Die mobilen Geräte sind überall mit dabei: Jugendliche sind fast ununterbrochen in Kontakt miteinander. Und die Eltern klagen – über Kinder, die ständig abgelenkt sind, die am Frühstückstisch gamen und bei den Hausaufgaben chatten. Die neuen Medien sind für Eltern zum Erziehungsproblem geworden.

Der IT-Park in Schweizer Haushalten ist gerade in den letzten Jahren stark gewachsen. Praktisch überall gibt es heute Handys, Computer und Spielkonsolen. Nur noch drei Prozent der Schweizer Haushalte haben keinen Internetzugang, zeigt eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Zudem findet sich bereits in jedem zweiten Haushalt ein Tablet-Computer.

Mediennutzung der 12- bis 19-Jährigen täglich oder mehrmals pro Woche / Mädchen

Quelle: Brian Finke/Gallerystock

Entsprechend zugenommen hat der Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen. Die ZHAW-Studie belegt, dass 93 Prozent der 12- bis 13-Jährigen täglich oder zumindest mehrmals pro Woche ein Handy nutzen. 12- bis 19-Jährige verbringen heute mehr Zeit im Internet als vor dem Fernseher.

Die Medienvielfalt im Haushalt birgt – neben Unterhaltung und Information – auch Konfliktstoff. «Viele Eltern sind verunsichert. Und sie wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen», stellt Kommunikationswissenschaftlerin Eveline Hipeli fest. Deshalb hat Hipeli, an der Pädagogischen Hochschule Zürich zuständig für Medienbildung, einen Beobachter-Ratgeber verfasst: «Medien-Kids. Bewusst umgehen mit allen Medien – von Anfang an» (siehe Buchtipp, rechts).

Den Kindern keine Angst einjagen

Eltern wollen vor allem wissen, was sie machen können. Hipelis Antwort: «Sie tun schon viel mehr, als sie annehmen. Man kann viel dazu beitragen, dass ein Kind den Umgang mit Medien erlernt – auch wenn man kein Medienexperte ist.»

Es gehe nicht so sehr um Verbote und Regelungen, sondern um das Gespräch zwischen Eltern und Kindern. Kinder merken dann auch, dass sie sich an ihre Bezugspersonen wenden können, wenn sie einmal mit fragwürdigen Inhalten konfrontiert werden.

Hipeli rät Eltern, dass sie ihren Kindern bei aller gebotenen Vorsicht keine Angst einjagen sollen. «Viele wissen über die Gefahren neuer Medien mehr als über den Nutzen. Respekt vor den Medien ist gut, Angst hingegen lähmt oft.» Eltern sollten sich überlegen, welche Regeln und Vorgaben für sie selbst und ihre Kinder stimmen. «Eine Zauberformel für alle gibt es nicht. Es gibt nur Leitplanken.»

«Wie lange darf mein Sohn gamen?»

Das neue Beobachter-Ratgeberbuch behandelt viele praktische Fragen und Problemstellungen aus dem Alltag betroffener Eltern. Der Bogen reicht vom Kinderbuch bis zur Spielkonsole. Dazu kommen zahlreiche Antworten von Expertinnen und Experten. Damit will Hipeli zeigen: Zu Fragen wie «Wie lange darf mein Sohn gamen?» oder «Ab welchem Alter darf meine Tochter sich frei im Internet bewegen?» gibt es weder pauschale Antworten noch allgemeingültige Regeln. Hipeli: «Es gibt aber Erfahrungsberichte anderer Eltern und medienpädagogische Überlegungen als Anregungen, um im Dialog mit den Kindern die sinnvolle Mediennutzung immer wieder neu zu definieren.»

Jüngere lesen öfter Bücher als Ältere, nutzen aber Internet und Handy weniger stark.

Quelle: Brian Finke/Gallerystock

1. Alle sprechen von massvoller Mediennutzung. Doch was heisst beim Fernsehen «massvoll»?
Bewegte Bilder üben auf Kinder und Jugendliche eine unglaubliche Faszination aus. Manchmal ist es deshalb besser, den Fernseher einfach auszuschalten. Aber: Fragen Sie sich auch, wie sie selber damit umgehen. Wählen Sie altersgerechte Filme und schauen Sie sie gemeinsam mit den Kindern an.

