Seit Wochen ist das Coronavirus omnipräsent und es scheint, als wäre es die einzige derzeit existierende Krankheit. Doch trotz Vorsichtsmassnahmen wie häufigem Händewaschen, Abstand halten Covid-19 Wie schütze ich mich vor dem Coronavirus? und grösstenteils zu Hause bleiben ist man auch jetzt nicht davor gefeit, mit anderen Viren oder Bakterien in Kontakt zu kommen: Ein Neunjähriger erkrankt an Ringelröteln. Eine 34-Jährige kämpft nach dem Geschlechtsverkehr mit ihrem Partner mit einer Blasenentzündung. Eine 36-Jährige fing sich vor Wochen beim Joggen einen hartnäckigen Husten ein, der einfach nicht abklingen will.

Und alle stehen vor der gleichen Frage: Wie beeinflusst dieser Infekt das Risiko bei einer möglichen Corona-Erkrankung?

Immunsystem kann mehrere Infekte eindämmen

Grundsätzlich hat unser Organismus die Fähigkeit, mit Hunderttausenden von Viren und Bakterien fertigzuwerden, das Immunsystem kommt also nicht so rasch an seine Kapazitätsgrenzen, erklärt Thomas Hauser. Hauser ist Facharzt für Allergologie und Immunologie am Immunologie-Zentrum in Zürich. «Bei der Blasenentzündung handelt es sich um einen relativ kleinen Infekt, richtig behandelt führt dieser nicht zu einem erhöhten Risiko.»

Anders sehe es aber aus, wenn die Entzündung unbehandelt bleibe und sich zu einer Nierenbeckenentzündung ausweite. «Eine so grosse Entzündung kann den Organismus belasten und könnte bei einer Infektion mit dem Coronavirus ein Zusatzrisiko darstellen.»

Auch für den Neunjährigen dürften die Ringelröteln laut Hauser kein Problem darstellen. Denn gemäss den ersten Erfahrungen mit dem Sars-CoV-2-Virus verläuft eine Corona-Infektion bei Kindern und Jugendlichen in 50 bis 80 Prozent der Fälle ohne Symptome oder nur mit sehr schwachen. Das heisst, der Körper würde wohl mit beiden Infekten gleichzeitig klarkommen, sagt Hauser. Gesicherte Daten zu Wechselwirkungen von einzelnen Viren mit dem Corona-Virus gibt es aber noch keine.

Eine strikte Abschottung von anderen Menschen ist also weder bei der Blasenentzündung noch bei den Ringelröteln notwendig. Denn man könne laut Hauser davon ausgehen, dass das Immunsystem der meisten Leute mit solchen Infekten klarkommen.

Risikopatienten sollten Grippeimpfung nachholen

Etwas anders sieht es bei der jungen Frau mit Husten aus. «Man kann einen gewöhnlichen Husten nicht immer zweifelsfrei von den Symptomen einer Covid-19-Erkrankung unterscheiden, deshalb wäre es hier angebracht, wenn sich diese Person in Quarantäne begibt», sagt Thomas Hauser. Auch wenn es sich um einen gewöhnlichen Husten handle, so habe sie bei einer Corona-Erkrankung ein höheres Risiko. «Bei einer länger andauernden, unkontrollierten Atemwegserkrankung könnte eine Art Überreaktion entstehen, bei der sich die Luftwege asthma-ähnlich zusammenziehen», erklärt Hauser. Dies erhöhe die Wahrscheinlichkeit für eine Lungenentzündung. «Es ist darum sinnvoll, Atemwegserkrankungen jetzt mit einem Anti-entzündlichen Spray zu behandeln, auch wenn dies sonst nicht unbedingt notwendig wäre», sagt Hauser.

Ebenfalls nicht ganz unproblematisch ist es, wenn man jetzt an einem Grippe-Virus oder einem Pneumokokken-Infekt erkrankt. Eine bakterielle Pneumokokken-Erkrankung kann eine Mittelohren-, Lungen- oder Hirnhautentzündung, oder auch eine Sepsis auslösen. Aufgrund der Erfahrung mit anderen Sars-Virenstämmen gehen Virologen davon aus, dass es zu mehr Komplikationen kommt, wenn man gleichzeitig am Coronavirus und einer Grippe oder Pneumokokken erkrankt. «Aus diesem Grund empfehlen wir vor allem den Risikogruppen, jetzt unbedingt noch die Grippe- Grippe Wer sollte sich impfen lassen? und die Pneumokokken-Impfung nachzuholen – auch dann, wenn man solche Impfungen grundsätzlich ablehnt», sagt Hauser. Die Impfung nachzuholen sei jetzt noch nicht zu spät, denn: «Die Grippewelle klingt zwar langsam ab, aber es kann einen trotzdem noch erwischen. Und das Coronavirus wird uns noch eine Weile beschäftigen.»

Negative Einflüsse abbauen statt Vitamine

Obwohl beim Coronavirus noch vieles unklar und noch kein Medikament gegen die Krankheit verfügbar ist, scheint sich eine These langsam zu bestätigen: Gesunde Menschen mit einem intakten Immunsystem haben häufig einen schwächeren Krankheitsverlauf. Kein Wunder also, dass nun vermehrt Vitamintabletten, Nahrungszusätze oder auch pflanzliche Aufbaupräparate beworben werden, die laut den Herstellern einer Corona-Erkrankung vorbeugen sollen. Doch wie hilfreich ist das wirklich?

