Welche Chemikalien in Lebensmittelverpackungen stecken, weiss man als Konsumentin nicht, man sieht das den Plastikfolien, Kartonschachteln oder Pappbechern nicht an. Nicht gut ist es, wenn auch Hersteller und Behörden keine Ahnung haben. 

Die Zürcher Stiftung Food Packaging Forum setzt sich für sichere Lebensmittelverpackungen ein. Im März hat sie eine Untersuchung in der Fachzeitschrift «Environmental Science & Technology» veröffentlicht. Die Wissenschaftlerinnen liefern darin einen Überblick über bestimmte Industriechemikalien, sogenannte PFAS, die in Lebensmittelverpackungen wie Papier, Plastik oder auch beschichtetem Metall gefunden wurden und nachweislich aus der Verpackung herausgelöst werden können.

Die Haupterkenntnis: Von den 68 festgestellten PFAS waren nur 7 in den öffentlichen Verzeichnissen der Behörden oder den Industrieinventaren von Chemikalien mit Lebensmittelkontakt gelistet. Sprich: Die Anwesenheit von 90 Prozent der PFAS war unerwartet. Was das bedeutet, erklärt Wissenschaftlerin Birgit Geueke vom Food Packaging Forum im Interview.

Frau Geueke, müssen wir uns Sorgen machen?
Ja. Was wir in der Literatur gefunden haben, ist überhaupt nicht das, was man erwarten konnte. Wir haben ein Inventar mit über 12’000 Chemikalien, die zur Herstellung von Lebensmittelverpackungen eingesetzt werden können. Darunter sind 140 PFAS. Jedoch sind 90 Prozent der PFAS, die tatsächlich in Verpackungen gemessen wurden, nicht in diesem Inventar enthalten. Das hat uns wirklich erstaunt.

Und wie kommt es dazu?
Das kann verschiedene Gründe haben. Es kann sein, dass Substanzen hinzugefügt wurden, ohne dass sie irgendwo öffentlich aufgelistet sind. Oder es sind Abbauprodukte von PFAS. Diese Chemikalien werden zwar nicht vollständig abgebaut, aber manche können in andere PFAS umgewandelt werden. Auch Kontamination aus dem Recycling kann ein Grund sein. Also wenn Rohstoffe weiterverwendet werden, die mit PFAS verschmutzt waren, und niemand sich das genau angeschaut hat. 

Das klingt beunruhigend. Man denkt ja immer, Recycling sei gut. 
Ja, es ist leider so, dass auf diese Weise Chemikalien verschleppt werden können. Man muss sehr genau hinschauen bei den Materialien, die für Verpackungen verwendet werden. In der EU gibt es neue Regeln für das Recycling von Plastikverpackungen, aber noch ist nicht klar, wie gut diese wirken. In der Schweiz sind Verpackungen aus recyceltem Papier und Karton daher für die meisten Lebensmittel sogar verboten.

Wieso sind PFAS in Lebensmittelverpackungen eigentlich ein Problem?
Die Chemikalien können in die Lebensmittel übergehen. Dann hat man eine direkte orale Aufnahme, also man isst sie quasi mit. Verbraucherinnen und Verbraucher haben gar keine Wahl, man sieht es nicht. Wir konsumieren alle jeden Tag verpackte Lebensmittel und haben somit eine chronische Aufnahme. Von PFAS, aber auch von vielen anderen Chemikalien. Man muss bei Produkten, die in Kontakt mit Lebensmitteln kommen, besonders vorsichtig sein. Auch weil sich gezeigt hat, dass man das Risiko kaum einschätzen kann. 

Weshalb?
Weil bei vielen der Stoffe nicht bekannt ist, wie gefährlich sie sind. Wir haben in der Studie auch noch die vorhandenen Daten zur Toxizität der PFAS angeschaut und nur bei 39 der 68 PFAS Angaben in den untersuchten Datenbanken gefunden. Die Industrie fordert ja, dass man Stoffe erst dann regulieren und verbieten soll, wenn man das Risiko kennt. Unsere Ergebnisse zeigen aber: Man hat die ganze Thematik nicht im Griff und kann es unmöglich auf dieser Basis einschätzen. Man muss ja erst einmal eine zuverlässige Datengrundlage haben, die es heute offensichtlich nicht gibt. Sonst hätten wir nicht so viele unerwartete PFAS gefunden. Was man hingegen weiss, ist, dass alle PFAS-Chemikalien nicht abbaubar sind – und das ist schon an sich nicht tolerierbar. Deshalb ergibt das Vorhaben der EU Sinn, alle PFAS gemeinsam zu regulieren.

In welchen Verpackungen hat es am meisten PFAS?
Die Studienlage zeigt, dass es vor allem in beschichtetem Papier oft vorkommt. Man kann ja nicht Getränke oder fettige Lebensmittel in eine beliebige Papierverpackung füllen und konsumieren, es braucht eine Beschichtung. Und da werden oft PFAS eingesetzt.

Geht es auch ohne?
Ein Beispiel aus Dänemark zeigt, dass das durchaus möglich ist. Vor einigen Jahren hat Coop Dänemark Mikrowellen-Popcorn aus dem Sortiment verbannt, weil es in den Verpackungen PFAS hatte. Wenig später gab es bereits Mikrowellen-Popcorn ohne PFAS.

PFAS müssen ja nicht deklariert werden, man weiss also nicht, wo die Chemikalien drin sind. Worauf kann man als Konsumentin trotzdem achten beim Einkauf?
Grundsätzlich kann man Take-away-Verpackungen vermeiden. Das hat mehrere Vorteile, und es ist die Produktgruppe, in der man am häufigsten PFAS fand. Man kann Kaffeebecher, also beschichtete Pappbecher, vermeiden und einen eigenen Behälter mitbringen. Wenn man an PFAS denkt, ist beschichtetes Papier sicher am heikelsten. Bei Plastik sind es auch andere Chemikalien, die besorgniserregend sind.