Beobachter: Was hat Sie auf Ihrer Velotour am meisten überrascht?
Joel von Rotz: 
Dass die Leute in der Schweiz so offen und hilfsbereit waren. In Gams im Kanton St. Gallen fand ich lange keinen Schlafplatz und dachte schon, ich müsste wild zelten. Zum Glück wies mir dann jemand den Weg zu einer sehr netten Bauernfamilie, wo ich auf einer Wiese direkt neben dem Hof mein Zelt aufstellen durfte. Die Bäuerin brachte mir am Abend ein Badetuch für eine Dusche sowie Schoggistängeli und am anderen Morgen sogar noch einen Kaffee mit Gipfeli.

«Irgendwann fiel mir auf, dass meine Heimat, die Schweiz, ein blinder Fleck auf meiner Landkarte ist.»

Auch auf dem Klausenpass hatte ich ein schönes Erlebnis: Es hatte mich voll verregnet, und ich ging klatschnass in das gepflegte Café des Passhotels, wo ich in meinem Aufzug total fehl am Platz war. Das schien aber niemanden zu stören, ein älteres Paar hat sich sogar zu mir gesetzt und wollte wissen, warum ich diese Veloreise mache.

Und? Was haben Sie geantwortet?
Ich bin viel in Europa gereist, aber irgendwann fiel mir auf, dass meine Heimat, die Schweiz, ein blinder Fleck auf meiner Landkarte ist.

Velofahren im Regen – das macht aber keinen Spass, oder?
Von Wädenswil nach Glarus regnete es den ganzen Tag, das fand ich schon blöd. Aber ich hatte ein Ziel: Ich hatte eine Übernachtung in Glarus gebucht. Man muss den Regen einfach akzeptieren und sich auf den Komfort konzentrieren, den man hat: Die Regenjacke schützt zwar nicht zu 100 Prozent, aber doch einigermassen.

Gute Laune trotz Regen: Am zweiten Tag seiner Reise durchquerte Joel von Rotz Wädenswil.

Gute Laune trotz Regen: Joel von Rotz in der Schwyzer Herrengasse.

Quelle: ZVG

Wo haben Sie übernachtet? 
Oft habe ich ein Warmshower gebucht, das ist wie Couchsurfing für Veloreisende. Man bucht bei einer Privatperson einen Platz zum Zelten, ein Bett oder eine Couch – die Übernachtungen sind gratis, und eine warme Dusche ist immer inbegriffen. Die Gastgeber sind meistens auch Velofahrer, so trifft man gleichgesinnte Leute. Manchmal habe ich auch in Jugendherbergen übernachtet, auf Campingplätzen oder bei Freunden. Einmal habe ich wild gezeltet.

Über welche Pässe sind Sie gefahren? 
Über den Klausenpass, San Bernardino, Weissensteinpass, Grimsel und Brünigpass. Das Geheimnis beim Passfahren ist: Man darf nie ans Umkehren denken. Beim Rauffahren kotzt man sich aus, aber das Gefühl, wenn man oben ankommt, ist umwerfend. Und die Abfahrt ist die Belohnung.

Was war in Ihren Velotaschen drin?
Ein Gaskocher, Geschirr und Makronen, Pesto und Käse zum Essen. Ein Zahnbürstli und Zahnpasta und eine Seife, die für den Abwasch und die Dusche reichen musste. Eine Windjacke, Regenhose, Regenjacke, T-Shirts. Aber das Wichtigste waren die Adiletten – auf dem Campingplatz will man schnell aus den Schuhen raus.

Worauf hätten Sie verzichten können?
Auf Alltagskleider. Man kann auch in Velokleidern eine Stadt anschauen. Und Unterhosen hatte ich auch zu viele dabei.

Was haben Sie unterwegs vermisst?
Eine Matratze. Ich hatte eine dünne Luftmatratze dabei, die ist angenehmer als eine Yogamatte. Aber im Vergleich zu einer richtigen Matratze ist es ein himmelweiter Unterschied. Ich bin meistens fünf Tage gefahren, danach habe ich ein bis zwei Tage Pause gemacht. Da habe ich jeweils geschaut, dass ich in einem Bett übernachten kann.

Yogamatte statt Matratze: Während seiner Tour übernachtete Joel von Rotz in einem Zelt.

Yogamatte statt Matratze: Während seiner Tour übernachtete Joel von Rotz oft in einem Zelt.

