Skier sind die Bretter, die ihm die Welt bedeuten. Hanno Schwab ist ein «Bergmensch», wie er selbst sagt: Sommers rückt er den Höhen am Seil und mit dem Mountainbike zu Leibe; liegt Schnee, durchmisst er das Gebirge auf Skiern. Er hat seine Freundin auf einer Bergtour kennengelernt und sein Architekturstudium in Chur absolviert, weils da Berge hat – und weil die Schweiz eben ein gutes Land für Bergmenschen ist, ist der Allgäuer geblieben. Allerdings wohnt er mittlerweile in Bern.

Vor zwei Jahren kam Schwab auf die Idee, selber Skier zu bauen. Doch die ätzenden Harze, juckenden Glasfasern und giftigen Dämpfe war der 33-Jährige schnell leid: «Ich fragte mich schon bald, ob man nicht auch gute Skier bauen kann, ohne sich abends krank zu fühlen.»

Schwab recherchierte einen Sommer lang über Harze, Hölzer und Beläge und suchte nach ökologischeren Materialien, die sich genauso gut eignen könnten wie die giftigen Hightech-Komponenten. Während seiner Anstellung bei einem Bündner Architekturbüro hatte er gelernt, dass es zu den meisten herkömmlichen Stoffen gleichwertige, nachhaltige Alternativen gibt. Er wurde fündig.

Anstelle krebserregender Carbon- oder juckender Glasfasern verwendet Schwab seither ein Flachsgewebe aus dem Emmental; das neue Epoxy-Harz hat einen CO2-Fussabdruck, der ein paar Schuhnummern kleiner ist als jener der Konkurrenz. Und für die Gleitfläche fand er einen Belag, der aus den wiederverwerteten Produktionsresten eines grossen Herstellers besteht.

Den Kern seiner Skier fertigt er aus Pappel- und Eschenleisten, Deckblatt und Seiten aus schlagfester Robinie – alles Schweizer Holz. Die Rohbretter hat Schwab in der Sägerei in Attelwil persönlich handverlesen. Denn seine Skier sollten punkto Fahrspass und Qualität mit den Topmarken mithalten können: «Es bringt nichts, einen Öko-Ski zu bauen, den keiner fahren will.»

Plötzlich wollten alle

Dass mit ökologischen Materialien ein Top-Ski möglich ist, zeigte bereits der erste Versuch. «Beim Bau war eigentlich alles schiefgegangen. Und trotzdem liefen die Skier wunderbar – mindestens so gut wie meine gekauften», sagt Schwab. Fortan liess er seine Marken-Skier im Keller. Das fiel seinen Tourenfreunden auf. Sie probierten Schwabs Schöpfung aus und wollten alsbald auch ein Paar haben. «Also dachte ich, ich sollte vielleicht einfach eine kleine Serie bauen.»

Für die Serienproduktion musste aber erst eine richtige Presse her. Das erste Paar hatte er im Budget-Verfahren gefertigt, bei dem man Ski und Form in einen Vakuumsack hüllt und die Luft absaugt. «Aber damit kriegt man maximal einen Druck von rund 0,7 Bar hin – zu wenig.»

Je höher aber der Druck beim Pressen ist, desto länger behält der Ski seine Spannung und Flexibilität. Also hat sich Schwab eine eigene Presse gebaut. In der Holzkonstruktion hängt ein Gummischlauch, der mit Pressluft einen Druck von 6 Bar oder 25 Tonnen erzeugt. Obwohl Schwab selbst ein Architektur- und ein Ingenieurstudium absolviert hat, liess er zwei befreundete Bauingenieure die Pläne für die Presse nachrechnen. «Nicht dass mir das Ding auf einmal um die Ohren fliegt.» Schwab hat viele Freunde mit hilfreichem Wissen und Talent, die an seinem Projekt mitwirken; ihn etwa in Sachen Marketing beraten, Logos entwerfen oder Websites bauen können.

Der Markenname Earlybird ist in abendlichen Brainstormings mit seiner Freundin entstanden: «Für Touren muss man früh aufstehen.» Denn nur der frühe Vogel zieht als Erster seine Kurven über unberührte Bergflanken.

«Etwas retro, aber doch modern»

Das Gemeinschaftswerk kann sich sehen lassen: Das geölte Deckblatt aus Robinie leuchtet in warmen Honigfarben, und hinter den Skispitzen prangt über beide Latten das mächtige eingebrannte Earlybird-Logo. «Es ist etwas retro, aber doch modern – den Schriftzug könnte auch eine Skater-Marke verwenden.» Hanno Schwab betrachtet das jüngste Exemplar wie ein Vater sein Neugeborenes. Aber das Ding ist ja auch ganz und gar sein Kind.

Ein hübsches Produkt ist aber noch kein gemachtes Geschäft – und so viel ihm sein beruflicher Hintergrund beim Skibau hilft: Vom Unternehmertum hatte Schwab wenig Ahnung. Also bewarb er sich bei Creative Hub, einem Coaching-Programm, das Designern hilft, ihre Ideen als Produkte auf den Markt zu bringen – mit Marktabklärungen, Netzwerkeln und Expertenwissen zu betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Fragen.

