Die Firmen nannten sich Einkaufsgemeinschaft, verkauften Gutscheine und versprachen «Cashback» – jetzt hat eine Einzelrichterin des Kreisgerichts Werdenberg-Sarganserland SG über Lyoness Europe AG und Lyoness International AG den Konkurs eröffnet. Christopher Thomson, Verwaltungsratspräsident beider Gesellschaften, hielt in einer Medienmitteilung fest: «Pandemie, Energiekrise und Inflation haben in den vergangenen Jahren tiefe Spuren hinterlassen.» Man sehe sich nicht mehr in der Lage, die beiden Firmen «in dieser Form» weiterzuführen.
Cashback ist ein Schneeballsystem
Für Unmut sorgt das undurchsichtige Geschäftsmodell von Lyoness schon seit über zehn Jahren. Der Beobachter berichtete mehrfach darüber. Mitglieder fühlten sich immer wieder von den vollmundigen Versprechungen getäuscht. Sie realisierten meist erst spät, dass alleine mit Einkäufen wenig bis nichts vom versprochenen «Cashback» zu holen ist. Mit einem verschachtelten und international weit verzweigten Firmenkonglomerat, das die Verantwortlichen als «länderübergreifendes Kundenbindungsprogramm» bezeichnen, war für viele Mitglieder nicht klar, wer konkret verantwortlich war. Schon 2012 forderten Dutzende Mitglieder ihre eingezahlten Gelder zurück.
2016 kam das Zuger Kantonsgericht zum Schluss, bei Lyoness handle es sich um «ein Vertriebssystem nach dem Schneeballprinzip». Das Gericht stellte fest, dass jene von einer Treueprämie profitieren, die neue Mitglieder ins System einbringen würden. Diese Prämie lag massiv über den Rabatten, die mit Einkäufen erzielt werden konnten und um die es bei Lyoness vordergründig ging. Im Urteil von 2016 heisst es: «Es sind nicht bloss Teile des Vertrages widerrechtlich, sondern die AGB sind gesamthaft widerrechtlich, da sie ein unlauteres Geschäftssystem verfolgen.»
Lyoness ist mit 100 Millionen Franken verschuldet
Nicht nur in der Schweiz, auch im Ausland führten in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Gerichtsverfahren dazu, dass Mitglieder ihre einbezahlten Gelder zurückforderten. Gemäss Unterlagen des St. Galler Handelsregisters waren beide Gesellschaften vollständig überschuldet, weshalb der Verwaltungsrat Mitte Oktober die Bilanz deponierte. Aus dem Entscheid der Einzelrichterin geht hervor, dass die Lyoness Europe AG Verbindlichkeiten von über 100 Millionen Franken in den Büchern hat. Schon Ende 2021 wies die Bilanz ein negatives Eigenkapital von 26 Millionen aus. Die Überschuldung konnte damals nur abgewendet werden, weil wichtige Gläubiger einem sogenannten Rangrücktritt zustimmten.
Ende 2022 lag das negative Eigenkapital bereits bei 68 Millionen Franken. Aus der bei der Konkursrichterin eingereichten Bilanz geht hervor, dass Ende August 2023 dem Umlaufvermögen von knapp 30 Millionen ein kurzfristiges Fremdkapital von fast 82 Millionen Franken und ein langfristiges Fremdkapital von 22,4 Millionen Franken gegenüberstand.
Lyoness-Gläubiger können Forderungen einreichen
Offensichtlich glaubte nun selbst das Lyoness-Management nicht mehr an eine Rettung der Gesellschaft. Die Verantwortlichen beantragten keinen Konkursaufschub. Gemäss dem Bericht der Rechnungsrevisoren handelt es sich bei beiden Unternehmen um eine «offensichtliche Überschuldung». Das Gesetz sieht diese Bezeichnung vor, wenn die Überschuldung «offensichtlich und erheblich» ist und eine Sanierung der Gesellschaft «weder möglich noch beabsichtigt» sei. Ob Gläubiger überhaupt noch zu Geld kommen, ist aufgrund der Ausgangslage mehr als fraglich. Aber mit dem laufenden Liquidationsverfahren können Gläubiger beim zuständigen Konkursamt zumindest ihre Forderungen deponieren.
Dass die Pleite wenig mit Pandemie, Energiekrise und Inflation zu tun hat, wie Lyoness in der öffentlichen Stellungnahme betonten, geben die Firmenverantwortlichen gegenüber dem Konkursamt selbst zu. Im Konkursantrag von Lyoness heisst es, das Unternehmen sei seit 2015/2016 «unter behördlichen Druck geraten». Aufgrund mehrerer Gerichtsverfahren habe Lyoness «kaum mehr Partnerunternehmen finden können», gleichzeitig habe man «eine signifikante Anzahl bestehender Partnerunternehmen verloren», zitiert die Einzelrichterin in ihrem Entscheid aus dem Konkursgesuch von Lyoness. Die negative Entwicklung sei durch Justizverfahren, die in mehreren Ländern zu Rückerstattungsverpflichtungen von Kundenguthaben geführt hätten, verstärkt worden.
