Die erste Nachricht traf am 20. Dezember um 9 Uhr 22 auf Melanie Kupferschmids Handy ein. Die nächste folgte drei Minuten später, und von da an kamen die ungebetenen SMS fast im Minutentakt. Der Inhalt: irgendwelche Toms, Olivers oder Rickys, die «eine Frau fürs Leben» suchten, flirten wollten und am liebsten «Party machen».

Exakt 457 so genannte «Premium SMS» später präsentierte die Firma Sunrise Melanie Kupferschmid die Rechnung für ihre angebliche Teilnahme an diesem «Chat»: 1275 Franken für etwas, von dem die 20-Jährige schwört, dass sie es nie abonniert hat: «Ich habe seit fünf Monaten einen Freund, wieso sollte ich mit Unbekannten über das Handy chatten?»

Kein «Halt» auf Verlangen
Genau dies behauptet jedoch Sunrise: Eine «Begrüssungs-SMS» habe Kupferschmid darüber aufgeklärt, «dass jede ein- und ausgehende SMS drei Franken kosten würde und dass sie den Dienst jederzeit mit dem Befehl an die Zielnummer 62062 stoppen könnte», erklärt Mediensprecher Mathieu Janin nach Rücksprache mit der Wiener Firma atms, die den Dienst betreibt.

Die Realität sieht etwas anders aus: «Ihr angeforderter Freischaltcode lautet: 154. Mit der Eingabe des Codes bestätigen Sie, dass Sie das 18. Lebensjahr vollendet haben!», lautet die SMS, die Sekunden nach der Anmeldung beim «Chat» auf dem Handy eintrifft - ohne Hinweise auf Kosten oder darauf, wie das Ganze zu stoppen wäre. Diese folgen erst Minuten später, wenn die verhängnisvolle Bestätigung unter Umständen bereits verschickt ist.

Kupferschmid brauchte zwei volle Tage, bis sie den Spuk beenden konnte: «Ich schickte alle möglichen Wörter an die Zielnummer, ‹Halt›, ‹stop›, ‹stoppen›, aber nichts nützte.» Erst ein «STOP» in Grossbuchstaben beendete die SMS-Flut.

Eine Flut, die es laut Sunrise-Homepage gar nicht geben dürfte: «Alle versendeten SMS oder MMS einer Servicenummer dürfen den Konsumenten innert zehn Minuten nicht mehr als 10 Franken kosten und innert einer Stunde den Betrag von 25 Franken nicht überschreiten», ist dort zu lesen.

Sunrise dreht am Zähler
Darauf angesprochen, dass sich bei Sunrise-Kundin Kupferschmid Beträge bis zu 130 Franken pro Stunde zusammenläpperten, schiebt die Medienstelle eine Ergänzung nach: «Die obigen Maximalbeträge gelten für eingehende SMS. Nach jeder ausgehenden SMS beginnen sie von neuem.» Das heisst: Nach jedem Versuch von Melanie Kupferschmid, die SMS-Belästigungen zu stoppen, wäre der Zähler für den Maximalbetrag wieder auf null zurückgestellt worden.

Sunrise hält auch nach einer ersten Reklamation der Kundin hartnäckig an der Forderung fest, obschon sich auf der Abrechnung von Kupferschmids Handy kein einziger Hinweis findet, dass sie sich via SMS für den Chat angemeldet oder dazu eine Einwilligung gegeben hätte. Den Gegenbeweis verweigert der Mobilfunkanbieter: «Die Handhabung der detaillierten Daten ist Bestandteil des Vertrags zwischen Sunrise und der Partnerfirma und darf gegen aussen nicht kundgetan werden.»

Für etwas bezahlen, was sie gar nicht bestellt hat? Melanie Kupferschmid denkt nicht daran: «Ich habe nie eingewilligt, solche kostenpflichtige SMS zu erhalten.» Womit sie streng juristisch gesehen auch Recht hat und entsprechend Chancen, mit dem blossen Ärger davonzukommen. Für eine solche Einwilligung reicht eine SMS nicht, es braucht eine Unterschrift. Und eine solche hat Melanie Kupferschmid erst recht nicht geleistet.