Es ist ein wunderbares Gefühl, an einem heissen Sommertag den Durst zu stillen. Genug Flüssigkeit aufzunehmen, ist aber an jedem Tag des Jahres wichtig. Fachleute empfehlen, pro Stunde rund einen Deziliter zu trinken. «Als Faustregel gelten 1,5 bis 2 Liter Wasser pro Tag, die eine 70 Kilogramm schwere Person trinken soll», sagt Tobias Tritschler, Leitender Arzt der Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin am Inselspital Bern.

Die empfohlene Menge variiert, weil man bereits einen guten Teil der Flüssigkeit zu sich nimmt, wenn man sich an die Ernährungspyramide der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung mit fünf Portionen Gemüse und Früchten am Tag hält.

Was passiert mit dem Körper, wenn man zu wenig trinkt? Die Antwort ist simpel: Es tut ihm nicht gut. Denn der menschliche Körper besteht selbst zum grössten Teil aus Wasser. Bei einem Säugling beträgt der Körperwasseranteil 75 Prozent, bei einem Erwachsenen mittleren Alters 60 und bei einem Senior noch 50 Prozent. So wundert es nicht, dass wir den täglichen Flüssigkeitsverlust unbedingt ausgleichen müssen. Bei grosser Hitze oder wenn wir zusätzlich Sport treiben, kann sich der Flüssigkeitsbedarf bis auf das Drei- oder Vierfache erhöhen.

«Wenn wir zu wenig trinken, dehydrieren wir, was zu Beeinträchtigungen des Gehirns, der Nieren, der Verdauung und weiteren Organen führen kann», betont Mediziner Tobias Tritschler. Zu den häufigsten Frühsymptomen einer Dehydrierung gehören – neben dunklem Urin und Durst – auch Müdigkeit, Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten, Schwindel und Verstopfung. Im Grundsatz empfehle es sich, laufend zu trinken, um es gar nicht so weit kommen zu lassen. 

Trinken in Portionen

«Durst ist das erste Zeichen eines Wasserdefizits», sagt Ernährungswissenschaftler Günter Wagner vom Deutschen Institut für Sporternährung in Bad Nauheim und Co-Autor des Buchs «Trink Dich Fit». «Wenn ich 0,5 Prozent des Körpergewichts an Flüssigkeit verliere, spüre ich es schon. Bei 1 Prozent reagiert der Körper mit Einbussen bei der geistigen Leistungsfähigkeit, und bei 8 bis 9 Prozent droht ein Kreislaufzusammenbruch.»

Doch was ist zu tun, wenn man bereits Kopfweh verspürt vor lauter Durst? Die Mediziner empfehlen, mehrfach kleinere Mengen zu trinken als viel aufs Mal. «Nippen statt kippen», bringt es Günter Wagner auf den Punkt. Zu viel Flüssigkeit aufs Mal kann der Organismus gar nicht aufnehmen. «Wenn ich dehydriert bin und 1,5 bis 2 Liter trinke, reagiert das Herz mit einer schnellen Ausdehnung des Blutvolumens, was dazu führt, dass die Nieren mehr Wasser ausscheiden.» 

Deshalb ist es in einer solchen Situation sinnvoller, einen oder zwei Deziliter pro halbe Stunde zu trinken. Und zwar das richtige Getränk: am besten Hahnen- oder Mineralwasser, ungesüssten Kräuter- oder Früchtetee, weil sie den Durst besser löschen als Süssgetränke. «Kaffee und Schwarztee sind Genussmittel und deshalb als Durstlöscher ungeeignet. Sie können aber in der Flüssigkeitsbilanz mitgezählt werden», erklärt Mediziner Tobias Tritschler.

Der Vorteil von warmen Getränken liegt für Günter Wagner auf der Hand: Sie erleichtern es uns, mehr zu trinken, weil sie anders als kalte das Durstgefühl nicht sofort stillen. Es ist kein Zufall, dass die Menschen in heissen Ländern viel warmen Tee trinken. Alkoholische Getränke leisten keinen positiven Beitrag: Um den Alkohol in einem Glas Whisky zu verarbeiten, werden laut Wagner 0,25 Liter Wasser benötigt – der Effekt heisst Nachdurst.

Vorsicht bei Medikamenten

Trinken, bevor man Durst und damit ein Defizit hat – dieses Ziel sollten sich vor allem ältere Menschen vornehmen. Bei ihnen kann der Flüssigkeitsmangel verheerende Konsequenzen haben. Denn es kann zu einem Hochschaukeleffekt kommen: Dehydrierung führt zu Vergesslichkeit und Vergesslichkeit wieder zu Dehydrierung. 

«Daraus kann eine akute schwere Erkrankung entstehen», sagt Berta Truttmann, stellvertretende Chefärztin der Klinik für Altersmedizin am Stadtspital Zürich Waid. Sie nennt das Beispiel eines älteren Menschen, der an Durchfall leidet und deshalb nicht mehr genügend trinken kann: «Er nimmt aber weiterhin seine wassertreibenden Medikamente brav ein.» Wegen Arthroseschmerzen schlucke der Betroffene vielleicht noch ein Schmerzmedikament, sogenannte nicht steroidale Entzündungshemmer, was eine Kaskade von weiteren Problemen wie tiefen Blutdruck und schwere Nierenschäden auslösen könne. «Wenn der Patient ins Spital kommt, kann man häufig mit einer Reduktion der Medikamente und mit Infusionen helfen», sagt Berta Truttmann. Aber dies gelinge nicht immer, insbesondere wenn die Nieren schon schwer vorgeschädigt seien.

Durstgefühl nimmt im Alter ab

Die Ärztin erklärt, warum ältere Menschen das Trinken oft einfach vergessen: Das Durstgefühl nehme im Alter ab oder fehle ganz. «Bei älteren Menschen kann Wassermangel zu Kreislaufproblemen mit Schwindel führen, insbesondere beim Aufstehen, aber auch zu Verwirrtheitszuständen», erklärt die Altersmedizinerin. Falls die Angehörigen solche Symptome beobachten, sollten sie diese als Warnsignale erkennen und sich an die Spitex oder die Hausärztin wenden. Denn diese Verwirrtheitszustände können zu Stürzen mit teils erheblichen Verletzungen führen. Oder es kommt zu einem Delirium mit heiklen Konsequenzen, etwa wenn ein Patient nachts aufsteht und das Haus verlässt.

Es sei deshalb besonders bei älteren Menschen ratsam, das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie wichtig es ist, regelmässig zu trinken, sagt Truttmann. Hilfreich könne es sein, im Tagesablauf gewisse Trinkeinheiten bereitzustellen und einzuplanen – zum Beispiel bereits zum Frühstück ein Glas Wasser zu trinken. Auch Berta Truttmann setzt bei sich selbst auf ein Ritual: «Ich trinke immer am Ende der Chefvisite um etwa 11 Uhr ein Glas Wasser und mache auch eine kleine Verschnaufpause.»

Brauchen wir zwei Liter Wasser am Tag?

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Täglich acht Gläser Wasser trinken? Das ist ein Mythos. Dr. med. Claudia Twerenbold erklärt, wie viel Wasser der Körper wirklich braucht.
Quelle: Beobachter Bewegtbild

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