Beobachter: Haben Sie eine Zusatzversicherung?
Stefan Meierhans: Ich habe tatsächlich eine. Als ich an der Uni Basel studierte, wurden wir mit einem sehr guten Angebot geködert. Jetzt bin ich über 50, habe das halbe Leben bezahlt und war nie im Spital. Es gibt ja einen doppelten Point of no Return bei den Zusatzversicherungen: Wenn man kündigt, ist das Geld einfach weg. Der zweite ist, dass man wohl ab 50 immer einen Vorbehalt hat. Der Wettbewerb ist also enorm eingeschränkt. Er spielt eigentlich nur in der Alterskategorie 20 bis 40. 


Was ist die Lösung?
Man müsste die Möglichkeit schaffen, beim Wechsel der Zusatzversicherung zumindest einen Teil des Geldes mitzunehmen. Der Versicherungsverband steht dieser Lösung aber kritisch gegenüber, und auch die politischen Chancen sind klein. 


Sie haben geschrieben, die Tarife seien «flächendeckend überhöht». Würden Sie denn den Abschluss einer Zusatzversicherung empfehlen?
Natürlich muss diesen Entscheid jede und jeder für sich treffen. Vorab sollte man das allgemeine Angebot gut prüfen. Wer zum Beispiel weniger Wert darauf legt, von Chefärztin oder Chefarzt behandelt zu werden, dafür aber bei der Hotellerie höhere Ansprüche hat, findet heute entsprechende Angebote. 


Wie sind Sie denn überhaupt auf das Thema gekommen?
Der wichtigste Auslöser sind Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern, die sich bei mir gemeldet und sich über die hohen Rechnungen beschwert haben. Aber auch die etwa vom Bundesamt für Gesundheit festgestellten Anreize zur Überbehandlung im Bereich der Zusatzversicherungen haben eine Rolle gespielt. Die Grundversicherung zahlt ja immer mit, wenn eine zusatzversicherte Person unnötigerweise operiert wird. Hauptgrund für die steigenden Gesundheitskosten sind ja nicht die höheren Preise, es ist die Mengenausweitung. 


Missbrauchen denn nach Ihrer Einschätzung die Spitäler die Zusatzversicherung als Goldesel?
Ich denke, dieser Ausdruck trifft zu. Privatversicherte Patientinnen und Patienten sind für Spitäler und Belegärzte sehr lukrativ. Das zeigen die Zahlen und Daten, die mir vorliegen. Die Daten unterstehen aber dem Geschäftsgeheimnis, deshalb darf ich sie nicht publik machen. Doch nicht nur die Leistungserbringer profitieren, auch die Versicherungen nehmen sich ihren Teil. Man könnte hier vielleicht von einem Silber- oder Bronzeesel sprechen. Dass wir hier ein systemisches Problem haben, bestätigt auch der Bundesrat. 
 

«Der Versicherungsverband sagt, es brauche etwas Geduld. Das Problem besteht ja nun aber seit mehr als zehn Jahren, da frage ich mich, ob das nicht schneller gehen sollte.»

Stefan Meierhans, Preisüberwacher

Die Spitäler argumentieren, sie seien auf Einnahmen aus der Zusatzversicherung angewiesen, weil jene aus der Grundversicherung nicht kostendeckend seien. 
Das höre ich immer wieder. Das Gesetz verlangt, dass die medizinischen Dienstleistungen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sind, die sogenannten WZW-Kriterien. Im Vergleich mit Deutschland etwa sind die Tarife hoch. Wenn nun ein Spital unter diesen Bedingungen rote Zahlen schreibt, entspricht es womöglich schlicht nicht den WZW-Kriterien und sollte über die Bücher. Die Prämienzahlenden sollten nicht bluten müssen für unwirtschaftliche Leistungserbringung. 


Sind die Reformen auf gutem Weg?
Lassen Sie mich mit einer Anekdote beginnen, die mir zugetragen wurde. In einem Krankenhaus soll ein Spitalmanager gefragt haben, ob man nicht die Vorhänge an den Fenstern als Mehrleistung in der Zusatzversicherung verrechnen könnte. Das ist nun sicher nicht der richtige Weg. Der Versicherungsverband sagt, es brauche nun etwas Geduld, bis die von ihm erarbeiteten Grundsätze umgesetzt seien. Das Problem besteht ja nun aber seit mehr als zehn Jahren, da frage ich mich, ob das nicht schneller gehen sollte. Einer dieser Grundsätze des Verbands besagt übrigens, dass nicht nur der objektive, sondern auch der bloss vom Patienten empfundene, subjektive Wert der Leistung fakturiert werden darf. Auch da habe ich meine Zweifel, ob das die richtige Einstellung ist. 


Was muss sich ändern?
Heute muss ich als Preisüberwacher das Einverständnis der Wettbewerbskommission einholen, damit ich weiter untersuchen kann. Ich muss aufzeigen, dass der Wettbewerb nicht spielt. Es wäre meines Erachtens effizienter und schneller, wenn ich selbst tätig werden könnte. Auch eine Aufstockung der Ressourcen wäre sinnvoll. 


Wie ist die Unterstützung aus der Politik?
Eigentlich gut. Ich habe bis jetzt nicht viel Gegenwind aus Bundesbern erlebt. Ausgenommen natürlich von den Lobbyisten der Leistungserbringer. Die Versicherungsbranche hat nichts gegen meine Aktivitäten, weil sie sich davon Tarifsenkungen erhofft – und sie so den Spitälern und den Ärztinnen und Ärzten weniger zahlen müssen. 

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