Sie waren ein Paar, hatten aber eigene Wohnungen. Irgendwann wollten sie zusammenziehen – vielleicht. Seit fünf Jahren kannten sie sich schon. Es war keine einfache Beziehung.

Er litt unter Verfolgungswahn, hörte Stimmen. Zuerst eine, dann waren es mehrere, die ihn zerrissen. Im vergangenen Mai konnte er nicht mehr. Er beendete sein Leben.

Der 54-Jährige aus dem Berner Seeland hatte eine klare Diagnose. Mit Ärzten und Medikamenten kämpfte er gegen die Schizophrenie. Doch die Stimmen waren am Ende stärker. «Tags zuvor waren wir noch zusammen. Er versicherte mir, dass so etwas nicht geschehen würde», sagt seine Partnerin Nora Vollmer*. Sie arbeitet in einem Spital und hat sich intensiv befasst mit der Krankheit ihres Freundes. «Welche Medikamente und welche Betreuung halfen, änderte sich über die Zeit. Das musste immer wieder neu herausgefunden werden. Am Schluss bleibt eine grosse Ohnmacht.»

Das Sofa tauchte beim Nachbarn auf

Ohnmächtig fühlt sich die 57-Jährige jetzt aus einem weiteren Grund. Die Auseinandersetzung um die Habseligkeiten des Verstorbenen entwickelte sich zum Trauerspiel. Nicht dass er viel hinterlassen hätte. Im Gegenteil. «Es gibt einige wenige Dinge, die mir gehören. Und es geht um Bilder und Mails auf einem Computer, die nur uns betreffen», sagt die Freundin. Sie hatte einen Schlüssel zur Wohnung, liess dort aber alles, wie es war. «Ich brauchte Zeit zum Trauern. Und jetzt lag es ja an den Erben, zu entscheiden, wie es mit der Wohnung weitergeht.»

Doch der Vermieter ging bereits in dieser Zeit in der Wohnung ein und aus. Eines Tages stellte die Trauernde fest: Computer, Fernseher und ein Sofa waren nicht mehr in der Wohnung. Der Computer mit den persönlichen Daten. Der Fernseher, den sie gekauft hatte. Und das Sofa, auf dem sie viel Zeit miteinander verbracht hatten.

«Der Vermieter darf die Möbel nicht anderswo lagern oder Schlösser auswechseln. Er hat nicht mal ein eigenständiges Zutrittsrecht zur Wohnung.»

 

Daniel Leiser, Beobachter-Experte für Mietrecht

Zuerst war sie irritiert. Als das Sofa wieder auftauchte, wurde sie wütend. «Es stand in der Wohnung eines anderen Mieters. Der Hausbesitzer hatte es ihm offenbar vermacht.» Zwei Tage später waren die Schlösser ausgewechselt. Die Gegenstände habe er in einem anderen Raum sicher gelagert, teilte der Hausbesitzer dem Beobachter mit.

Doch ein Vermieter darf eine Wohnung nicht einfach räumen, wenn der Mieter stirbt. «Er darf die Möbel auch nicht anderswo lagern oder Schlösser auswechseln», sagt Daniel Leiser, Mietrechtsexperte beim Beobachter. «Er hat nicht mal ein eigenständiges Zutrittsrecht zur Wohnung.» Denn: Der Mietvertrag geht mit dem Tod des Mieters automatisch auf die Erben über. Sie müssen dann auch die Miete zahlen. «Der Vermieter darf natürlich keine Gegenstände verkaufen oder verschenken. Er darf lediglich Dinge entsorgen, die zu einem Schaden führen könnten. Er kann zum Beispiel den Kühlschrank und den Abfalleimer leeren», so Leiser. Für den Zugang zur Wohnung benötige er aber die Erlaubnis der Erben.

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Der Vermieter räumte die Wohnung, als noch offen war, ob die Erben das Erbe ausschlügen. Dafür haben sie drei Monate Zeit. Wenn sie nichts unternehmen, gilt das Erbe als angenommen. Das Mietverhältnis kann dann nur noch per Kündigung beendet werden. «Drittpersonen, in diesem Fall die Partnerin des Verstorbenen, können in dieser Zeit bei den Erben oder – bei Ausschlagung – beim Konkursamt die Herausgabe von Gegenständen verlangen, die nachweislich ihnen gehören. Wenn sie also etwa eine Quittung dafür haben», sagt Leiser.

Beleidigende und verletzende SMS

Die Freundin beschwerte sich beim Vermieter. Erfolglos. Dafür wurde sie von ihm mit über einem Dutzend beleidigender und verletzender SMS eingedeckt. Er machte sie sogar indirekt für den Tod ihres Partners verantwortlich. Und drohte ihr mit Anzeigen, weil sie ihm ihren Wohnungsschlüssel nicht übergeben hatte. Dann folgten schier unerträgliche Nachrichten.

Die Freundin wollte nicht auf dieser Ebene streiten. «Ich versuchte es mit einer Diebstahlsanzeige bei der Polizei, weil der Vermieter ja Gegenstände aus der Wohnung mitgenommen und verschenkt oder verkauft hat», sagt sie. Sie blitzte ab. Als Partnerin des Verstorbenen sei sie keine Geschädigte. Die Gegenstände würden den Erben oder dem Konkursamt gehören.

Die Frau versuchte es bei den Erben. «Sie wollten sich nicht mit dem Problem herumschlagen, da sie das Erbe sowieso ausschlügen», sagt die Freundin. Einer der Erben konnte nicht gefunden werden. So vergingen Monate. Das Konkursamt, das ein ausgeschlagenes Erbe liquidieren muss, um Schulden zu tilgen, wusste noch nichts von dem Fall.

Für die Freundin ist vor allem eine Vorstellung unerträglich: «Der Vermieter hat jetzt über den Computer Zugang zu höchst persönlichen Daten, zur Krankheitsgeschichte, zu Fotos und Mails.» Nachdem sie ihren Partner verloren hat, werden ihr auch reale und digitale Erinnerungsstücke entrissen.

Bis Ende Dezember hatte sie dem Vermieter ein Ultimatum gestellt, die Dinge, die ihr gehören, zurückzubringen. Für einige hat sie noch Quittungen. Eine Inventarliste hat das Paar aber nie erstellt. Der Vermieter antwortete nicht. Jetzt hofft die Freundin, über das Konkursamt noch etwas retten zu können

Tipp: Digital vorsorgen für nach dem Tod

Wer beizeiten vorsorgt, kann Vertrauenspersonen und Erben viel Ärger ersparen – indem er ihnen Zugang zu seinem digitalen Nachlass ermöglicht.

Dazu kann man eine Liste mit den benutzten Diensten und den jeweiligen Passwörtern erstellen, die man zusammen mit den wichtigen Dokumenten aufbewahrt.

Insbesondere der Zugang zum E-Mail-Konto ist wichtig, denn so können fehlende Passwörter zurückgesetzt werden.

Wenn man nicht möchte, dass die Erben Zugang zu allen Daten und Profilen erhalten, kann man im Testament einen Willensvollstrecker einsetzen.

Diesem kann man die Aufgabe übertragen, alles zu sichten und nach vorgegebenen Wünschen zu löschen oder den Erben zugänglich zu machen.

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