Es sind happige Zahlen, die Comparis Ende November publizierte: Mehr als die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer greifen regelmässig zu Zigaretten oder anderen Tabakprodukten, schreibt der Internetvergleichsdienst. Dagegen erscheinen die offiziellen Raucherzahlen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) geradezu harmlos. Laut dem vom BAG finanzierten Suchtmonitoring rauchen in der Schweiz nur gerade 25,3 Prozent der Bevölkerung.

Ist die Schweiz also eine heimliche Raucherhöhle? Oder pafft tatsächlich nur ein Viertel der Bevölkerung, wie das BAG behauptet? Übertreibt Comparis, um Aufmerksamkeit in den Medien zu erhalten? Oder versucht das Bundesamt, mit tiefen Zahlen den Erfolg seiner millionenteuren Präventionskampagnen zu beweisen? Schauen wir uns die Zahlen genauer an.

Die Stichprobe

Das BAG lässt seine Umfrage durch die Stiftung Sucht Schweiz durchführen. Für das sogenannte Suchtmonitoring stellt das Bundesamt für Statistik vorab eine repräsentative Stichprobe zusammen: Alter, Geschlecht, sozialer Status und Wohnort sollen die Schweizer Bevölkerung abbilden. Rund 11'000 Personen lassen sich jeweils zu ihrem Suchtverhalten befragen. Die Marktforschungsfirma Innofact, die für Comparis die Umfrage erstellte, interviewte hingegen nur 1030 Personen. Auch diese Zahl gilt noch als repräsentativ.

Ein gewichtiger Unterschied zwischen den Stichproben liegt aber bei den befragten Altersgruppen. Sucht Schweiz befragt schon 15-Jährige zu ihrem Umgang mit Zigaretten, die Comparis-Umfrage beschränkte sich auf die 18- bis 74-Jährigen.

  • Erste mögliche Erklärung für die Unterschiede: Die Comparis-Studie ignoriert unter 18- und über 75-Jährige und damit zwei Altersgruppen, in denen sich eher weniger Raucher befinden. Kein Wunder, sind die Comparis-Zahlen höher als diejenigen des BAG.
Die Methode

Beim Suchtmonitoring Schweiz setzt man auf die bewährten Telefoninterviews. Comparis hingegen liess mit einem Internetfragebogen befragen – das ist deutlich billiger. Welche Methode besser ist, kann nicht eindeutig gesagt werden. Die Universität Maastricht, die eine Raucherstudie in den Niederlanden analysierte, kam jedoch zum Schluss, dass Internetumfragen unter Umständen sogar genauere Resultate liefern. Der Grund: Bei Telefoninterviews würden Raucher oft so antworten, wie sie es für sozial erwünscht halten. Sie spielten also ihren Tabakkonsum eher herunter.

  • Zweite mögliche Erklärung für die Unterschiede: Via Internet Interviewte sind unter Umständen ehrlicher. Das spricht eher für die Comparis-Studie. 
Die Interpretation

Zweifel an den offiziellen Zahlen zum Tabakkonsum sind nicht neu. Die Universität Neuenburg untersuchte in einer im Dezember 2016 publizierten Studie, wie viele versteuerte und unversteuerte Zigaretten in der Schweiz konsumiert werden. Aufgrund der Zahlen aus der Zollstatistik fanden die Forschenden Hinweise, dass in der Schweiz deutlich mehr geraucht wird als vom BAG ausgewiesen.

  • Der ebenso salomonische wie brisante Schluss: Sollte tatsächlich nur ein Viertel der Bevölkerung dem Tabak verfallen sein, dann paffen diese Raucher täglich rund 18 Zigaretten statt wie vom BAG errechnet 10,4. Stimmt hingegen die BAG-Zahl von täglich 10,4 Zigaretten, liegt die Raucherquote in der Schweiz bei über 40 Prozent statt bei 25,3 Prozent.

Das Fazit? Das BAG hat vermutlich die bessere Stichprobe. Comparis dagegen möglicherweise ehrlichere Antworten. Und vielleicht rauchen in der Schweiz tatsächlich mehr Leute als bisher angenommen. Beim BAG sagt Mediensprecher Daniel Dauwalder dazu knapp: «Wir nehmen die Ergebnisse von Comparis zur Kenntnis. Sie scheinen uns zu hoch.» Vielleicht würde es sich lohnen, auch die Methoden zur Kenntnis zu nehmen.

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Tina Berg, Redaktorin
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