Quelle: ZVG

Der beste Tipp für die erste längere Velotour?
Zuerst eine Wochenendtour machen, damit man herausfindet, was für einen funktioniert und was nicht. Und beim Einpacken immer daran denken, dass man alles mitschleppen muss. Und ein bisschen Platz lassen für Lebensmittel, die man unterwegs einkauft.

Letzte Frage: Welcher Kanton hat Ihnen am besten gefallen?
Ich denke, das war Bern. Besonders die Berner Altstadt hat mir gut gefallen. Da lebt es sich tatsächlich etwas anders, gemütlicher.

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So gelingt die Velotour

Tipp 1: Die Route planen
Für gelegentliche Touren reicht das Handy als Navigationsgerät; eine gute Lenkerhalterung und eine Schutzhülle sind allerdings Voraussetzung. Bei der Routenplanung helfen Websites und Apps. Unter Angabe von Start und Ziel unterbreitet die Komoot-App einen Routenvorschlag, den man individuell anpassen kann. Bei Schweizmobil und Swisstopo findet man die offiziellen Velorouten, unterwegs helfen die Apps auch bei der Navigation. Pro Stunde liegen – abhängig von Wetter, Strassenbelag, Steigung, Kondition – 15 bis 20 Kilometer Velofahren drin, mit Kindern weniger als 10.

Tipp 2: Die eigenen Stärken kennen
Legen Sie vor dem Start eine Route anhand Ihrer eigenen Fähigkeiten fest. Anfängerinnen und Anfänger beginnen am besten mit einer einfachen Strecke. Ein Test der Suva unter suva.ch/fitnesstest hilft, das eigene Fitnesslevel einzuschätzen.

Tipp 3: Das richtige Velo wählen
Trekkingräder eignen sich für lange Strecken, damit kommen Sie auf unterschiedlichen Bodenbelägen gut zurecht. Das Rennvelo ist die richtige Wahl für die Strasse, während man mit dem Mountainbike auch auf holprigen Wegen in der Natur sicher unterwegs ist. Wer kraftsparend möglichst weit kommen will, ist mit einem E-Bike gut bedient. Alle öffentlichen Veloladestationen sind auf dieser Website von Electrosuisse eingezeichnet: e-mobile.ch.

Tipp 4: Das Velo kontrollieren
Vor dem Start sollten Sie das Velo unbedingt genau überprüfen – idealerweise lassen Sie es von einer Fachperson unter die Lupe nehmen. Zu den wichtigsten Komponenten gehören die Bremsen, die Schaltung, das Licht, die Reifen und die Kette. Gerade Letztere wird auf längeren Fahrten stark strapaziert und sollte auch unterwegs gepflegt werden.

Tipp 5: Die richtige Ausrüstung
Das wichtigste Ausrüstungsstück ist der Velohelm. Ausser für schnelle E-Bikes gibt es zwar keine Helmpflicht, trotzdem sollten Sie auf einer Velotour einen tragen. Denn er schützt vor Kopfverletzungen –und vor zu viel Sonne. Zur weiteren Ausrüstung gehören Werkzeug, Pumpe, Ersatzmaterial und eine Notfallapotheke. Dazu kommen Kleider für alle Witterungsbedingungen, Sonnencreme, Sonnenbrille und mehr. Ersatzkleider packen Sie am besten in wasserfeste Säcke.

Tipp 6: Pausen machen
Vergessen Sie nicht, regelmässig Pausen einzulegen und genügend zu trinken. Auch ein Ruhetag ist keine Schande. Schliesslich soll die Velotour Spass machen und keine Tortur sein. In der Schweiz ist es zudem problemlos möglich, einzelne Streckenabschnitte mit dem Zug zu absolvieren. Auf mehrtägigen Reisen lohnt es sich, bereits bei der Routenplanung Hotels oder Restaurants für Pausen herauszusuchen.
(Markus Fässler)

Mehr zu Velo und Verkehrsregeln bei Guider

Wie bei den Vierrädern gelten auch für Zweiräder gewisse Regeln. Erfahren Sie als Beobachter-Abonnent, welche speziellen Verkehrsregeln Velofahrer beachten sollten, wie Sie und Ihre Kinder mit dem Drahtesel am sichersten unterwegs sind und ob auf dem Velo eine Helmpflicht gilt.

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