Der erste Schnee ist gefallen, die Scheiben sind zugefroren, und die Zeit ist – wie immer am Morgen – knapp. Viele spekulieren darauf, auf der kurzen Strecke nicht erwischt zu werden – und wenn doch, sei die Busse ja sicher verkraftbar. Ein Irrtum, der vermutlich vom Blick über die Grenze herrührt: Denn in Deutschland zahlt man für ein «Guckloch» in der vereisten Frontscheibe oft nur 25 Euro.

Doch Vorsicht: Wer eine solche Mentalität auf Schweizer Strassen an den Tag legt, erlebt ein böses Erwachen. Das Schweizer Strassenverkehrsgesetz kennt bei winterlichen Nachlässigkeiten wenig Pardon.

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Daniel Leiser, Experte für Strassenverkehrsrecht im Beobachter-Beratungszentrum, warnt davor, die Risiken zu unterschätzen, und er kennt die vier grössten Fehler.

Fehler 1: Keine Winterreifen

Ein hartnäckiges Gerücht besagt: «In der Schweiz gibt es keine Winterreifenpflicht.» Das ist formell zwar korrekt – das Gesetz nennt keinen fixen Stichtag für den Wechsel. Doch wer meint, er könne sich die Umrüstung sparen, bewegt sich auf extrem dünnem Eis.

Das Strassenverkehrsgesetz verlangt nämlich, dass das Fahrzeug jederzeit beherrschbar und in betriebssicherem Zustand ist. Das bedeutet in der Praxis: Wer in Regionen unterwegs ist, wo mit Kälte, Schnee oder Eis zu rechnen ist, kommt an der Winterausrüstung nicht vorbei.

Winterpneus sind nicht nur für Schnee gemacht, ihre weichere Gummimischung haftet auch auf kaltem Asphalt deutlich besser als die verhärtenden Sommerreifen. Wer diesen physikalischen Nachteil ignoriert und auf winterlicher Fahrbahn den Verkehr behindert oder einen Unfall baut, handelt fahrlässig.

Wer diesen physikalischen Nachteil ignoriert und auf winterlicher Fahrbahn den Verkehr behindert oder einen Unfall baut, handelt fahrlässig.

Die Konsequenz: Die Polizei kann die Weiterfahrt an Ort und Stelle untersagen. Und bei einem (Selbst-)Unfall droht sogar eine Bestrafung sowie ein Ausweisentzug wegen Fahrens eines nicht betriebssicheren Fahrzeugs.

«Es folgt eine Verzeigung an die Staatsanwaltschaft.»

Beobachter-Experte Daniel Leiser

Fehler 2: Scheibe nicht freigekratzt

Es ist der Klassiker im Winter: Ein kleines Rechteck auf der Frontscheibe freigekratzt, der Rest ist noch milchig gefroren. Gemäss der Verkehrsregelnverordnung müssen jedoch Scheiben, Rückspiegel, Beleuchtung und Kontrollschilder sauber gehalten werden.

Wer nur mit einem Guckloch fährt, schafft gemäss Bundesgericht eine grosse Gefahr für andere Verkehrsteilnehmende, indem er zum Beispiel Fussgänger oder Velofahrer nicht sieht.

«Die Polizei verhängt hier nicht einfach vor Ort eine Ordnungsbusse, sondern es folgt eine Verzeigung an die Staatsanwaltschaft», sagt Leiser. Das kann einen Führerausweisentzug von drei Monaten sowie eine hohe Geldstrafe bedeuten.

Fehler 3: Heizung laufen lassen

Den Motor starten, Heizung und Gebläse aufdrehen und dann erst gemütlich draussen kratzen – das ist verlockend, aber verboten. Es gilt als vermeidbare Belästigung durch Lärm und Abgas.

Anders als bei den schweren Sicherheitsdelikten kommen Autofahrende hier meist mit einer Ordnungsbusse davon. Diese beträgt in der Schweiz pauschal 60 Franken.

Fehler 4: Unterschätzen der Folgen

«Die staatlichen Strafen sind das eine. Aber finanzielle Probleme drohen auch von der eigenen Versicherung», warnt Leiser.

Denn Kaskoversicherungen können Leistungen kürzen oder in der Haftpflicht Rückgriff, sogenannt Regress, auf den Versicherten nehmen, wenn der Unfall auf Grobfahrlässigkeit zurückzuführen ist – auch wenn aus einem verschneiten Rücklicht ein Unfall resultiert. Und Sommerreifen im Schnee oder eine zugefrorene Scheibe sind Lehrbuchbeispiele für Grobfahrlässigkeit.

Quellen