Moritz Müllers (Name geändert) Mitarbeiterinnen reinigen und bügeln Hemden und Anzüge an zwei Standorten. Die Dienstleistung sei beliebt, darum will er das Geschäft vergrössern. Als Müller in Wallisellen ZH ein kleines Geschäft für 80’000 Franken zum Kauf angeboten wird, will der 30-Jährige zugreifen. Doch er hat das Geld nicht auf der hohen Kante und zudem etwas Schulden. «Nichts Dramatisches, aber die Bank wollte mir keinen Kredit geben», sagt Müller. 

Im Internet findet er bei der Firma Sandana in Ebikon LU ein scheinbar passendes Angebot: «Finanzsanierung – die starke Kreditalternative TopMoney Vorsicht vor der «Kredit-Alternative» .» Im Glauben, die Firma Sandana leihe ihm Geld, füllt Müller Anfang März das Antragsformular aus und erhält wenige Stunden später einen Vermittlungsvertrag: Eine nicht namentlich genannte «vertragsabwickelnde Gesellschaft» gehe von einer Schuldsumme von 100’000 Franken aus, die Müller mit monatlich 1000 Franken über zehn Jahre abstottern soll. 120’000 Franken kostet das insgesamt.  Dass es sich nicht – wie von ihm gewünscht – um einen Kredit handelt, ist Müller nicht klar. Für die Vermittlung an den Finanzdienstleister verlangt Sandana zudem 3000 Franken. 

Nachdem Müller die Vermittlungsgebühr gezahlt hat, erhält er zwei Tage später Post von der Firma Mapa Finanz in Baar ZG: Die Finanzierung sei genehmigt worden. Der junge Zürcher füllt das Formular aus. Sich selbst trägt er als Auftraggeber ein, also als Schuldner. Seine Firma als «Creditor». Dass er damit die Firma, die ihm selbst und seinen Eltern gehört und für die er eigentlich Geld braucht, als Gläubigerin einträgt, ist dem jungen Zürcher nicht klar. Auch nicht, dass er auf diese Weise lediglich Geld von der linken in die rechte Hosentasche verschiebt und der Finanzdienstleister so keine hilfreiche Dienstleistung erbringt.

Beziehungen zwischen Firmen unklar

Das Modell dieser «Finanzsanierung» Schulden Die Tricks der Kredit-Kraken – nicht zu verwechseln mit einer Schuldensanierung, die einzelne Städte oder die Caritas anbieten – geht so: Person A braucht Geld, so wie Moritz Müller. Der Finanzanbieter fordert sie auf, von einer Person B aus dem Familien- oder Bekanntenkreis Geld auszuleihen. Die Abzahlungsraten überweist Person A aber nicht direkt an Person B – also die Gläubigerin –, sondern an den Finanzdienstleister (C). C leitet das Geld an B weiter und behält dafür einen gewissen Prozentsatz für sich. A muss dem Vermittler (D) zudem eine Gebühr von mehreren Hundert bis mehreren Tausend Franken zahlen und Finanzsanierer C im Voraus eine Kaution von drei Monatsraten als «Sicherheit».

Als Müller aufgefordert wird, nochmals 3000 Franken als Kaution zu zahlen, merkt er, dass etwas nicht stimmt, und kündigt fünf Tage später per Einschreiben den Vertrag mit beiden Firmen. Er fordert sie auf, ihm die Vermittlungsgebühr von 3000 Franken zurückzuzahlen. Vergebens: Die Sandana schreibt ihm, die Vermittlungsdienstleistung sei erbracht worden und er habe mit seinem Verzicht auf das Widerrufsrecht kein Rückforderungsrecht. Pikant: Im Vertrag steht, dass dieser Passus nur für EU-Bürger gelte.

In welcher Beziehung Vermittler Sandana aus Ebikon, eine Zweigniederlassung einer Münchner Firma, und Finanzdienstleister Mapa Finanz aus Baar zueinander stehen, ist nicht klar. Es handelt sich um eigenständige Firmen mit unterschiedlichen Geschäftsführern. Die Geschäftsführerin der Mapa Finanz schreibt, Sandana vermittle ihnen Kunden, sonst bestehe keine Verbindung. Trotzdem haben sie eine Gemeinsamkeit: Ein Anwalt aus dem Kanton Zug beurkundete beide Firmengründungen und wickelte die Gebühren über seine Adresse ab.

Bundesanwaltschaft ermittelt wegen gleicher Masche

Klar ist zudem, dass Müller nicht der Einzige ist, der auf diese Weise Geld verloren hat. Dem Beobachter liegt ein weiterer Fall der Firma Sandana vor. Die Finanzsanierung hätte eine Firma Atlas Administration in Zug übernehmen sollen. Der Betroffene hat auf Anraten der Atlas Administration 15’000 Franken von einem Bekannten ausgeliehen. Der Sandana überwies er 1000 Franken Vermittlungsgebühr, weitere Belege zeigen, dass er der Atlas Administration 1500 Franken Kaution und drei Monatsraten zur Schuldentilgung bezahlt hat. 

Bereits 2021 machte der Beobachter auf die Masche aufmerksam «Finanzsanierung» Wie Firmen die Not von Verschuldeten ausnutzen : Die Bundesanwaltschaft und die deutschen Strafverfolgungsbehörden führten damals in beiden Ländern mehrere Hausdurchsuchungen an Firmendomizilen und Privatadressen durch. Die Behörden ermitteln gegen rund 90 Firmen wegen Betrugs, Geldwäscherei und unlauteren Wettbewerbs. Sie sollen «einer vierstelligen Zahl von Kredit suchenden Personen» einen Schaden von 10 Millionen Franken zugefügt haben. Wie die Bundesanwaltschaft schreibt, dauert das Verfahren immer noch an. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Bei den aktuellen Fällen schreiben sowohl die Sandana als auch die Mapa Finanz und die Atlas Administration, man sei nicht in das Verfahren der Bundesanwaltschaft involviert. Ein Anwalt der Atlas Administration kopierte eine von der Bundesanwaltschaft verfasste Nachricht in seine Stellungnahme: «Das Verfahren richtet sich nicht gegen die Atlas Administration, die Firma wird keiner Straftat verdächtigt.» Die Sandana betont, sie mache Kunden darauf aufmerksam, dass ihre Vermittlungsdienstleistungen kostenpflichtig seien. Und die Mapa Finanz ergänzt, die von ihnen verlangten 20 Prozent für das Weiterleiten des Geldes, die «sachorienterte Kommunikation mit Gläubigern und das Setzen von Zielen» seien marktüblich. «Wettbewerber verlangen dafür bis zu 30 Prozent», so Mapa-Geschäftsführerin Marianne Arpagaus. 

Dass Moritz Müller damit rechnete, sofort Geld zu erhalten, kümmert sie offenbar nicht: «In dem Fall hat er den Vertrag nicht gelesen.» Und auch, dass Müller sich selbst als Schuldner und seine Firma, für die er den Kredit benötigte, als Gläubigerin einsetzte, interessiert Arpagaus nicht. «In welchem Verhältnis unser Kunde mit dieser Firma steht, entzieht sich unserer Kenntnis», schreibt sie – trotz angeblicher Prüfung der Akten.

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