Auch wenn in gewissen Kantonen Theater, Kinos und Restaurants geschlossen sind und Versammlungseinschränkungen gelten: Fast eine Million Schülerinnen und Schüler sitzen weiterhin jeden Tag stundenlang in einem Schulzimmer. Schulschliessungen sollen um jeden Preis vermieden werden. Damit nicht wieder Tausende den Anschluss verlieren.

Das Festhalten am physischen Unterricht ist umstritten, auch wenn die Kinder nicht Treiber der Corona-Pandemie sind. Aber sie spielen zumindest eine gewisse Rolle. Hinzu kommt: Der Unterricht ist beeinträchtigt. Allein in der Stadt Zürich mussten seit den Herbstferien über 1000 Kinder in Quarantäne, in der Sekundarstufe oft ganze Klassen.

Viele Lehrpersonen sind verunsichert. In geschlossenen Räumen ist die Gefahr besonders gross, sich mit dem Corona-Virus zu infizieren. Beim Ausatmen geraten Aerosole in die Luft und verteilen die Viren im Raum. Abgestandene Luft muss darum regelmässig mit Frischluft ersetzt werden.

Doch häufiges Lüften ist nicht so einfach. Frostige Temperaturen in den Klassenzimmern sind seither die Regel. Umgekehrt kann man in manchen Schulhäusern nicht richtig lüften, weil man die Fenster nur kippen oder gar nicht richtig öffnen kann.

Problem verschlafen

Bereits vor zwei Jahren ergab eine Studie des Bundesamts für Gesundheit, dass in zwei von drei Schulzimmern die Luftqualität ungenügend ist. Der Dachverband der Schweizer Lehrerinnen und Lehrer sah «dringenden Handlungsbedarf». Passiert ist wenig. Erst Corona machte die Luftqualität zum Thema.

Wo das Lüften nicht funktioniert, sollen mobile Luftreiniger aufgestellt werden, fordert der Lehrerverband. Doch viele Geräte sind ungeeignet. «Bei den Filtern wird getrickst», sagt Reto Candrian, Schweizer Geschäftsführer des Weltmarktführers Camfil. Wirksame Filter müssten die europäische Prüfnorm EN1822:2009 aufweisen. «Sonst kann man genauso gut ein Kaffeesieb in die Luft halten», meint Candrian. Hinzu komme: Viele gängige Luftreiniger seien für Büros gebaut, um dort die Feinstaubbelastung zu senken. Die viel kleineren Viren filtern könnten sie nicht. Die meisten Aussagen der Hersteller zur Corona-Tauglichkeit ihrer Geräte sind tatsächlich weder amtlich geprüft noch zertifiziert.

Das bestätigte kürzlich das deutsche Umweltbundesamt: «Die Wirksamkeit von mobilen Luftreinigern in Hinblick auf die Reduzierung von Corona-Viren ist in vielen Fällen bislang nicht nachgewiesen.» Auch die Schulbehörden des Kantons Basel-Stadt warnen: «Bei falschem Gerät, zu grossem Raum, falscher Aufstellung im Raum und falscher Handhabung erhöhen statt reduzieren die Geräte das Ansteckungsrisiko.»

Fehlende Empfehlungen

Martin Bänninger vom Schweizerischen Verein für Luft- und Wasserhygiene fordert darum, dass in Schulhäusern «richtige Lüftungssysteme» eingebaut werden. Kurzfristig könnten CO2-Messgeräte das Lüften unterstützen. Sie zeigen an, wann ein kritischer Wert an Kohlendioxid überschritten wird und gelüftet werden muss. Bei einer Konzentration unter 1000 ppm CO2 ist die Luftqualität hervorragend, bei über 2000 inakzeptabel. Zu viel CO2 macht müde und senkt die Konzentrationsfähigkeit – kaum förderlich für das Lernen.

Einheitliche Empfehlungen, wie Lehrpersonen ihre Schulzimmer virenfrei machen können, fehlen bis heute. In vielen Kantonen wird die Entscheidung, ob und welche Geräte angeschafft werden sollen, den Schulgemeinden überlassen.

Das zeigt eine Umfrage des Beobachters bei kantonalen Bildungsdirektionen. Auch das Bundesamt für Gesundheit und die kantonsärztlichen Dienste haben bisher auf verbindliche Richtlinien verzichtet.

Immerhin: Regelmässiges Lüften mit Hilfe von CO2-Messgeräten wird in den meisten angefragten Kantonen empfohlen. Ob das reicht?

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Birthe Homann, Redaktorin
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