Das Werk des Hubert Freidl
Hinter Lyoness steckt massgeblich der Österreicher Hubert Freidl, der seit Jahren das fragwürdige Geschäftssystem propagiert. Gegen ihn sind derzeit in Wien mehrere Strafanzeigen hängig. Ermittelt wurde gegen Lyoness schon 2016 (in Deutschland) und 2015 (in Österreich). 2012 ermittelte auch die Staatsanwaltschaft St. Gallen. Was aus dem Verfahren wurde, ist nicht bekannt. Unklar ist auch, ob der Kanton St. Gallen aufgrund der auffällig hohen Überschuldung im aktuellen Konkursverfahren von sich aus ein Verfahren eröffnet hat, etwa wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung oder Urkundenfälschung. Leo-Philippe Menzel, Mediensprecher der Staatsanwaltschaft, lehnt jegliche Auskunft zu allfälligen Verfahren und Strafanzeigen im Zusammenhang mit Lyoness ab. Für die Verantwortlichen von Lyoness Europe AG und Lyoness International AG gilt die Unschuldsvermutung.
Weiter unter neuem Namen
Längst haben die Lyoness-Verantwortlichen aus Österreich ein Nachfolge-Unternehmen aufgebaut – auch in der Schweiz. In der in Opfikon ZH domizilierten MyWorld Swiss GmbH sitzt ein alter Vertrauter von Hubert Freidl. Als Gesellschafterin ist im Handelsregister auch die österreichische Muttergesellschaft (MyWorld International AG, Graz) eingetragen, die Hubert Freidl zugeordnet wird. Bis Mitte Oktober dieses Jahres war Freidls Vertrauter auch im Verwaltungsrat der Lyconet Global AG tätig. Just am Tag, als neulich die beiden Lyoness-Gesellschaften im Kanton St. Gallen ihre Bilanz deponierten, trat er aus der Lyconet Global AG zurück.
Hubert Freidl sagt auf Anfrage des Beobachters: «Es besteht keinerlei Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen.» Und: «Die von Ihnen angedeutete Übertragung von Lyoness-Geschäften auf Unternehmen der MyWorld-Gruppe hat nie stattgefunden. Die MyWorld Suisse GmbH, die Lyconet Global AG sowie die Lyoness-Gruppe sind unabhängige Unternehmen.» Obschon Freidl einen direkten Zusammenhang der Unternehmen verneint, ist im neusten Newsletter von MyWorld die Lyoness Suisse GmbH als Markeninhaberin aufgeführt. Diese wiederum steckt schon seit zwei Jahren im Liquidationsverfahren.
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3 Kommentare
Kann ich alles bestätigen! Ich war von 2017 (damals zum Start der Italien Cloud) bis 2022 dabei bis ich geblickt habe, dass es ein Scam ist. Aus jeglichen Investments wird niemals auch nur einen Euro rauskommen, Hubert selbst und die gesamte Führungsebene arbeiten mit extrem manipulativen Techniken und einer extremen FOMO (Verlustangst) damit man immer wieder einzahlt.
Vor kurzem kam erst vom deutschen Landesbüro aus Köln ein Schreiben welches ich noch immer besitze, in dem Transparent steht, dass es nie zum einem Börsengang kommen wird der aber seit mittlerweile drei Jahren heftig promotet wird.
Ich selber habe über 100.000€ in den Jahren eingezahlt, und bis auf Provsionen die durch das rekrutieren neuer Partner rauskamen wurde nie auch nur ein Euro ausbezahlt.
Ich kann jedem dringend davon abraten auch nur einen Cent in dieses Unternehmen zu stecken, zudem kann ich jede getroffene Aussage transparent bestätigen falls erwünscht. Damit es nicht heißt, ich sei nur ein verärgerter Marketer der das System nicht verstanden hat.
Das Gegenteil ist nämlich der Fall, ich war im Vice Presidents Team und habe in den Jahren über 10.000 Menschen aufgebaut und habe das System bis ins kleinste Detail geblickt (weshalb ich dann auch ausgestiegen bin).
Neue Generationen mit altem Wein durch neue Schläuche! Es ist immer wieder dieselbe alte Leier mit Schneeballsystemen und/oder Schenkungskreisen und ….und …. und. Hauptsache ist, Geld aus den Taschen naiver Leute zu lockern und auf Nimmerwiedersehen abkassieren! Dafür braucht es nicht einmal Schneeballsysteme oder Schenkungskreise. Es ist wie auf dem Schachbrett. Die kleinen, armen Bauern dürfen das Baueropfer erbringen und mit deren hart errungenen Brötchen werden hauptsächlich die Schachfiguren dahinter bestens versorgt! Aber irgendwann ist Schachmatt wie einst bei Mr. Bernard L. Madoff!
Auch hier beweist sich, dass die Gier nach Geld die Menschen jede Vorsicht vergessen lässt.