Als die Lawine kam, war Claude Raillard noch in der Bergführer-Ausbildung. In einem Kurs wurden drei seiner Kollegen verschüttet; einer starb in den Schneemassen. Das Unglück in den neunziger Jahren war ein tiefer Einschnitt in seinem Leben. «Ich hatte seither mehrmals Glück. Man hofft immer und tut alles dafür, dass nichts passiert.»

Der Mittvierziger ist Profi-Bergführer, verheiratet, Vater zweier Mädchen. Er ist flink wie ein Steinbock, stark wie ein Bär. Wenn Raillard seine Gruppen an unberührte Orte führt, zählt für ihn das gemeinsame Erlebnis in der Natur. Und die Sicherheit. Zur Standardausrüstung jedes Teilnehmers gehören ein Verschüttetensuchgerät, eine Lawinensonde und eine Schaufel. «Wenn eines der drei Geräte fehlt, nehme ich die Person nicht mit.» Im Schnitt sterben in der Schweiz jedes Jahr 25 Menschen in einer Lawine. 90 Prozent davon im freien Gelände – beim Variantenfahren, Schneeschuhlaufen oder Tourengehen. 

Obwohl immer mehr Menschen diese Sportarten ausüben, ist die Zahl der Lawinentoten seit Jahren stabil. Denn einerseits sind die Informationen über das Wetter und die Lawinensituation präziser geworden und überall zugänglich. Anderseits haben sich die Lawinenverschüttetensuchgeräte (LVS) stark verbessert. 

Lawinengrafik

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine vollständig von einer Lawine verschüttete Person überlebt, sinkt schon nach weniger als 20 Minuten um die Hälfte. Deshalb ist es entscheidend, dass Verschüttete rasch geortet und aus den Schneemassen befreit werden.

Quelle: Infografik: Beobachter/SEE; Quelle SLF
Geräte regelmässig warten

Drei Antennen ermöglichen eine genaue Feinortung. «Die Suchenden werden intuitiv, über Pfeile auf dem Display, zum Verschütteten geführt», sagt Monique Walter von der Schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung. Sie betont, wie wichtig es ist, das LVS gut zu warten. Man muss die Batterien entfernen, wenn das Gerät länger nicht gebraucht wird, und sie durch neue ersetzen, wenn man es wieder in Betrieb nimmt. Updates installieren und Serviceintervalle – in der Regel alle drei Jahre – beachten. Wer nicht regelmässig unterwegs ist, kann das 300 bis 400 Franken teure LVS auch beim Tourenanbieter mieten.

Bergführer Claude Raillard prüft vor jeder Tour persönlich, ob die Geräte der Teilnehmer störungsfrei funktionieren. Alle LVS senden auf 457 Kilohertz und sind kompatibel. Wenn eine Lawine kommt, zählt jede Sekunde – schon nach weniger als 20 Minuten sinkt die Überlebenschance rapid (siehe Grafik). Dabei ist der Stress gross, das Herz rast, die Finger zittern. «Darum ist es wichtig, mit dem Gerät ‹trocken› zu üben, oder noch besser, einen Kurs zu besuchen», sagt Raillard. «Bei Mietgeräten empfehle ich, jedes Mal ein ähnliches Modell zu wählen.»

Auch Ueli Mosimann ist Bergführer. Beim Schweizer Alpen-Club SAC ist er für die Sicherheit verantwortlich. Er rät ebenfalls, mit dem LVS zu üben – oft sei das aber Wunschdenken: «Wenn es hoch kommt, studieren die Leute die Bedienungsanleitung. Das ist schade. Denn wenn es drauf ankommt, ist es zu spät.»

Sicherheit auf der Skitour

Die digitalen Mittel sind nützliche Helfer für eine Skitour. Doch eine sorgfältige Planung und die persönliche Situationsbeurteilung können sie nicht ersetzen:

  • Informationen sammeln: Wie wird das Wetter, welche Schneelage ist zu erwarten? Und vor allem: Wie sieht die Lawinensituation konkret aus? Diese Punkte sind schon einige Tage im Voraus mit Wetterberichten und Lawinenbulletins zu recherchieren. Wichtig: Die abgerufenen Daten bis zur Tour ständig aktualisieren.
  • Beurteilung vor Ort: Laufende Beobachtung der Verhältnisse und der tatsächlichen Situation. Treffen die Wetter- und Lawinenprognosen zu? Ist das Gelände so steil wie in der Planung angenommen? Sind alle Teilnehmer in guter Verfassung? 
  • Abwägen an Schlüsselstellen: Die letzten Risikoüberlegungen erfolgen am Hang. Haben sich Schnee- oder Sichtverhältnisse kurzfristig geändert? Kann die Stelle wie geplant passiert werden oder empfiehlt sich eine Variante?
Kälteempfindliche Akkus

Mit dem Smartphone dagegen sind die meisten versiert. Es gewinnt für Skitouren immer mehr an Bedeutung. Bereits existieren zahlreiche Apps mit Infos zur Lawinengefahr und für die Tourenplanung. Das Handy dient auch als Kompass oder zur Berechnung der Hangneigung. Dank GPS lässt es sich als Orientierungshilfe nutzen. Man kann Kartenausschnitte aufs Gerät laden und unterwegs offline benutzen, um den Akku zu schonen. Dieser ist allerdings sehr kälteempfindlich und kann plötzlich den Geist aufgeben. Ohnehin: Kein Smartphone ersetzt das LVS.

Ausserdem kann ein eingeschaltetes Handy das Suchgerät stören. «Am sichersten ist es, das LVS körpernah zu tragen, mit dem Originaltragsystem an der Taille», sagt Ueli Mosimann. «Das Handy kann man in der Deckeltasche des Rucksacks versorgen.» Vielen sei nicht bewusst, dass auch metallische Gegenstände wie ein Sackmesser oder ein Schlüssel das LVS beeinflussen können. «Empfehlenswert ist ein Abstand von mindestens 20 Zentimetern.»

4 Tipps für den Notfall
  • Versuchen Sie, der Lawine seitlich zu entkommen, lassen Sie die Skistöcke los
  • Bedienen Sie den Lawinenairbag
  • Halten Sie sich an der Oberfläche, so gut es geht
  • Bevor der Schnee zum Stillstand kommt: Bilden Sie mit den Händen einen Hohlraum vor Mund und Nase und halten Sie die Atemwege möglichst frei

Quelle: Rega

Der Vorteil von gedruckten Karten

Bergführer Mosimann ist ein Vertreter der alten Schule. Ihm genügen eine Skitourenkarte und das Lawinenbulletin, um sich vorzubereiten. Auch während der Tour verlässt er sich auf Papierkarten: «Sie bieten mir die beste Übersicht.» 

Das Wichtigste beim Touren ist und bleibe aber, dass man das Risiko richtig einschätzen kann. «Digitale Hilfsmittel sind gut», sagt Claude Raillard, «aber man muss ihre Grenzen kennen.»

Lawinengefahr: Websites und Apps
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