Das Interesse an Nicole Rochats* Online-Inseraten war gross – fast zu gross. Als ihr Vater pensioniert wurde, half sie ihm, seine Werkstatt aufzulösen. «Beim Aussortieren fanden wir viele Werkzeuge, Antiquitäten und Gartengeräte in gutem Zustand. Ich dachte, dass die bestimmt jemand brauchen kann», so Rochat.

Also stellte sie rund 100 Anzeigen auf die Inserate-Plattform tutti.ch. Um den Verkauf möglichst einfach abzuwickeln, nannte sie im Inserat die Handynummer ihres Vater. «So konnte er direkt mit den Interessenten verhandeln.» Schon nach kurzer Zeit waren viele Dinge verkauft, die übrigen Inserate nahm Rochat Ende Jahr von der Seite. Trotzdem erhielt ihr Vater weiterhin Anrufe.

«Ich fühlte mich betrogen»

Als er sich bei den Interessenten erkundigte, wurde er auf die Inserate-Plattform preso.ch verwiesen. Nicole Rochat gab ihren Wohnort ins Suchfeld ein und fand circa 150 Anzeigen – viele Dinge waren in doppelter oder dreifacher Ausführung zu finden und mit unterschiedlichen Preisen versehen. «Wenn sich ein Stuhl auf Tutti nicht verkaufen liess, habe ich ihn von der Plattform genommen und eine neue Anzeige mit niedrigerem Preis geschaltet», erklärt sie. Preso hatte alle Inserate automatisch übernommen: Der Text wurde kopiert, das Tutti-Logo von den Bildern entfernt. «Ich fühlte mich betrogen und bestohlen», so Rochat.

Also beklagte sie sich bei Tutti. «Natürlich möchten wir, dass die Angebote zuerst auf tutti.ch und nicht auf anderen Plattformen gefunden werden», sagt Simon Marquard von der Mediengruppe Tamedia, der tutti.ch gehört. «Leider kann jedoch nicht verhindert werden, dass sie kopiert werden.» Es gebe kaum rechtliche Möglichkeiten, gegen preso.ch vorzugehen, da die Firma in einer Grauzone agiere.

Ein komplizierter Fall

Das bestätigt der eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (Edöb): «Ein solcher Fall ist kompliziert, da er verschiedene Rechtsbereiche wie zum Beispiel das Datenschutzrecht Datenschutz im Internet So schützen Sie Ihre Daten vor Google & Co. und Urheberrecht tangiert», so Hugo Wyler, Leiter Kommunikation. Was den Datenschutz angeht, sieht die Rechtslage wie folgt aus:

Die Publikation ist zulässig, wenn ein bereits veröffentlichtes Inserat

  • unverändert und zum gleichen Zweck publiziert wird und schliesslich
  • gelöscht wird, sobald das ursprüngliche Inserat gelöscht ist.

 

Die Zulässigkeit ist auch nur gegeben, wenn

  • die Weiterpublikation nicht explizit untersagt wurde oder
  • zu einem späteren Zeitpunkt kein Widerspruch erfolgt ist.

 

Zwei Punkte sind bei den Preso-Inseraten nicht gegeben: Einerseits wurden die Bilder Urheberrecht Jedes Foto ist geschützt verändert, indem das Tutti-Logo entfernt wurde. Das tangiert allerdings das Urheberrecht und ist nicht in jedem Fall verboten. In der Schweiz sind Fotografien nur dann urheberrechtlich geschützt, wenn sie individuellen Charakter haben. Das ist bei Produktfotos nicht immer der Fall. Andererseits waren die Inserate auch dann noch auffindbar, als sie auf Tutti bereits gelöscht waren. «Das darf nicht sein», erklärt Wyler. «Kopierte und veröffentlichte Daten müssen auch richtig sein. Das ist nicht der Fall, wenn das ursprüngliche Inserat bereits vom Netz genommen wurde.» Für eine Stellungnahme war Preso nicht zu erreichen.

Rochat könnte also theoretisch klagen. Ob sich das in diesem Fall lohnt, sei dahingestellt. «Wir raten Betroffenen, sich direkt bei Preso zu melden und eine Löschung zu fordern», so Marquard. Das tat Rochat und war überrascht: Die Inserate wurden sofort von preso.ch gelöscht. Eine Erklärung erhielt sie aber nicht.

 

*Name geändert

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