Martina F.: «Mich beunruhigt das Verhalten meiner beiden Söhne. Die meiste Zeit sind sie mit ihrem Handy beschäftigt, oder dann hocken sie vor dem Computer. Wieso engagieren sie sich nicht wie wir damals in einem Sportverein oder in der Pfadi?»

Weil sie in einer andern Zeit leben als Sie damals. Eine andere Zeit bedeutet andere Möglichkeiten, andere Ziele, andere Prioritäten. Ich kann trotzdem verstehen, dass Sie beunruhigt sind. Es gibt schliesslich das Phänomen Internetsucht, aber es ist selten. Wenn Ihre Söhne genügend schlafen, in der Schule keine Probleme haben und auch soziale Kontakte pflegen, müssen Sie sich keine Sorgen machen. Das Internet und soziale Medien gehören heute zur Welt eines normalen aufgeweckten Jugendlichen.

Früher rebellierte die Jugend

Der amerikanisch-libanesische Künstler und Philosoph Khalil Gibran hat sehr poetisch ausgedrückt, wie sich die Welten von Eltern und Kindern unterscheiden und auch unterscheiden müssen. «Obwohl eure Kinder mit euch sind, gehören sie euch doch nicht», schreibt er. «Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen, denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt.»

In den frühen siebziger Jahren sprach man von einem Generationenkonflikt. Die Jugend rebellierte und wollte sich von den Erwachsenen absetzen. «Trau keinem über 30», hiess die Formel. Heute finden Jugendliche ihre Eltern ganz in Ordnung. Sie würden ihre Kinder später durchaus im Stil ihrer Eltern erziehen. Statt Zusammenstösse gibt es jedoch einen Graben. Die Jungen haben sich kulturell weiter von ihren Eltern entfernt, als das in der Vergangenheit je der Fall war. Grund dafür ist die rasante technologische Entwicklung.

Auch wir Älteren können mit Computer und Handy umgehen, aber die Jungen sind Digital Natives. Sie sind mit den neuen Medien aufgewachsen, und diese bestimmen ihre Welt. Laut einer Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften von 2012 haben 98 Prozent der Jugendlichen ein Handy. Das wird aber weniger zum Telefonieren gebraucht als fürs Austauschen von SMS und für Kontakte über Facebook oder Twitter. Das bedeutet mindestens dreierlei:

  • Die Jugend hat übers Internet Zugang zu einer Überfülle von Informationen. Damit wird sie laut dem Jugendbarometer des TV-Senders Viva zu «sampelnden» und «zappenden» Menschen. Diese sammeln, schauen überall rein und haben das Problem, sich entscheiden zu müssen. Buchautor Oliver Jeges spricht von der «Maybe-Generation», der «Vielleicht-Generation». Davon, dass junge Menschen Mühe haben, sich für etwas zu entscheiden, sich wirklich zu engagieren, weil sie derart viele Möglichkeiten sehen und trotzdem Angst davor haben, mit dem Weg, den sie einschlagen würden, zu scheitern.

  • Weiteres Charakteristikum der Handygeneration ist die Kultur der Selbstdarstellung. Man stellt ein Selfie (Selbstporträt) mit beeindruckendem Hintergrund online und wünscht sich viele Likes, das heisst, man möchte möglichst viel Anerkennung finden. Man muss sich selbstbewusst und offen zeigen, ist damit aber auch verletzlich.

  • Online haben Jugendliche zwar intensive Sozialkontakte, es handelt sich aber nicht mehr um das verbindliche Engagement traditioneller Freundschaften.

Tipps zum Umgang mit Jugendlichen

  • Interessiert sein und wahrnehmen, was sie machen und wie sie sich in ihrer Welt bewegen.

  • Nur eingreifen, wenn sie in gesundheitsschädigenden Missbrauch der Medien abzugleiten drohen.

  • Ein Vorbild sein und die Kinder auch die eigenen (altmodischen) Werte erfahren lassen.

  • Sich bewusst sein, dass die Kinder in der Welt von morgen leben (müssen), die sich von unserer Welt unterscheidet.

Buchtipps

Oliver Jeges: «Generation Maybe. Die Signatur einer Epoche»; Verlag Haffmans & Tolkemitt, 2014, 192 Seiten, CHF 28.90

Khalil Gibran, Stefanie Nickel, Karin Graf: «Der Prophet»; Verlag Patmos, 2014, 96 Seiten, CHF 16.90