Tipp: Mit DVDs lassen sich kindergerechte Inhalte und Zeitdauer besser regeln. Schaffen Sie Regeln und Rituale.

2. Was ist die richtige Balance zwischen Konsum am Bildschirm und anderen Tätigkeiten?
Es gibt keine allgemeingültige Regeln. Bestimmen Sie selbst, was für Ihre Familie richtig ist und was Ihnen und den Kindern guttut.

Tipp: Medienverbote lassen sich nur für begrenzte Zeiten einsetzen, helfen langfristig aber wenig.

3. Viele Kinder wollen vor dem Schlafengehen statt ein Kinderbuch Youtube-Filme anschauen. Oder sie lesen nur noch Comics. Schadet das?
Auch Kinderbücher sind Medien. Sie wecken schon bei Kleinkindern Interesse für Gegenstände, Maschinen, Tiere. Multimediale Inhalte und auch Comics können Kinderbücher gut ergänzen und weiteres Interesse wecken. Lassen Sie Kinder neue Inhalte in verschiedenen Medien selber entdecken. Und: Nicht alles, was sie lesen, muss pädagogisch wertvoll sein. Auch Erwachsene lesen Klatsch und schlechte Krimis.

Tipp: Vor dem Bettgang sind hektische Filmchen nicht empfehlenswert, beim Lesen (und Vorlesen) können die Kinder besser vom Tag «herunterkommen».

4. Was müssen Eltern über MP3-Player wissen?
Viele nutzen MP3-Player vor allem, um Musik zu hören. Neuere Geräte sind aber multimedial nutzbar, was Kinder und Jugendliche auch kreativ fördern kann. Sie fotografieren damit, zeichnen, spielen et cetera. Gleichzeitig sind heute viele Geräte via WLAN mit dem Internet verbunden. Jugendliche haben somit gleichzeitig Zugang zu sozialen Netzwerken und können sich mit Freundinnen und Kollegen austauschen.

Tipp: Diskutieren Sie mit den Kindern über Möglichkeiten und Chancen, aber auch über Folgen und Gefahren der neuen Medien.

5. Wie kann ich die Kinder vor unerwünschten Inhalten schützen?
Auf dem Computer lassen sich einfache Filterprogramme aktivieren. Damit sind nur bestimmte Seiten zugänglich. Technisch versierte Jugendliche können solche Sperren aber leicht umgehen. Jugendliche wollen sich zudem mit zunehmender Selbständigkeit nicht mehr unter Aufsicht im Internet aufhalten. Sie fordern zu Recht mehr Privatsphäre.

Tipp: Nutzen Sie Gelegenheiten aus dem Alltag, um einen Sachverhalt gemeinsam im Internet zu recherchieren. Daraus ergeben sich oft Gelegenheiten, mit Kindern und Jugendlichen über gute und schlechte Seiten des Internets zu sprechen.

6. Wie kann ich verhindern, dass mein Sohn ständig mit Gamen beschäftigt ist?
Für Video- und Onlinespiele empfiehlt es sich, klare Regeln zu vereinbaren, etwa zeitliche Limiten. Beachten Sie auch die Altersempfehlungen zu Filmen, Videos und Spielen (www.pegi.ch). Übrigens: Der Grossteil der meistverkauften Videogames ist gewaltfrei.

Tipp: Videogames eignen sich gut zum gemeinsam Spielen. Das macht es auch möglich, in unverkrampfter Atmosphäre über die Inhalte zu sprechen.

7. Meine Tochter ist mit Smartphone und iPod pausenlos auf Facebook und chattet. Was kann ich dagegen tun?
Stellen Sie Regeln auf, wann und wo die mobilen Geräte genutzt werden dürfen. Etwa bis wann am Abend, ab wann am Morgen, nicht während der Mahlzeiten. Handys und Wi-Fi lassen sich auch einfach ausschalten. Lassen Sie dem Kind mit zunehmendem Alter aber auf Facebook und in anderen sozialen Netzwerken mehr Freiheiten. Wenig empfehlenswert ist, sich mit dem Kind als «Freund» zu verbinden – und es so zu überwachen.

Tipp: Unterhalten Sie sich über die Privatsphären-Einstellungen bei den sozialen Netzwerken. Und versuchen Sie beim Nutzen Ihres Smartphones ein Vorbild zu sein.