldrand gebracht. Danach dürfe man keine Zeit verlieren und müsse sofort mähen. «Die gesicherten Rehkitze dürfen nicht länger als drei Stunden in Gefangenschaft behalten werden», sagt Hofstetter. Erste Erfahrungen zeigen, dass Drohnen bei der Rehkitzrettung viel effizienter sind als die herkömmlichen Methoden, bei denen die Jäger weisse Tücher oder Säcke zur Abschreckung in der Wiese aufhängten.

Rehkitzrettung mit Drohnenbildern

Normales Drohnenbild (oben) und Wärmebild-Aufnahme mit künstlicher Intelligenz.

Das obere Bild zeigt eine Aufnahme mit einer normalen Drohnenkamera, das untere die gleiche Situation mit einer Wärmebildkamera aufgenommen. Die Software kann mit Hilfe von künstlicher Intelligenz das Rehkitz von anderen wärmeren Bereichen unterscheiden.

Quelle: ZVG
Drohnenbilder zeigen kranke Bäume

Die Rehkitzrettung ist aber nicht das einzige Forschungsgebiet von Meyer. Seine Wärmebilddrohnen helfen auch, Wildtierpopulationen Naturschutz Förster schiessen sich auf Hirsche ein schneller und genauer zu zählen oder Wildschäden feststellen. «Statt mit einem Feldstecher stundenlang Waldwege abzufahren, können wir mit den Drohnen in kurzer Zeit Bestände und Habitate von wilden Tieren erfassen», sagt Meyer. Dafür müsse man aber speziell leise Drohnen einsetzen, um die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung nicht zu stören.

Auch bei der Pflege von Wäldern sind Drohnen nützlich. Mit einer anderen Art von Spezialkamera konnten Meyer und sein Team den Zustand des Waldes auf einem Luftbild sichtbar machen. Dazu erstellten sie von einem Waldstück in der Nähe von Bad Säckingen im Schwarzwald 431 Einzelfotos und setzten sie anschliessend zu einem einzigen Bild zusammen. Die gesunden Bäume und Sträucher erscheinen darauf rot. Die gestressten oder abgestorbenen hingegen sind bläulich abgebildet. 

«The hidden forest»

Die Aufnahme «The hidden forest» im südlichen Schwarzwald.

Schöne Farben mit ernstem Hintergrund: Die blauen Farben auf dem Luftbild markieren die Bäume, die in diesem Waldstück im südlichen Schwarzwald krank oder abgestorben sind. Damit Auffälligkeiten besser sichtbar werden, werden die Infrarotaufnahmen in Falschfarben dargestellt.

Quelle: ZVG
Drohnen machen unsichtbares Licht sichtbar

Dahinter steckt eine Technik, die Infrarotlicht sichtbar macht. Wir Menschen können nur rotes, grünes und blaues Licht erkennen. Pflanzen, Tiere und Menschen strahlen aber nicht nur dieses sichtbare Licht ab, sondern auch andere, für das menschliche Auge unsichtbare Wellenlängen. Pflanzen beispielsweise besitzen die Eigenschaft, bei verschiedenen Stoffwechselzuständen das Infrarotlicht unterschiedlich stark zu reflektieren. Je gesünder sie sind, desto aktiver sind sie und reflektieren dadurch mehr Infrarot. Die Ergebnisse werden danach in sogenannten Falschfarben dargestellt. Diese weichen von den natürlichen Farben des Waldes ab, damit man Auffälligkeiten deutlicher sieht.

«Dank dieser Technologie kann die Gesundheit der Pflanzen Schutzwald in Gefahr Wald gegen Wild grossflächig ermittelt werden», sagt Adrian Meyer. Für die Land- und Forstwirtschaft bedeute dies, dass man sich mit viel weniger Aufwand ein viel besseres Bild machen und Eingriffe in die Natur präziser vornehmen kann. Für ihr Bild «The hidden forest» wurden Adrian Meyer und sein Team letztes Jahr vom Schweizerischen Nationalfonds prämiert.

Dünger und Pflanzenschutzmittel gezielter einsetzen dank der Drohne

Die gleiche Technik setzen sie heute auch in der Pflanzenforschung ein, zum Beispiel auf einem Versuchsfeld des Landwirtschaftlichen Zentrums Liebegg im aargauischen Gränichen. Die Bilder zeigen auch hier, wie gesund die verschiedenen Weizensorten sind. Der Farbunterschied entstehe durch den Dünger. Wo intensiver gedüngt wurde und der Weizen schneller wächst, herrscht die Farbe Orange vor. Wo der Weizen unter natürlichen Bedingungen langsamer wächst, blau. 

«Mit solchen Aufnahmen kann man bessere Ernteprognosen erstellen und frühzeitig Stressfaktoren wie Pflanzen-Krankheiten, Trockenheit oder Schädlinge erkennen», sagt Adrian Meyer. So könne der Bauer Dünger und Pflanzenschutzmittel viel gezielter einsetzen. Durch diese Präzisionslandwirtschaft könne man die Belastung für Umwelt, Boden und Frucht verringern.

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Raphael Brunner, Redaktor
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