Immer höhere Medikamentenkosten – was machen die Parteien?
In der Schweiz haben wir letztes Jahr 9,4 Milliarden Franken für kassenpflichtige Medikamente ausgegeben. Der Beobachter zeigt, welche politischen Parteien etwas dagegen tun wollen – und welche nicht.

Veröffentlicht am 19. Dezember 2025 - 16:29 Uhr

Jedes Jahr steigen die Medikamentenkosten – und sorgen für immer höhere Prämien.
Die Medikamentenkosten in der obligatorischen Krankenversicherung (OKP) steigen unaufhörlich. 2024 lagen sie bereits bei 9,4 Milliarden Franken – mit einem Zuwachs von 3,6 Prozent oder 323 Millionen Franken im Vergleich zum Vorjahr. Medikamente bleiben damit ein zentraler und stetig wachsender Kostenfaktor der OKP, berichtet der Krankenversicherer Helsana in seinem aktuellen Arzneimittelreport. Undurchsichtige Preisverhandlungen hinter verschlossenen Türen und der häufige Einsatz von Originalpräparaten statt günstigerer Generika zählen zu den Hauptursachen des Anstiegs. Der Beobachter hat die Parteien gefragt, was sie dagegen tun wollen.
Problem 1: Schaufensterpreise
Das Problem: Der Preis eines neuen Medikaments wird heute zwischen dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) und den Pharmaherstellern ausgehandelt. Dabei zählen zwei Kriterien. Erstens: die Preise, die im Ausland für das Medikament gezahlt werden (Auslandspreisvergleich). Zweitens: die Preise bereits in der Schweiz zugelassener Medikamente, die gegen dieselbe Krankheit eingesetzt werden (therapeutischer Quervergleich). Doch die Verhandlungen basieren immer öfter nicht auf den tatsächlich gezahlten Preisen, sondern auf sogenannten Schaufensterpreisen. Das sind künstlich überhöhte, aber öffentlich publizierte Preise eines Medikaments. Laut Helsana liesse sich hier ein erhebliches Sparpotenzial realisieren. Die Krankenkasse fordert, künftig die realen Preise als Grundlage für die Verhandlungen zu nehmen.
Frage an die Parteien: Unterstützen Sie die Forderung der Helsana?
Antworten der Parteien:
- SP, Grünliberale und Grüne befürworten die Forderung. Schaufensterpreise dienten der Gewinnmaximierung im Ausland, so die Grünen. Die Grünliberalen betonen, ein international abgestimmtes Vorgehen sei nötig, um die Versorgungssicherheit nicht zu gefährden.
- Die FDP schreibt, sie setze auf Preissetzungsverfahren, die den Patientennutzen in den Mittelpunkt stellen. Mit dem Helsana-Vorschlag will sie sich befassen, wenn dieser ins Parlament kommen sollte.
- Die Mitte befürwortet gezielte Ausnahmen vom Öffentlichkeitsprinzip, wenn sie nachweislich zu günstigeren Medikamentenpreisen in der Schweiz führen.
- Die SVP hat sich zu dieser Frage nicht geäussert.
Problem 2: Förderung von Generika und Biosimilars
Das Problem: Die Verwendung von günstigen Nachahmerprodukten wie Generika und sogenannten Biosimilars könnte laut BAG jährlich 250 Millionen Franken einsparen. Tatsächlich wurden 2024 aber gemäss Berechnungen von Helsana nur 76 Millionen realisiert.
Frage an die Parteien: Wie wollen Sie das Sparpotenzial künftig ausschöpfen?
Antworten der Parteien:
- Die Mitte schreibt, sie unterstütze die Erhöhung des Selbstbehaltes für Originalpräparate auf 40 Prozent, um den Absatz von Generika zu fördern.
- Die SP fordert eine Pflicht zur Nutzung von Generika und Biosimilars bei patentfreien Originalpräparaten.
- Die SVP betont, sie setze sich seit Jahren für den Einsatz dieser Produkte ein.
- Die FDP will ein Versicherungsmodell einführen, bei dem Versicherte durch die Wahl von Generika niedrigere Prämien zahlen. Der Vorschlag scheiterte jedoch bis anhin im Parlament.
- Die Grünen schreiben, sie unterstützten alle Massnahmen zur Senkung der Arzneimittelkosten, solange diese nicht zulasten der Patienten gingen.
Problem 3: Günstiges Medikament wird nicht zugelassen
Das Problem: Das Medikament Eylea verursachte 2024 mit 162 Millionen Franken die zweithöchsten Kosten unter den Medikamenten. Es wird zur Behandlung der feuchten Makuladegeneration (AMD) eingesetzt. Das Krebsmittel Avastin wirkt ähnlich gut gegen AMD – zu einem Sechstel der Kosten. Das ist wissenschaftlich bewiesen. Doch Hersteller Roche beantragt keine Zulassung für diese Indikation. Über die Tochterfirma Genentech vertreibt Roche das teurere AMD-Medikament Lucentis, dessen Absatz durch Avastin gefährdet wäre. Eine Lösung wäre, wenn der Bund selbst die Zulassung von Avastin für AMD vornehmen würde.
Frage an die Parteien: Unterstützen Sie die dafür nötige Gesetzesänderung?
Antworten der Parteien:
- Die Mitte lehnt die Forderung aus rechtlichen Gründen ab. Eine staatliche Zulassung würde bedeuten, dass der Bund die volle Verantwortung und Haftung für Wirksamkeit und Sicherheit übernimmt – auch gegen den Willen des Herstellers.
- Die SVP sieht den Bund nicht in der Lage, ein Medikament auf den Markt zu bringen. Zudem sei das Patent von Avastin abgelaufen; wäre der Markt attraktiv, hätte ein privater Hersteller längst ein entsprechendes Produkt entwickelt.
- Die FDP verweist darauf, dass ein Off-Label-Use – also die Nutzung ausserhalb der zugelassenen Indikation – bereits möglich sei. Sie will die Entscheidung den Ärzten und Krankenversicherungen überlassen.
- Die SP unterstützt Eingriffsmöglichkeiten der öffentlichen Hand, wenn günstige, wirksame Alternativen aus kommerziellen Gründen blockiert werden – unter Wahrung von Patientensicherheit und unabhängiger Zulassung.
- Die Grünen schreiben, sie würden gemeinsam mit der Verwaltung nach Lösungen suchen. Es sei inakzeptabel, dass die Pharmaindustrie Medikamente nicht in der Schweiz zulasse, um ihre hohen Gewinne zu sichern.
- Helsana: Arzneimittelreport 2025
- «Deutsches Ärzteblatt»: Avastin wirkt so gut wie Lucentis

