Bloss 30 Minuten – so lange dauert es, bis Unternehmen in Zeiten von Corona zu Geld kommen. Überbrückungskredite Covid-19-Kredite So funktionieren die Überbrückungskredite werden rasch und unbürokratisch vergeben, so das Ziel des Bundesrates. Firmen können aufatmen, nicht aber Arbeitssuchende. Sie müssen auf ihr Geld um einiges länger warten. Zumindest bei der Arbeitslosenkasse Kanton Zürich.

Zweieinhalb Monate bis zu einer Reaktion

Das zeigt der Fall von Alex Rohner*. Anfang Jahr verliert er seinen Job als «Sales Specialist» bei einem IT-Konzern. Er hat Anspruch auf Arbeitslosengeld Jobverlust Haben Sie Anspruch auf Arbeitslosengeld? . Vier Kassen stehen zur Auswahl, er entscheidet sich für die Arbeitslosenkasse Kanton Zürich. «Wir bieten Ihnen die beste Erreichbarkeit sämtlicher Arbeitslosenkassen im Kanton Zürich», heisst es auf der Website. Also reicht er sein Gesuch am 3. Februar ein. 

Rohner hofft auf eine schnelle Zahlung, doch sie trifft nicht ein. Mehrere Anrufe bleiben unbeantwortet und auch seine E-Mail bleibt eine Woche liegen – bis es Mitte April heisst, beim Gesuch fehle das Anspruchsdatum. «Ich habe das Datum tatsächlich nicht vermerkt, meine RAV-Beraterin reichte es aber nach», wundert sich Rohner. Er schickt das Formular erneut ab. Am 27. April hört er wieder von der Arbeitslosenkasse. Das Datum sei jetzt zwar eingetragen, dafür fehlten diverse Lohnabrechnungen. «Davon war bisher nie die Rede, sonst hätte ich die Dokumente doch schon im Februar mitgeschickt», sagt Rohner. Er versendet sie sogleich und erkundigt sich, wann er mit dem Geld rechnen darf.

Mangelhafte Kommunikation

Wieder wartet er eine Woche auf eine Antwort. Als er am 6. Mai nachhakt, wird er erneut dazu aufgefordert, die Lohnabrechnungen einzureichen. Da reisst Rohner der Geduldsfaden: «Was Sie hier machen, ist hochgradig unprofessionell. Am 27. April habe ich die Unterlagen gesendet und nichts mehr gehört», schreibt er der Mitarbeiterin. Es ist bereits die Vierte, mit der er zu tun hat. Ständig wird er vertröstet, seine Nachrichten werden weitergeleitet. «Bekomme ich bis morgen keine Auszahlungstermine, werde ich meinen Anwalt einschalten.»

Inzwischen meldet sich eine der Mitarbeiterinnen, mit denen er bereits Kontakt hatte. Allerdings nur, weil sie nicht mehr zuständig ist. Sie verspricht, dass ein Kollege den Fall übernehmen würde. Rohner hört nichts von ihm.

Drei Monate im Rückstand

Am 8. Mai schaltet sich sein Anwalt ein. Rohner sei auf das Geld angewiesen, schreibt er der Arbeitslosenkasse. «Sollte es Gründe geben, weshalb keine Auszahlung erfolgt, bitte ich Sie, mir umgehend eine beschwerdefähige Verfügung zuzustellen. Ansonsten fordere ich Sie auf, den ausstehenden Betrag sofort auszuzahlen.»

Dieses Mal reagiert die Kasse prompt. Sie besteht aber erst einmal auf einer schriftlicher Vollmacht, bevor sie sich überhaupt mit dem Schreiben befassen will. Am Telefon erklärt sie dem Anwalt, das Gesuch vom 3. Februar sei nicht das älteste hängige.

«Sie sind mit der Bearbeitung der Gesuche über 3 Monate – d.h. noch lange vor Ausbruch der Corona-Krise – im Rückstand. Dies sind erschreckende Zustände», hält der Anwalt in einer E-Mail an die Kasse fest. Keine Reaktion.

Andere Kantone reagieren schneller

«Es gibt einige hängige Fälle, bei denen die Auszahlung nicht innerhalb von einem Monat erfolgen kann», bestätigt Lucie Hribal vom zuständigen Amt für Wirtschaft und Arbeit.

«Die Arbeitslosenkasse Kanton Zürich bearbeitet seit Beginn der ausserordentlichen Lage in der Schweiz sehr hohe Antragsvolumen.» Normalerweise dauere eine Prüfung von Neuanmeldungen aufgrund vieler Abklärungen etwa einen Monat. Sie könne sich aber verzögern, wenn zusätzliche Abklärungen nötig oder die eingereichten Unterlagen unvollständig sind. Dies ist laut Hribal häufig der Fall.

«Wenn eine arbeitslose Person Anspruch auf eine Entschädigung hat, kann die Arbeitslosenkasse aber trotz fehlender Unterlagen eine provisorische Auszahlung vornehmen. Sobald alle notwendigen Unterlagen vorliegen, macht sie Nachberechnungen», so Hribal. Auch das sei aber wieder mit einem Mehraufwand verbunden.

Auch in Graubünden werden seit der Coronakrise doppelt so viele Dossiers bearbeitet. Trotzdem habe sich die normale Bearbeitungszeit von zwei bis vier Tagen nur um wenige Tage verlängert, sagt Mediensprecher Gian Reto Caduff vom Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit: «Sind die Unterlagen vollständig, erfolgt die Auszahlung in der Regel spätestens innert Wochenfrist.»

In St. Gallen erhält die Hälfte der Gesuchsteller eine Auszahlung im ersten Monat. In einzelnen Fällen sei wegen der aktuellen Umstände mehr Geduld nötig.

Ähnlich in Basel-Stadt: «Aufgrund der aktuellen Lage kann es zu Verzögerungen kommen, das heisst zu Auszahlungen im Folgemonat. Bei vollständigen Anträgen können auf alle Fälle auch Vorschusszahlungen ausgeführt werden.»

Was tun, wenn das Geld nicht kommt?

Doch was können Personen wie Alex Rohner tun, wenn nach Monaten noch keine Zahlung erfolgt ist?

«Diesen Fall gibt es eigentlich gar nicht», heisst es beim Kanton Bern. «Fehlen nötige Dokumente, geht die Aufforderung an die versicherte Person, den Nachweis mit andern Dokumenten zu erbringen. Wenn das innerhalb von 3 Monaten nicht geschieht, kann eine Anspruchsablehnung verfügt werden.» Bei finanziellen Notlagen müssten sich Betroffene an die Fürsorge oder private Organisationen wenden. Zürich verweist hingegen an die Gemeinden, die anderen Kantone auf das Sozialamt. «Es kann eine Bevorschussung vornehmen, die später rückvergütet wird», erklärt Karin Jung vom Volkswirtschaftsdepartement St. Gallen.

Als der Beobachter Mitte Juni das zuständige Amt für Wirtschaft und Arbeit mit Rohners konkretem Fall konfrontiert, erhält dieser das Geld rückwirkend. Es handelt sich aber nur um provisorische Zahlungen. «Nach Erhalt der einzelnen Lohnabrechnungen wird der versicherte Verdienst nochmals berechnet», heisst es.


*Name geändert

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Jasmine Helbling, Redaktorin
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