Kontra Service citoyen
Achtung, patriarchales Übergewicht!
Momentan macht die Schweiz Gleichstellung vor allem zu Ungunsten der Frauen. Den Geschlechtergraben sollte man aber nicht überstrapazieren. Ein Kommentar gegen die Volksinitiative.

Veröffentlicht am 6. November 2025 - 06:00 Uhr

Dienstpflicht für alle? Aktuell liegt der Frauenanteil in der Schweizer Armee unter zwei Prozent.
Quelle: Manuel Geisser/KeystoneDie Argumente der Initianten, die Service-citoyen-Initiative als eine Chance für Frauen zu verkaufen, sind so dürftig, das können die unmöglich selber glauben.
Wenn man die ganzen Floskeln von wegen Gemeinschaft, Sicherheit und Solidarität weglässt, bleibt ja eigentlich nur ein Kern: Frauen sollen auch Dienst leisten. De facto ändert sich für Männer kaum etwas, für Frauen hingegen viel. Selten geht eine Abstimmungsvorlage so ungleich zu Lasten eines Geschlechts.
Offensichtliche Tendenz
Eine Dienstpflicht für alle kann man gut oder schlecht finden. Die entsprechenden Argumente fehlten in keiner Gleichstellungsdebatte der letzten Jahre. Aber darum geht es mir hier gar nicht. Sondern um die Summe vieler politischer Entscheidungen. Und damit um die offensichtliche Tendenz, zu Ungunsten von Frauen gleichzustellen.
Angefangen mit der Rentenalter-Erhöhung. Zwei Drittel der Männer drückten den Frauen das höhere Rentenalter auf. Nur 38 Prozent der Frauen sagten an der Urne Ja. Der Geschlechtergraben war so gross wie noch nie, das zeigte die Nachbefragung von GFS Bern.
Es geht um mehr als Militär. Das Pro zum Thema finden Sie hier.
Bei der Witwenrente wird die Diskriminierung der Männer zu Recht korrigiert. Aber statt einer Verbesserung für alle wird bei den Frauen gekürzt.
Und dann wäre da noch die Pseudofortschrittlichkeit bei der Elternzeit. Die nationalrätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit will die bestehenden Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaube «flexibilisieren» statt «ausdehnen». Damit ist nicht etwa insgesamt mehr Zeit gemeint, sondern: mehr Vaterschaftsurlaub, aber nur zu Lasten der Frauen und deren im internationalen Vergleich sowieso schon lächerlichen 14 Wochen «Urlaub».
Schon wieder sagen vor allem Männer Ja
Es herrscht gerade patriarchales Übergewicht.
Nun zeigen schon die ersten Umfragen zur Service-citoyen-Initiative: Vor allem Männer sagen Ja. Werden sie wie beim Rentenalter wieder die Frauen überstimmen? Verträgt es das noch?
Man sollte den Geschlechtergraben nicht überstrapazieren. Und das Spaltpotenzial bei Geschlechterfragen nicht unterschätzen. Irgendwann werden Männer wieder auf politische Kompromisse angewiesen sein – und damit auf die Stimmen der Frauen. Wenn es so weitergeht, wird sich deren Motivation in Grenzen halten.
Schreiben Sie Ihre Meinung in die Kommentarspalte.
- Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats: Medienmitteilung vom 23. Mai 2025
- GFS Bern: Nachbefragung und Analyse zur eidgenössischen Volksabstimmung vom 25. September 2022
- «Tages-Anzeiger»: Juso-Initiative kommt schlecht an, Service citoyen startet mit knappem Ja