Damit der Ski die Kurve kriegt: Die selbstgebaute Presse erzeugt 25 Tonnen Druck.

Quelle: Fabian Unternährer

Aus mehr als 30 Eingaben wurde eine Handvoll Projekte ausgewählt, darunter Schwabs Earlybird. Schwab erhielt den Zuschlag, weil er aus dem Bauch heraus vieles richtig gemacht hatte, heisst es bei Creative Hub: gute Idee, gutes Produkt, gutes Branding. Entscheidend sei aber auch gewesen, dass man Schwab Willen, Ausdauer und Herzblut zutraue, was nötig sei, um das Ganze durchzuziehen. Einer der Coaches bot ihm nach dem ersten Gespräch an, mit Eigenkapital einzusteigen. Schwab lehnte ab, da er wirklich sein «eigenes Ding machen und nicht jeden Schritt diskutieren wollte».

So ein richtiger Businessplan

Da Startkapital aber unerlässlich ist, haben seine Freundin und er ihr Erspartes investiert – rund 30'000 Franken. «Deshalb wars auch wichtig, einen sauberen Businessplan zu haben – und zu wissen, dass man von dieser Idee zumindest theoretisch leben könnte», sagt Schwab. Die Gewissheit, wasserdichte allgemeine Geschäftsbedingungen und einen soliden Versicherungsschutz zu haben, hilft einem Jungunternehmer ebenfalls dabei, gut zu schlafen.

Schwabs Idee bekam aber nicht nur von den Experten Support, sondern auch schon aus der Wirtschaft: Nachdem er sich per E-Mail bei einem Hersteller von umweltfreundlichem Harz über dessen Produkt erkundigt hatte, lernte er den Geschäftsführer persönlich kennen. Angetan von Schwabs Idee, verhalf er ihm zu einer Reihe warmer Empfänge in verschiedenen Geschäftsleitungen der Branche: Beim Kantenhersteller etwa nahm man sich einen halben Tag Zeit, um zusammen mit Schwab aus über 80 Modellen den für Earlybird perfekten Kompromiss zwischen Gewicht und Belastungsfähigkeit zu finden. Er kann modernste Tourenbindungen beim Hersteller zum Einkaufspreis beziehen, und ein Lausanner Fellhersteller druckt ihm für seine Kleinserie das Earlybird-Logo auf die Felle («aus 100 Prozent Mohair»), und das alles zu sehr guten Konditionen.

Mit Bauer Fritz ist Hanno im Glück

Aber die wohl wichtigste aller glücklichen Fügungen betraf die Produktionsstätte. Schwab hatte sich lange nach Räumlichkeiten umgesehen, aber die Mieten in den Schreinereien, die er anfragte, waren zu hoch. Manche wollten 50 Franken pro Stunde. Schwab schaltete ein Suchinserat, auf das sich Schreiner und Biobauer Fritz Scheurer-Arnet aus Schüpfen BE meldete. Der 49-Jährige muss wegen seiner Gesundheit vorläufig kürzertreten. Es schmerzte ihn, dass seine Werkstatt ungenutzt leerstand. Hanno Schwab: «Als mir Fritz die Werkstatt mit all den Maschinen zeigte, dachte ich bloss: Das kann ich mir nie leisten.» Aber Scheurer war einfach froh, dass in der Halle wieder was geht. Und so profitiert Schwab nicht nur von Räumlichkeiten und Gerät, sondern auch von Wissen und Erfahrung des zurückgebundenen Handwerkers.

Seit Ende November läuft nun die Produktion. Ein oder zwei Skier wird Schwab opfern müssen, um sie im Labor mit Schlag-, Dreh- und Biegetests zu malträtieren. Dann haben all die verschiedenen Freunde und Helfer Skier vorbestellt. Und für sich selbst und seine Freundin braucht Schwab je drei Paar: von jedem der drei unterschiedlich taillierten Modelle eines – eine Frage von Glaubwürdigkeit und Überzeugung: «Als Ökoskibauer kann ich ja nicht einfach mit irgendwas herumfahren.»

Und schliesslich benötigt er verschiedene Testskier, die die Kunden Probe fahren können, bevor sie sich für ein Modell entscheiden.

Nicht teurer als ein guter Markenski

Die ersten 30 Paar, deren Absatz im Businessplan die Gewinnschwelle markiert, sind schon fast alle reserviert. Ab da wird Schwab auf Bestellung und Vorkasse produzieren. Ein Paar Earlybird samt Bindung kostet etwa gleich viel wie ein Topprodukt eines grossen Herstellers.

Die Kapazität läge bei rund 150 Paar pro Jahr. Richtig gross werden, Leute anstellen und die Produktion auslagern sei nicht das Ziel. Sein «Best Case»-Szenario ist, als Skibauer gleich viel zu verdienen wie früher als angestellter Architekt. Und selbst dann hätte er noch immer die Hand an jedem einzelnen Ski. Das ist Schwab wichtig. Er will Bergmensch bleiben – nicht Geschäftsmann werden.