«Seit Jahren schon gibt es Diskussionen ums Treppenhaus», erzählt ein Bewohner der Baugenossenschaft Röntgenhof in Zürich. Es sind kostengünstige, aber sehr kleine Wohnungen inmitten der Stadt Zürich. Vor allem junge, einkommensschwache Familien wohnen dort. Es habe in der Wohnung kaum Platz für Schuhe, deshalb sei es nötig, diese im Treppenhaus zu deponieren – vor allem, wenn sie nass oder dreckig seien.

«Wir haben der Genossenschaft vorgeschlagen, Schuhschränke oder sonstige Ablagen auf unsere Kosten im Gang aufzustellen», so der Bewohner, «doch sie weigerte sich». Bei jedem Anliegen habe die Verwaltung das immer gleiche Argument gebracht: «Seien Sie dankbar, dass Sie hier so günstig wohnen können. Wenn es Ihnen nicht passt, dann können Sie ja gehen.»

Drohung wahrgemacht

Ein- bis zweimal pro Jahr erhielten die Bewohner einen Brief mit der Aufforderung, die Schuhe aus dem Treppenhaus zu nehmen. Geschehe das nicht, so würden diese entfernt. «Wir nahmen diese Drohung nicht so ernst», sagt der Bewohner. «Denn ich habe bezweifelt, ob mein Eigentum so einfach entwendet und zerstört werden kann».

Er täuschte sich. Ende August setzte die Baugenossenschaft ihre Drohung in die Tat um: Angestellte sammelten in mehreren Häusern sämtliche Schuhe ein und entsorgten diese für alle sichtbar im Schredder vor dem Hauseingang. Ein Mitarbeiter der Genossenschaft bestätigte gegenüber dem Beobachter das Vorgehen, wollte sich aber nicht weiter äussern. Auch Geschäftsleiterin Tatjana Horvath wollte keinen Kommentar abgeben.

«Dieses Verhalten ist nicht korrekt»

Etwas zu sagen hat dafür Beobachter-Beraterin Rosmarie Naef: «In der Tat ist das Verhalten der Genossenschaft nicht korrekt. Man darf die im Treppenhaus stehenden Schuhe nicht einfach schreddern.» Allerdings sei auch das Verhalten der Mieter falsch gewesen: «Das Treppenhaus darf grundsätzlich nur als Zugangsmöglichkeit zur Wohnung genutzt werden. Es gibt kein Recht darauf, dort Gegenstände zu lagern.» Korrekt wäre es, wenn die Verwaltung den Mietern eine Frist setzen würde – und die Schuhe nach Ablauf dieser Frist zwar einsammelt, aber nicht entsorgt. So besteht die Möglichkeit, diese zurückzugeben.

Normalerweise helfe ein klärendes Gespräch zwischen den beiden Parteien, wenn nötig auch kostenlos vor der Schlichtungsbehörde für Mietsachen. In dieser verfahrenen Situation allerdings werde es schwierig, etwas zu unternehmen: «Falls die Quittung noch vorhanden ist, kann bei neueren Schuhen vom Vermieter Schadenersatz gefordert werden.» Allenfalls könnte auch eine Strafanzeige geprüft werden, so Naef. «Vor Gericht erachte ich die Chance auf Erfolg jedoch als äusserst klein.»

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