51-Jähriger nimmt Kurierjob an – und landet vor Gericht
Ein Hauswart muss sich vor dem Basler Strafgericht verantworten. Der Vorwurf: Er sei Teil einer Bande von falschen «Polizisten» gewesen. Der Beobachter hat den Prozess verfolgt.
Veröffentlicht am 29. November 2024 - 14:39 Uhr
Das Einzige, was im Gerichtssaal fröhlich ist, sind die Socken des Beschuldigten. Tannenbäume und Rentiere blitzen zwischen seiner Arbeitshose und den Schuhen hervor. Der Saal ist voll, der Mann sitzt vor der Gerichtspräsidentin, die ihn streng ansieht.
Der Hauswart hatte sich nach dem Jobverlust auf ein Stelleninserat auf Tutti.ch gemeldet.
Der Prozess dreht sich heute um die verbreitete Betrugsmasche von falschen «Polizisten», die ältere Menschen um ihr Geld prellen – der Beobachter berichtete.
Schnell kam der erste Auftrag – als Kurier
Der Beschuldigte kam vor zehn Jahren aus Serbien in die Schweiz und hat seither immer in der Hauswartung gearbeitet – bis er im Herbst 2023 seinen Job verlor. Er meldete sich auf ein Stelleninserat auf der Anzeigenplattform Tutti.ch. Ein Kurier sei gesucht.
Dann ging alles schnell: In der Antwort erhielt er eine Telefonnummer, hinter der schon der erste Auftrag als «Kurier» wartete.
«Ich dachte, Western Union ist eine Bank.»
Beschuldigter vor Gericht
An der angegebenen Adresse habe er ein Codewort nennen müssen, um von einer älteren Frau ein Couvert zu erhalten, erzählt der Beschuldigte. Erst als er es kurz öffnete, habe er realisiert, dass Geld darin sei.
Er habe es dann laut Anweisung in einer Filiale von Western Union einem bestimmten Mitarbeiter übergeben. Eine Quittung habe er nicht bekommen. Die Hintermänner hätten ihm versichert, dass alles rechtmässig sei. «Ich dachte, Western Union ist eine Bank.»
Der Beschuldigte erzählt alles offen
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vier solche Fälle vor. Der Beschuldigte sagt trotzdem ehrlich aus, dass er etwa zehn solche Fahrten gemacht habe. Bis er im März 2024 verhaftet wurde, als er erneut bei einer älteren Frau in Basel Geld abholen wollte.
Es gab Anrufe von falschen Bankmitarbeiterinnen und Staatsanwälten.
Dahinter steckten einmal mehr die Hintermänner: Laut Anklageschrift rief ein angeblicher Bankmitarbeiter die Frau an und teilte der zufällig anwesenden Tochter mit, dass Betrüger versucht hätten, Geld vom Konto ihrer Mutter abzuheben. Die Frau solle sich bei der Staatsanwaltschaft unter einer bestimmten Nummer melden.
Der angebliche Staatsanwalt aus Zürich forderte die Tochter auf, rund 18’000 Franken abzuheben. Danach behauptete er, es handle sich um Falschgeld, das eingezogen werden müsse. Der Partner der Tochter roch aber den Braten und riet ihr, die Polizei zu verständigen. Als der Beschuldigte auftauchte und das Geld an sich nahm, griff die Polizei zu.
Verteidiger: Beschuldigter wusste nichts vom Betrug
Nun begibt sich der Verteidiger zum Rednerpult. Die Sonne scheint durch die Scheibe auf seinen Kopf. «Das ist ja wie ein Scheinwerfer», scherzt er.
Er fordert einen Freispruch. Sein Klient habe niemals damit gerechnet, in eine betrügerische Machenschaft involviert zu sein. Er habe immer gearbeitet und sei nie straffällig geworden.
Der 51-Jährige sei auch selbst Opfer geworden, so der Verteidiger.
Und: Er habe freiwillig von Fällen erzählt, von denen die Ermittler gar nichts gewusst hätten, und sich bei den Opfern mit seinem richtigen Namen vorgestellt. Zudem habe er der Polizei gesagt, wo sich seine rund 4000 Franken Lohn befinden würden. Er sei auch selbst Opfer der Hintermänner geworden, indem sie von seiner Kreditkarte Geld abgebucht hätten.
Tatsächlich wirkt der Mann, der in der Mitte des vollen Gerichtssaals sitzt, nicht wie ein perfider Betrüger. Es sei auch die Persönlichkeit des Beschuldigten zu berücksichtigen, so der Verteidiger. «Davon haben Sie sich heute selbst ein Bild machen können.»
Schuldspruch wegen Betrug und Geldwäscherei
Die Gerichtspräsidentin liess sich davon nicht beeindrucken. Sie verurteilt den 51-Jährigen wegen Betrug und Geldwäscherei zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten und einer Probezeit von zwei Jahren. Er muss die Gerichtskosten von rund 17’000 Franken tragen.
Schon beim Öffnen des Couverts hätten die Alarmglocken läuten müssen, sagte die Gerichtspräsidentin.
Auf einen Landesverweis verzichtet das Gericht, weil der Beschuldigte kooperiert und gestanden hat und sein bisheriger Leumund tadellos ist.
Schon als der Beschuldigte das Couvert geöffnet habe, hätten alle Alarmglocken läuten müssen, so die Gerichtspräsidentin. Alles, was nach dem Inserat passierte, sei dubios gewesen. So auch, dass er im digitalen Zeitalter habe physisch Geld abholen und abliefern müssen. Er müsse also zumindest in Kauf genommen haben, dass eine Betrugsmasche dahinterstecke.
Das Urteil kann innerhalb von zehn Tagen angefochten werden. Solange es noch nicht rechtskräftig ist, gilt die Unschuldsvermutung.
Betrug kann unterschiedlich aussehen: süsse Welpen, Geschichten am Telefon, Anlagebetrug im Internet, falsche Ware, Fake-Wohnungen. Nicht immer ist es einfach, den Betrug zu erkennen. Die Schweizerische Kriminalprävention bietet Hilfestellung.
Der Beobachter recherchiert regelmässig zu den aktuellsten Maschen. Eine laufende Übersicht – und was Sie dagegen tun können – finden Sie hier.