Die Sekundarschule Weiningen ist idyllisch gelegen; hoch über dem Zürcher Limmattal und mitten in den Weinbergen. Weniger gemütlich wird es an diesem Tag für die Schülerinnen und Schüler der Klasse 2c. Vor einer Woche haben sie ihre Bewerbungsdossiers zusammengestellt und mit den potenziellen Lehrbetrieben telefoniert.

Heute nun steht die Hauptprobe für die Bewerbungsgespräche an: Die Klasse nimmt am Bewerbungstraining von Pro Juventute teil. Dafür kommen Profis ins Schulzimmer, und die Jugendlichen spielen unter deren Beobachtung verschiedene Bewerbungssituationen durch.

«Die Lehrstellensuche ist eine wichtige Weichenstellung», sagt Anja Meier von Pro Juventute. «Ein Bewerbungsgespräch zu üben, stärkt das Selbstbewusstsein.» Lehrpersonen können das kostenlose Angebot buchen, um Schülerinnen und Schüler gezielt zu unterstützen.

Die kritische Lehrmeisterin

Sara Huskaj ist 28 und arbeitet bei der UBS. Dort betreut sie als Beraterin von institutionellen Kunden grosse Pensionskassen, Versicherungen und Sammelstiftungen. Heute mimt sie die kritische Lehrmeisterin. Das Programm von Pro Juventute liegt ihr am Herzen: «Die Jugendlichen haben so viel Potenzial – manchmal braucht es nur wenig, um es aus ihnen herauszukitzeln.» Im 40-Minuten-Takt begrüsst sie die Bewerberinnen und Bewerber an der Tür des zum Büro umfunktionierten Materialräumchens.

Mit Fragen zu Hobbys und Geschwistern nimmt sie den Jugendlichen die Anfangsnervosität. Schon bald hakt sie aber nach. Was denn der Bewerber genau meine, wenn er schreibe, er sei fair. Oder: Wie es sein könne, dass die Bewerberin sich offenbar für Sprachen interessiere, im Zeugnis aber eine ungenügende Englischnote stehe. Und warum man sich genau für diesen Lehrbetrieb entschieden habe. Manch eine und einer beginnt nun, unruhig auf dem Stuhl umherzurutschen.

Wie wichtig ein souveränes Auftreten ist, weiss Huskaj aus eigener Erfahrung. «Ich habe als Jugendliche eine Banklehre machen wollen. Meine Lehrerin meinte damals, dass ich das mit einer Note von 4,5 in Mathe vergessen könne.» Und mit ihren albanisch-kosovarischen Wurzeln musste sie sich sowieso immer doppelt beweisen. Trotzdem: Huskaj bekam eine Lehrstelle bei der Zürcher Kantonalbank. Vor allem – so sagte man ihr – weil sie beim Vorstellungsgespräch so selbstsicher war.

Sara Huskaj will die Schülerinnen und Schüler aus Weiningen ermutigen, an sich zu glauben: «Es soll klick machen!» Für jede und jeden hat sie ein laminiertes Bewerbungsdossier erstellt – mit Tipps und Platz für eigene Notizen. Manch einer lächelt kurz, hält das Dossier stolz in seinen Händen – es macht klick.

Die jugendlichen Bewerber

Doruk (14, Logistiker): Im Kollegenkreis sprechen wir häufig über die Lehrstellensuche.

Ledion (14, Detailhandelsangestellter): Ich habe aber keine Angst, dass ich keine Lehrstelle finden könnte.

Eren (14, Heizungsinstallateur): Ich auch nicht. Unsere Lehrerin hilft uns ja dabei.

Doruk: Das Bewerbungstraining heute hat mir viel gebracht.

Ledion: Ja, mir auch – etwa dass ich das Gegenüber mit seinem Namen ansprechen soll.

Eren: Oder dass es gut ist, wenn man sich Notizen macht.

Doruk: Ich freue mich auf jeden Fall schon auf den ersten Lehrlingslohn Lohnabrechnung Welche Abzüge gehen vom Gehalt weg? .

«Natürlich gibt es objektive Kriterien. Aber auch das Bauchgefühl entscheidet immer mit.»

Bernhard Stalder, Personalverantwortlicher, Ricola

Doruk: Ich auch. Sie unterstützen mich ja auch immer.

Eren: Ich will einen Teil sparen – für ein Auto.

Doruk: Ich habe etwas Angst, dass es mir in der Lehre langweilig Lehrlinge Frust in der Lehre - was tun? werden könnte. Beim Schnuppern musste ich jeden Tag dasselbe machen.

Ledion: Ich auch. Die Arbeitskollegen waren dafür immer nett und hilfsbereit.

Doruk: Bei mir auch. Mit denen komme ich in der Lehre sicher klar. Ich habe eher Respekt vor dem Chef.

Eren: Ja, dass der Chef streng ist.

Ledion: Im Detailhandel werde ich wohl auch am Wochenende arbeiten müssen. Ich hoffe, dass ich dann immer noch an Fussballmatches gehen kann. Obwohl der Beruf natürlich Vorrang hat.

Doruk: Ich hoffe auch, dass ich meine Hobbys weitermachen kann.

Ledion: Für euch und die Kollegen werde ich sicher trotz Lehre immer noch Zeit haben.

