Basler Forscher haben Versuchspersonen 72 Bilder gezeigt, die sie sich merken sollten. Währenddessen wurde ihre Hirnaktivität mittels Magnetresonanz (MRI) aufgezeichnet. Dann mussten sie so viele Bilder wie möglich abrufen. Die Aufzeichnungen zeigten, dass der Hippocampus bei jenen Teilnehmenden, die sich gut erinnern konnten, aktiver war als bei den anderen. Studien-Co-Leiter Dominique de Quervain erklärt, was es damit auf sich hat.

Herr de Quervain, an Ihrer Studie haben 1500 Personen zwischen 18 und 35 Jahren teilgenommen. Wieso haben Sie gerade dieses Alterssegment ausgewählt?
Wir wollten eine relativ einheitliche Altersgruppe untersuchen, die weit weg von altersbedingten Gedächtnisproblemen ist.

Was genau hat die Studie gezeigt?
Dass die Hirnaktivität bei Menschen mit gutem Gedächtnis während des Abspeicherungsprozesses in bestimmten Hirnregionen, unter anderem im Hippocampus, ausgeprägter ist als bei jenen mit schlechtem Erinnerungsvermögen.

Londoner Taxifahrer müssen eine Prüfung über 25’000 Strassen und 20’000 Sehenswürdigkeiten ablegen. Eine Studie hat gezeigt, dass ihr Hippocampus grösser ist als bei Leuten mit anderen Berufen. Haben Sie Ähnliches bei Ihren gedächtnisstarken Probanden beobachtet? 
Nein, in unserer Studie konnten wir keinen vergrösserten Hippocampus bei Probanden mit stärkerem Gedächtnis feststellen. Ein grösserer Hippocampus scheint speziell mit einem aussergewöhnlichen räumlichen Gedächtnis in Zusammenhang zu stehen.

Haben Sie Unterschiede zwischen Männern und Frauen entdeckt?
Wir haben uns bei dieser Arbeit auf Hirnsignale konzentriert, die bei beiden Geschlechtern gleich sind. Zu allfälligen Unterschieden zwischen Männern und Frauen können wir nichts sagen.

Zur Person: Dominique de Quervain

Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Hirnregionen, die für das Gedächtnis zuständig sind, und jenen, in denen Demenz vorwiegend auftritt?
Der Hippocampus ist bei Morbus Alzheimer früh von den krankhaften Veränderungen betroffen. Ein Zusammenhang zu unseren Befunden bezüglich der Hirnaktivierung lässt sich aber nicht herstellen.

Können Ihre Erkenntnisse trotzdem bei der Demenzforschung helfen?
Die gewonnenen Daten können in zukünftigen Forschungsarbeiten mit biologischen Merkmalen wie genetischen Markern in Verbindung gebracht werden. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse könnten der Medikamentenentwicklung dienlich sein.

«Man kann durchaus etwas tun, um das Gedächtnis zu verbessern. Es gibt viele bewährte Lernstrategien.»

Ist es jedem Menschen mit normaler Intelligenz möglich, das Gedächtnis zu trainieren?
Auf jeden Fall. Die Leistungsfähigkeit des Gedächtnisses wird nur etwa zur Hälfte durch Gene bestimmt. Das bedeutet, dass man durchaus etwas tun kann, um das Gedächtnis zu verbessern. Es gibt viele bewährte Lernstrategien. Sie reichen von Eselsbrücken bis hin zur Technik, den Lerninhalt möglichst emotional zu gestalten.

Woran forschen Sie jetzt?
Derzeit untersuchen mein Kollege Andreas Papassotiropoulos und ich das sogenannte hyperthymestische Syndrom. Menschen mit diesem Syndrom könnten Ihnen nicht nur sagen, was sie vor zwei Wochen gemacht haben, sondern auch, was sie am 18. März 2007 oder am 7. Oktober 1997 erlebt haben – kurz, sie vergessen praktisch nichts.

Was genau untersuchen Sie bei diesen Menschen?
Wir sind auf der Suche nach einer genetischen Ursache für dieses sehr seltene Phänomen. Wenn wir den molekularen Schalter für das Vergessen verstehen würden, könnte das neue Wege für die Entwicklung von Gedächtnis-Medikamenten eröffnen.

Die aktuelle Studie ist Teil eines gross angelegten Forschungsprojekts des Departements Biomedizin der Universität Basel und der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel.