Immer wieder wechseln hochrangige Mitarbeiter des Bundes plötzlich in die Privatwirtschaft – oder umgekehrt. Das kann insbesondere dann zu Interessenkonflikten führen, wenn sie in der Privatwirtschaft in genau jenem Bereich arbeiten, für den sie zuvor bei der öffentlichen Verwaltung zuständig waren. Oder wenn sie als Verantwortliche der staatlichen Aufsicht eine innere Nähe zur Pharmaindustrie haben.

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Einen Hinweis, wie es um den Einfluss der Pharmaindustrie auf die Behörden steht, liefert jetzt die Nichtregierungsorganisation Public Eye. Sie analysierte mögliche Verbandelungen der Heilmittelbehörde Swissmedic und des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) mit der Pharmabranche. Resultat: In den letzten Jahren kam es zu einer Vielzahl von Seitenwechseln.

Berufliche Netzwerke ausgewertet

Dazu wertete Public Eye berufliche Netzwerke wie die Plattform Linkedin und andere Register aus: Von 741 identifizierten Swissmedic-Mitarbeitenden arbeiteten 294 Personen vorher oder nachher bei einem Pharmaunternehmen. 173 Personen wechselten die Seite direkt, also ohne berufliche Zwischenstation.

Beim Bundesamt für Gesundheit wurden 1591 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter analysiert. Davon waren 201 Personen zuvor oder danach bei einem Pharmaunternehmen tätig. 66 nahmen den Seitenwechsel ohne Zwischenstation vor. 

Hin und her – und her und hin

Mehrere Personen wechselten die Seiten gleich mehrfach. Eine Person war gemäss der Auswertung fünf Jahre lang in einem Pharmaunternehmen für Regulierungsfragen zuständig und wechselte dann zu Swissmedic. Hier prüfte die Person ausgerechnet die Zulassungsdossiers der Pharmaindustrie. 

Anschliessend arbeitete diese Person 17 Jahre bei verschiedenen Pharmakonzernen, bevor sie einen Job in einer Beratungsfirma annahm. Doch damit nicht genug: Die besagte Person ging wieder zu Swissmedic zurück (in einer ähnlichen Position) – nur um schliesslich erneut zur Beratungsfirma zu wechseln.

Der Drehtüreffekt betreffe alle Hierarchieebenen, heisst es im Bericht. Dazu untersuchte Public Eye jene 239 Personen, die den Stellenwechsel zwischen Swissmedic und BAG sowie der Industrie (oder umgekehrt) ohne Umwege vornahmen. Unter diesen Direktwechslern fanden beziehungsweise finden sich 26 Führungskräfte oder Mitglieder des höheren Kaders.

Fachwissen versus Interessenkonflikte

Untersucht wurden auch Bereiche, die hinsichtlich möglicher Interessenkonflikte besonders heikel sein können. Denn oft wird argumentiert, die staatlichen Aufsichtsbehörden seien bei der Zulassung neuer Medikamente und bei der Marktaufsicht auf Mitarbeiter angewiesen, die zuvor in der Pharmaindustrie Fachwissens erworben hätten.

«Diese Argumentation bagatellisiert das Risiko von Interessenkonflikten und ignoriert das Fachwissen von Wissenschaft und Medizin», hält Public Eye fest.

So fällt die Hälfte aller identifizierten Seitenwechsel zwischen Pharma und Swissmedic in den Bereich Marktzulassungen der Aufsichtsbehörde. Weitere 30 Prozent (52 Personen) wechselten in den Bereich Bewilligungen und Überwachung.

Beim Bundesamt für Gesundheit wiederum ist vor allem der Direktionsbereich Kranken- und Unfallversicherung auffällig, der auch die Abteilung Arzneimittel umfasst. Gemäss der Analyse entfällt auf diesen Bereich knapp die Hälfte der beim BAG festgestellten Seitenwechsel (30 Personen).

Wie unabhängig ist die Regulierungsbehörde?

Public Eye beurteilt solche direkte Jobwechsel zwischen Pharmaindustrie und staatlichen Stellen skeptisch: «Diese Nähe weckt berechtigte Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit unserer Regulierungsbehörde, insbesondere wenn solche Personalbewegungen nicht ausreichend reguliert sind.»

Bei der Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörde gibt es aus Public-Eye-Sicht ohnehin ein grundlegendes Problem: «Allein schon die Finanzierungsweise von Swissmedic, deren Budget zu rund 80 Prozent aus der Pharmaindustrie stammt, lässt den Verdacht der Befangenheit aufkommen.»

Bund setzt auf Verhaltenskodex

Swissmedic und das Bundesamt für Gesundheit kommen im Bericht ebenfalls zu Wort. Sie seien sich der Risiken von Interessenkonflikten im Zusammenhang mit Seitenwechseln bewusst.

Die Heilmittelbehörde wird dahingehend zitiert, dass Führungskräfte die Einhaltung des Verhaltenskodexes jährlich, die übrigen Angestellten alle zwei Jahre bekräftigen müssen. Auch das BAG verweist auf Regeln wie einen verbindlichen Verhaltenskodex und die geltenden gesetzlichen Bestimmungen, die Interessenkonflikte minimierten.

Public Eye fordert zwölf Monate Karenzfrist

Im Bericht macht Public Eye aber auch klar, dass nicht alle Seitenwechsel dieselben Risiken bergen. Ein Verbot sei nicht sinnvoll, nicht zuletzt aus verfassungsrechtlichen Gründen, etwa im Hinblick auf die Wirtschaftsfreiheit einzelner Personen. Hingegen fordert Public Eye eine Karenzfrist, also eine Sperrzeit, bevor eine Führungsperson aus der Verwaltung im gleichen Tätigkeitsbereich in der Privatwirtschaft tätig wird. 

Eine solche Karenzfrist in der Bundesverwaltung ist heute schon möglich, wird aber bisher nur in Einzelfällen angewendet. Sie gilt in erster Linie für Staatssekretäre, Amtsdirektorinnen und Generalsekretäre sowie deren Stellvertreter. Für Public Eye ist deshalb klar: «Die Karenzfrist sollte breiter angewendet werden und mindestens zwölf Monate betragen.»

Quelle