Der Personalverantwortliche

Bernhard Stalder: «Natürlich gibt es objektive Kriterien.» Der 46-Jährige arbeitet bei der Ricola Group AG. «Aber auch das Bauchgefühl entscheidet immer mit.» Seit fünf Jahren rekrutiert Stalder Mitarbeitende und Lernende für Ricola. Die Firma bietet in Laufen BL sechs Lehrberufe an: KV, Informatiker, Lebensmitteltechnologin, Logistiker, Polymechanikerin und Automatiker. Auf rund 400 Angestellte kommen 16 bis 18 Lernende.

Wenn Ricola eine Lehrstelle ausschreibt, bewerben sich dafür zwischen 20 und 40 Interessierte. «Die meisten sind in einem Alter, in dem noch vieles passieren kann», sagt Stalder. Deshalb sind für ihn denn auch nicht die Zeugnisnoten allein entscheidend. Wichtiger ist, dass jemand in seinen Leistungen mehr oder weniger konstant war und nicht unentschuldigt gefehlt hat.

Wer an mehreren Orten schnuppern Berufswahl Zum Wunschberuf dank Schnupperlehre war, fällt positiv auf: «Das zeigt mir, dass die Person unterschiedliche Dinge ausprobiert hat und nun weiss, was sie will.» Oft machen Kleinigkeiten den Unterschied aus – etwa wenn jemand nach dem Kennenlernen das Interesse an der Lehrstelle nochmals per Mail bestätigt. Oder wenn eine Bewerberin aufzeigen kann, dass sie einen besonderen Bezug zur Firma hat. So punktet bei Ricola zum Beispiel, wer naturverbunden ist.

Zu Beginn der Lehre falle es den Lernenden häufig schwer, jeden Tag pünktlich aufzustehen und mit weniger Ferien auszukommen, sagt Stalder. Damit die Lehre gelingt, rät er vor allem eins: «Dass man neugierig bleibt und sich auch für das interessiert, was nebst der eigentlichen Tätigkeit läuft.»

Punkten bei der Lehrstellensuche: So gehts

Unterstützung suchen

Wenn die Eltern bei der Vorbereitung der Bewerbung nicht helfen können, ist es wichtig, jemand anders an seiner Seite zu haben. Das kann die Gotte sein oder eine andere Vertrauensperson. Sie kann Motivationsschreiben lesen oder typische Bewerbungssituationen mit einem durchspielen. Auch die Kantone bieten oft Mentoringprogramme an.


Bewerbungsunterlagen zusammenstellen

  • Sorgfältig gestaltete und fehlerfreie Bewerbungsunterlagen sind ein Muss. Auf eine ausgeschriebene Lehrstelle melden sich häufig ein Dutzend Bewerber. Es ist also gut, wenn man positiv auffällt. Sei das mit einem gestalteten Deckblatt oder einem farbigen Banner auf Motivationsschreiben und Lebenslauf.
  • Zum Lebenslauf gehört zwingend ein professionelles Foto, auf dem man sich zeigt, wie man ist.
  • Motivationsschreiben und Lebenslauf geben dem Lehrbetrieb einen ersten Eindruck. Wer authentisch ist, punktet. Am besten überlegt man, was einen wirklich ausmacht. «Zuverlässig» und «hilfsbereit» schreiben alle. Es geht bestimmt individueller!
  • Stärken und Erfahrungen, die man bereits gemacht hat, schildert man am besten anhand von konkreten Beispielen. «Ich liebe es, mit Kindern zu arbeiten» ergänzt man mit «Ich habe schon häufig auf die Kinder meiner Cousine aufgepasst» oder «Ich habe einen Babysitterkurs absolviert». Wenn man jemanden kennt, der bereits im gewünschten Lehrbetrieb arbeitet, kann das nützlich sein. Unbedingt erwähnen.


Das Vorstellungsgespräch vorbereiten

  • Es hilft, das Bewerbungsgespräch vor einem Spiegel zu üben. Denn nicht nur, was man sagt, sondern auch die Körperhaltung kann – wie auch die Stimme und der Händedruck – einen positiven Eindruck  hinterlassen.
  • Wenn man nervös ist, kann man das zu Beginn ruhig sagen. Die Gegenseite kennt das Gefühl auch. Das schafft Vertrauen.
  • Wer im Gespräch den Namen seines Gegenübers wiederholt, es damit direkt anspricht, schafft Aufmerksamkeit. Die andere Person fühlt sich wahrgenommen.
  • Notizen machen ist gut. Das zeigt nicht etwa, dass man unsicher ist. Im Gegenteil: Es signalisiert, dass man präsent und interessiert ist.
  • Es hilft, sich am Ende für das Gespräch zu bedanken und per E-Mail noch mal zu versichern, dass man sich sehr für die Lehrstelle interessiert.

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Aller Anfang ist schwer. Wer mit einer Lehre ins Berufsleben starten will, muss bei der Lehrstellensuche Hartnäckigkeit, Fleiss und Interesse zeigen. Bei Guider erfahren Beobachter-Abonnentinnen und -Abonnenten zum einen, wie Eltern dabei helfen können, und zum anderen, worauf die angehenden Lehrlinge im Bewerbungsprozess achten sollten.

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