Aufgezeichnet von Manuela Enggist:

Am Informationsabend der Bäuerinnenschule nahmen etwa 70 Personen teil. Gut 30 davon waren Männer. Während der Veranstaltung redete die Schulleiterin aber nur von Bäuerinnen. Ich fühlte mich schon ein wenig diskriminiert.

Nach dem Vortrag sprach ich die Leiterin darauf an. Sie konnte sich ein Lachen nicht verkneifen und erzählte mir, dass ich der einzige Mann sei, der Interesse daran habe, die Ausbildung zu absolvieren. Alle anderen seien als Begleitung ihrer Frauen oder Freundinnen da gewesen.

Das hat mich überrascht. Wie ich später merkte, war ich sogar der erste Mann überhaupt, der sich je entschlossen hatte, die Bäuerinnenschule zu besuchen, um den Fachausweis als bäuerlicher Haushaltleiter zu erwerben. Auch wenn die Ausbildung darauf ausgerichtet ist, die typischen Aufgaben der Frauen auf einem Hof zu übernehmen, hätte ich schon gedacht, dass sich mittlerweile auch Männer dafür interessieren würden.

Ich bin in Wädenswil am Zürichsee aufgewachsen und habe meine Sommer jeweils in der Surselva auf einem Maiensäss oberhalb von Pardomat verbracht. Wir Kinder haben beim Käsen und Heuen geholfen. Meine Mutter ist dort oben gross geworden. Sie hat immer gesagt, sie sei eine Bäuerin ohne Bauernhof. Egal, wohin sie ging, sie hatte immer leere Gläser in der Tasche, um Heubeeren, Pilze oder Frauenmänteli zu sammeln. So habe ich früh realisiert, dass es in der Natur viele Dinge gibt, die darauf warten, gepflückt oder geerntet zu werden.

Frauen mit Zauberkräften

Es war wohl zu dieser Zeit, als ich mich in dieses Bild der Bäuerin verliebte. Sie waren für mich Übermenschen, die Geborgenheit ausstrahlen und in der Küche aus wenig ein fantastisches Essen zaubern. Heute weiss ich: Sie sind Managerinnen eines Kleinunternehmens und werden für ihre Arbeit viel zu wenig gewürdigt.

Der Wunsch, einmal selber einen Hof zu besitzen, trieb mich die letzten 30 Jahre um. Ich wusste, dass ich spätestens mit 50 meinen Beruf als IT-Experte an den Nagel hängen würde. Als sich vor vier Jahren die Möglichkeit bot, einen Betrieb im Schaffhauser Freudental zu kaufen, zögerte ich nicht. Mein Ziel ist es, einen Selbstversorgerhof aufzubauen.

Die Ausbildung an der Bäuerinnenschule am Solothurner Wallierhof war perfekt auf mich zugeschnitten. Die Landwirtschaftsschule wäre zu viel gewesen, da ich keine Maschinen habe und weder Milchwirtschaft Kuhmilch Schweizer Bauern spritzen rekordmässig Antibiotika noch Ackerbau betreibe. Mit meinen Engadinerschafen, den Hühnern und den Turopolje-Schweinen fokussiere ich auf Kleintierhaltung, auf Gartenbau und die Direktvermarktung in meinem Hofladen.

In der Schule war ich der Hahn im Korb. Die Lehrerinnen fanden es grossartig, dass ein Mann lernte, Zwiebelzöpfe zu flechten, Kleider zu flicken und das Badzimmer zu putzen. Ich weiss, dass viele Leute das Gefühl haben, diese Ausbildung sei aus der Zeit gefallen. Das sehe ich anders. Hier wird jahrhundertealtes Wissen weitergegeben, das sonst schon längst verlorengegangen wäre. Putzen zum Beispiel ist nicht gleich Putzen. Wir haben gelernt, wie man ein Haus ökonomisch und ökologisch sauber hält. Das spart Zeit und Geld.

Auch beim Thema Kochen konnte ich viel profitieren. Alle können eine Tomatensauce wärmen – aber können sie diese auch selber herstellen? In unserer Gesellschaft wissen viele nicht mehr, wann welches Gemüse Saison hat und wie wir Früchte einmachen. Das finde ich tragisch.

Nach dem Abschluss habe ich der Schule empfohlen, das Fach Informatik einzuführen. Es nähme einer Bäuerin bei der Direktvermarktung Arbeit ab, wenn sie sich digital organisieren könnte. Dank meinem Vorwissen führe ich nun den vielleicht einzigen Hofladen in der Schweiz, in dem man mit Bitcoin bezahlen kann.

«Bäuerinnen managen eine kleine Firma. Sie werden für ihre Arbeit viel zu wenig gewürdigt.»

Thomas Disch, 53, Landwirtschaftspionier
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