Lieferservice kracht in Zäune und Pfosten
Der Coop-Lieferdienst hat auf einem privaten Grundstück schon vier Kollisionen verursacht. Die Fahrer haben die Unfälle nie gemeldet.
Veröffentlicht am 20. August 2024 - 14:09 Uhr
Einmal ist keinmal, zweimal unglücklich, dreimal fragwürdig, viermal zu viel: Wiederholt «räblet» es auf Hans Kellers Grundstück. Der 66-Jährige, der eigentlich anders heisst, hat noch nie bei Coop@home bestellt. Trotzdem wendet der Lieferservice regelmässig vor seinem Haus. In einem ruhigen Quartier in Küssnacht am Rigi, nicht weit vom Vierwaldstättersee. In einer Einfahrt, die es in sich hat – zumindest für die Coop-Lieferanten.
«Wenn unser Parkplatz besetzt ist, kann man fast nicht wenden. Es ist eng, das gebe ich zu», sagt Keller. Und doch: Vier Unfälle in vier Jahren, das sei «es Bitzeli gaar vil» – zumal er ja nicht einmal Kunde sei.
Der Küssnachter hat die Schäden fotografiert:
- Juli 2020: kaputter Bordstein, schräger Pfosten, eingedrückter Zaun.
- August 2021: kaputter Bordstein, umgefahrener Pfosten.
- November 2023: zerkratzter Zaun.
- Juli 2024: kaputter Briefkasten.
Abgelaufen sei es immer gleich: Der Lieferwagen fuhr aufs Grundstück, wollte wenden, dann knallte es, und schliesslich habe sich der Fahrer aus dem Staub gemacht. Das hätten wachsame Nachbarn beobachtet. Auf eine Notiz oder einen Anruf wartete Keller vergebens – keiner der Verursacher meldete seinen Unfall.
Immerhin: Coop reagierte prompt, als er sich beschwerte. Für die Schäden kam die Axa als Haftpflichtversicherung auf, mit der Vergütung war Keller zufrieden – bis zum letzten Unfall.
«Alle Jahre wieder», schrieb er in einer E-Mail an Coop und schilderte den Schaden am Briefkasten. Es handle sich um eine Dreierkombination – er müsse also auch die Kästen seiner Nachbarn inklusive Namensschilder ersetzen. «Ich schlug sogar vor, ein günstiges Modell bei der Partnerfirma Jumbo zu kaufen und selbst zu montieren.» Kostenpunkt: rund 300 Franken.
«Es kann doch nicht sein, dass ich beim vierten Unfall sogar noch draufzahle!»
Hans Keller (Name geändert)
Eine Antwort kam von der Axa: Bei Haftpflichtschäden werde nicht der Neuwert, sondern der Zeitwert eines Gegenstands vergütet. Sprich: Alter, Gebrauch und Abnutzung spielen eine Rolle. Kellers Briefkasten sei schon über 20-jährig, also amortisiert.
Trotzdem könne die Versicherung 150 Franken anbieten. Das ärgert Keller: «Es kann doch nicht sein, dass ich beim vierten Unfall sogar noch draufzahle!»
Die Fahrer riskieren Geldstrafe und Ausweisentzug
Wie konnte es überhaupt zu so vielen Unfällen kommen? «Bei allfälligen Schäden wird die Unfallstelle geprüft und unter Umständen vor Ort besichtigt», schreibt Coop auf Anfrage. Wenn bestimmte Punkte zu beachten seien, würden diese als Hinweis für die nächste Auslieferung vermerkt.
Gebracht hat das offensichtlich wenig. «Es stimmt, dass Coop nur den Zeitwert bezahlen muss», sagt Beobachter-Expertin Nicole Müller. «Der Fahrer hätte den Schaden aber sofort melden müssen, so steht es im Gesetz.» Das heisst: aussteigen und klingeln. «Falls niemand da ist, muss der Unfallverursacher die Polizei rufen. Sonst kann er gebüsst werden und riskiert im schlimmsten Fall sogar eine Geldstrafe und einen Ausweisentzug.»
Ein Stern für Coop@home
Laut Coop ist das Fahrpersonal entsprechend ausgebildet und instruiert – es müsse sich um Einzelfälle handeln. Dem Beratungszentrum des Beobachters sind jedoch weitere Fälle bekannt. Auch auf der Bewertungsplattform Trustpilot.ch kommt der Lieferdienst nicht gut weg.
79 Prozent der Kundinnen und Kunden verteilen nur einen Stern für Coop@home. Sie beschweren sich über ausbleibende, verspätete oder mangelhafte Lieferungen. «Die Rückmeldungen, die wir direkt von unseren Kundinnen und Kunden erhalten, zeigen ein deutlich anderes Bild», sagt die Medienstelle von Coop.
Auf Nachfrage des Beobachters zeigt sich die Firma aber kulant: Hans Keller erhält zusätzlich zur Zahlung der Axa einen Gutschein von 150 Franken. Damit kann er zumindest einen Briefkasten bei Jumbo kaufen.