«Ich hatte meine fünfte Knieoperation, da war ich noch nicht einmal zwanzig. Als Sportlerin war ich damals auf dem Nullpunkt. Auch später gab es kaum eine Saison ohne eine grössere Verletzung. Trotzdem konnte ich mich immer wieder aufrappeln.

Die Medien schrieben dies meiner Willensstärke zu, nannten mich ‹Stehauffrau›. Ich sehe das etwas anders: Dass ich nie aufgegeben habe, lag nicht an einer Charaktereigenschaft, sondern war jedes Mal eine logische Entscheidung. Letztlich stand ich bei jeder Verletzung vor der gleichen Frage: Will ich weiter Ski fahren oder nicht? Ich liebe diesen Sport so sehr, dass es darauf nur eine Antwort gab. Ohne das Skifahren wäre ich ein unglücklicher Mensch gewesen. Von daher war es eher Konsequenz als Stärke.

Natürlich: Ich hätte diesen Weg nicht gehen können ohne den Rückhalt meiner Eltern – finanziell, aber auch vom Verständnis her. Sie haben den Grundsatz immer hochgehalten, dass der Sport eine Lebensschule ist, unabhängig vom Erfolg. Das hat mir geholfen.

Okay, das mit der ‹Stehauffrau› kann man vielleicht stehen lassen. Ich kann schon stark und hart sein, war es in meiner Karriere auch oft. Die andere Seite von mir ist hoch emotional. Für mich sind das keine Gegensätze, im Gegenteil: Das eine bedingt das andere. Gäbe es meine leidenschaftliche Seite nicht, hätte ich gar nicht den Antrieb gehabt, solch konsequente Entscheidungen zu treffen und nach einem Tiefschlag wieder aufzustehen.

Ob es ein Rezept dafür gibt? Sicher kein allgemeingültiges, das ist total individuell. Meine persönliche Strategie war, nicht zu hadern, sondern schnell zu akzeptieren, dass es nun halt wieder passiert war. Lernen musste ich, dass es jedes Mal einen anderen Plan brauchte, um aus dem Loch zu kommen. Ein Erfolgsrezept lässt sich nicht reproduzieren, Stillstand im Denken funktioniert auf Dauer nicht. Man muss offen bleiben für neue Möglichkeiten, neue Ansätze, neue Inputs – bis es ‹klick› macht und es für einen passt.

Dass ich nach all dem noch Olympiagold holen konnte, war ja fast schon kitschig. Aber ich habe gemerkt: Dieses Auf und Ab mit Happyend ist eine Story, in der sich andere Leute wiederfinden. Sie verbinden damit die Hoffnung, dass es in einer schwierigen Situation auch für sie wieder aufwärtsgehen kann. Nach den Olympischen Spielen habe ich stapelweise Briefe und Mails erhalten, in denen mir Frauen und Männer ihre persönlichen Geschichten erzählt haben. Oft ganz tragische Schicksale, sehr bewegend.

Bei mir ging es ja bloss um ein Knie, meine Güte, ein Knie! Und es war nur Sport. Da muss man demütig sein, so schlimm sich all diese Rückschläge damals auch angefühlt haben.» 

(aufgezeichnet von: Daniel Benz)

Ruedi Bühler, Sarankan Mahendran und Dominique Gisin (von links nach rechts)

Ruedi Bühler, Sarankan Mahendran und Dominique Gisin (von links nach rechts)

Quelle: Kilian J. Kessler

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