«Ich gebe lieber Empfehlungen ab, wie man generell und langfristig sein Immunsystem stärken kann», sagt Claudia Witt, Direktorin des Instituts für komplementäre und integrative Medizin am Universitätsspital Zürich. Ob nun Echinacea oder Vitamin C dem Immunsystem helfe, das Coronavirus besser zu bekämpfen oder nicht, dazu gebe es keine evidenzbasierten wissenschaftlichen Daten. «Wir wissen aber aus Studien, dass sich chronischer Stress Stress und Körpersymptome Körper im Alarmzustand zum Beispiel negativ auf das Immunsystem auswirkt – und hier können wir mit der Mind Body Medicine helfen, die negativen Einflüsse abzubauen», sagt Witt. Die Epidemiologin hat deshalb mit ihrem Team eine Informationsseite zum Immunsystem aufgeschaltet, auf der sie Tipps geben, wie man die Abwehrkräfte stärkt.

Was dem Immunsystem wirklich hilft

«Es ist jetzt besonders wichtig, einen gesunden Lebensstil zu pflegen», sagt Witt. Was dieser gesunde Lebensstil beinhalte, das habe jeder vermutlich schon mal gehört: Sich gesund ernähren, genügend schlafen, sich bewegen und Stress reduzieren. «Wir stellen aber fest, dass dieses Basiswissen teilweise in den Hintergrund rückt; dass Leute, die sonst viel Sport gemacht haben, sich jetzt kaum noch bewegen – obwohl das kontraproduktiv ist.»

Es fehle vielen Menschen an Ideen, wie man die alten Gewohnheiten nun in den eigenen vier Wänden weiter praktizieren könne. «Hier helfen wir mit Tipps, die einfach umsetzbar sind», sagt Witt. Wer vorher auf dem Stepper im Fitnessstudio trainiert hat, jetzt zum Beispiel im Zimmer oder auf dem Balkon Springseil springen. Wer Angst davor hat, dass sich auf dem frischen Gemüse Viren tummeln, der kann zu Tiefkühlprodukten greifen. Denn gerade eine gemüsereiche, ausgewogene und ballaststoffreiche Ernährung helfe, die körpereigenen Abwehrkräfte zu mobiliseren.

«Es fehlt vielen Menschen an Ideen, wie man die alten Gewohnheiten in den eigenen vier Wänden umsetzen kann.»

Claudia Witt, Direktorin Institut für komplementäre und integrative Medizin, Universitätsspital Zürich

«Bei vielen Menschen löst es Stress aus, auf engem Raum zu leben, die Kinder zu Hause zu unterrichten, oder alles nur noch digital erledigen zu müssen», sagt Witt. Auch das sei keine gute Voraussetzung für das Immunsystem. Darum dürfe man auch die Entspannung nicht vergessen.  «Wichtig ist, dass man jetzt rasch Lösungen findet für sich, wie man trotz der ungewohnten Situation zu den Dingen kommt, die einem gut tun.» Einen gesunden Lebensstil könne man halt nicht einfach durch eine Pille oder ein Pülverchen ersetzen.

Vitamin D ist sinnvoll

Dies sieht auch Thomas Hauser so. «Die Präparate helfen einem bestenfalls, das Portemonnaie leichter zu machen, wenn man ohnehin immer schwer daran zu tragen hat», sagt Hauser ironisch. «Gegen das Coronavirus helfen sie jedenfalls nicht», stellt der Immunologe klar. Eine Ausnahme sei aber das Vitamin D. «Bei bakteriellen Infekten spielt Vitamin D beim Krankheitsverlauf eine gewisse Rolle, darum sollte man in den Wintermonaten ein Vitamin D-Präparat zu sich nehmen», sagt Hauser.

Auch ein täglicher Schluck Schnaps helfe nicht, um einer Covid-19-Erkrankung vorzubeugen. «Das ist absoluter Quatsch, was gewisse Virologen da verbreiten.» Der Sekundenbruchteil, in dem der Alkohol die Gurgel benetze, habe keinen Einfluss darauf, ob der Sars-Cov-2-Erreger in die Zelle eindringen könne und der Mensch erkranke oder nicht. Was das Risiko für eine schwere Erkrankung aber massiv senke, sei, wenn man jetzt mit dem Rauchen aufhöre. «Raucher haben – nebst den hinlänglich bekannten Gesundheitsrisiken – ein deutlich erhöhtes Risiko, einen schweren Verlauf einer Corona-Erkrankung zu erleiden.»

Was passiert bei einem schweren Verlauf einer Corona-Erkrankung?

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Was ist eigentlich ein schwerer Verlauf bei einer Corona-Erkrankung? Claudia Twerenbold, Oberärztin am Zürcher Stadtspital Waid, erklärt, was im Körper passiert.
Quelle: Beobachter Bewegtbild
Wissen, was dem Körper guttut.
«Wissen, was dem Körper guttut.»
Chantal Hebeisen, Redaktorin
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