Maryam Saed Samii kämpft seit vier Jahren um ihr Recht. Um eine im Kündigungsfall Kündigung Einfach so vor die Tür gesetzt? gesetzlich vorgeschriebene Abfindung und die Rückzahlung von ungerechtfertigten Lohnabzügen. Das Geld schuldet ihr die frühere Arbeitgeberin, die Schweizer Botschaft in Teheran. 16 Jahre lang hatte die Iranerin dort gearbeitet, dann hatte sie der Vorgänger des heutigen Botschafters entlassen, zu Unrecht (der Beobachter berichtete).

Am 11. März 2019 entschied das iranische Arbeitsamt in letzter Instanz, dass die Schweiz zahlen muss. Das Urteil ist rechtskräftig.

Es geht um 3,75 Milliarden Rial, das sind je nach Umrechnungskurs mehrere Zehntausend Franken. Davon hat Saed Samii bis heute keinen Rappen gesehen: «Sie spielen Katz und Maus mit mir.» Zuerst hiess es, sie könne einen Teil des Geldes persönlich abholen. Die 54-Jährige verlangte aber einen Check. Es passierte nichts. Am 27. Mai schrieb Markus Leitner, der derzeitige Botschafter: «Bitte lassen Sie uns wissen, auf welchem Weg Sie die Zahlung wünschen.» Einen Tag darauf teilte er Saed Samii mit, das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) habe «positive Signale» ausgesandt, doch «die formelle Genehmigung für so eine wichtige Zahlung» fehle noch. Saed Samiis letzte drei E-Mails beantwortete er gar nicht erst. 

Riskanter Transport

«Die zeitlich limitierte Präsenz der Klägerin in Teheran hat eine Auszahlung bislang verhindert», lässt das EDA dazu verlauten. In Zeiten von Internetbanking eine überraschende Begründung. Die Erklärung: Die Botschaft will in bar bezahlen. «Die iranischen Botschaftsangestellten erhalten ihren Lohn in bar, teilweise sogar mit Münzen», sagt Saed Samii. «Das ist sehr unangenehm. Teheran ist nicht gerade die sicherste Stadt.» Ausserdem würden drei Milliarden Rial über 30 Kilogramm wiegen.

Die Botschaft akzeptiert lediglich die Zahlung einer Abfindung, sträubt sich aber, die Lohnabzüge zurückzuzahlen. Das EDA sagt, die Beiträge seien «als Versicherungsbeiträge nicht rückerstattbar». Konkret geht es um eine Alters-, Hinterlassenen-und Invalidenvorsorge namens AHI. Fünf Prozent werden den iranischen Angestellten der Botschaft vom Bruttolohn, von Bonuszahlungen und von Gratifikationen abgezogen. Im Iran ist es jedoch verboten, in verschiedene Kassen einzuzahlen, und Saed Samii war bereits über die staatliche iranische Kasse SSO versichert. Die Beiträge dafür hatte die Botschaft ebenfalls immer von ihrem Lohn abgezogen. Die Botschaftsverträge widersprechen in diesem Punkt iranischem Recht. Der Redaktion vorliegende Dokumente zeigen zudem, dass andere ehemalige Mitarbeiter ihre AHI-Beiträge ausbezahlt bekommen haben.

Das Urteil von Mitte März 2019 dürfte der Botschaft äusserst ungelegen kommen. Sollte bekannt werden, dass die AHI-Abzüge illegal sind, könnten Dutzende früherer und heutiger Angestellten die Abzüge zurückverlangen. 

«Die Entschädigung in diesem Rechtsfall ist so ausgelegt, dass es für den Anwalt keinen finanziellen Anreiz gibt, das Verfahren zu verlängern.»

Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA)

Maryam Saed Samii rennt die Zeit davon. Sie erhält ihren Lohn in der iranischen Währung Rial. Doch wegen der hohen Teuerung verliert die Summe, die ihr zusteht, schnell an Wert. Der iranische Vertrauensanwalt der Botschaft hingegen wird in Dollar bezahlt.

Wie viele Steuergelder die Anwaltskosten im Fall Maryam Saed Samii bis jetzt verschlungen haben, will die Botschaft auf Anfrage nicht bekanntgeben. «Die Entschädigung in diesem Rechtsfall ist so ausgelegt, dass es für den Anwalt keinen finanziellen Anreiz gibt, das Verfahren zu verlängern», heisst es vom EDA lediglich.

Zehn Tage nachdem der Beobachter beim EDA angeklopft hatte, erhielt Maryam Saed Samii eine E-Mail von der Botschaft. Man sei jetzt bereit zu zahlen, sie werde wie gewünscht zwei Bankchecques erhalten, über insgesamt 3‘368‘836‘051 iranische Rial. Vom Gericht angeordnet war allerdings ein Betrag von 3‘750773‘120 Rial, also rund zehn Prozent mehr. «Ich verstehe wirklich nicht, wie die Botschaft darauf kommt, weniger zu bezahlen», sagt Saed Samii. «Wir sind doch nicht auf dem Basar.» Das EDA will sich zum «laufenden Fall» nicht äussern.

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Dominique Strebel, Chefredaktor
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