Augen zu bei Schwarzarbeit
Michel Huissoud kennt Bundesbern wie fast kein Zweiter. Diesmal ärgert er sich über die Untätigkeit des Bundes gegenüber Schwarzarbeit.
Veröffentlicht am 30. Mai 2025 - 14:05 Uhr
Meine letzte Kolumne des vergangenen Jahres endete mit einer optimistischen Note. Unter dem Titel «Benennt die Betrüger!» (Stichwort Covid-Hilfe) schrieb ich: Die Liste der Firmen, die wegen Schwarzarbeit verurteilt wurden – genauer: deswegen von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden –, sei öffentlich. «Bleiben wir also optimistisch!», meinte ich. Doch nun ist es an der Zeit, die Euphorie von damals zu bremsen.
Denn die erwähnte Liste umfasst zwar 99 Firmen, aber sie stammen alle aus Genf oder aus dem Waadtland – mit einer einzigen Ausnahme (Luzern). Merkwürdig ist zudem: Die Kontrollen betrafen offenbar weder die IT-Dienstleistungen noch die Medien – zwei Branchen notabene, die im Zuge der Digitalisierung besonders attraktiv geworden sind für Schwarzarbeit.
«Kontrollen scheinen auf Coiffeursalons, Baustellen und Beizen beschränkt zu sein.»
In den 1990er-Jahren durchforsteten die Genfer Steuerfahnder jeweils jeden Morgen die Kleinanzeigen, um zu checken, ob die Jobinserenten auch im Steuerregister eingetragen sind. 30 Jahre später sind diese Kleinanzeigen verschwunden, und die «Freelancer» bieten ihre Dienste auf digitalen Plattformen an; zum Beispiel auf Gulp, Fixando, Yoojo oder Upwork. Die Hochschule Luzern hat insgesamt 47 davon identifiziert, auf die man aus der Schweiz zugreifen kann.
Die Schätzungen darüber, wie viele solcher Crowdworker, Gigworker, Clickworker oder Cloudworker es in der Schweiz gibt, gehen weit auseinander. Für das Bundesamt für Statistik greifen nur etwa 0,1 Prozent der Bevölkerung regelmässig auf diese Art der Erwerbstätigkeit zurück oder verdienen jährlich damit mehr als 10’000 Franken. Für die Gewerkschaft Syndicom sind es 135’000 Personen. Für die Hochschule Luzern zwischen 54500 und 148240 Personen.
Der Bundesrat will keine Meldepflicht
Sicher ist nur eins: Seit der Pandemie nimmt die virtuelle Selbständigkeit deutlich zu – und damit auch das Risiko der damit verbundenen Schwarzarbeit. Es gibt keine Statistik über
Verstösse. Aber es sieht so aus, als würden sich die Inspektoren nach wie vor auf Baustellen, Coiffeursalons und Restaurants beschränken.
Machtlos sind sie nicht nur deswegen. In seinem Flexi-Test-Bericht von 2021 hat der Bundesrat auch auf eine Meldepflicht verzichtet. Die Betreiber müssen daher die auf ihren Plattformen geschäftlich tätigen Personen nicht bei den Sozialversicherungen anmelden. Ausserdem empfahl der Bundesrat 2024 dem Parlament, zwei Vorstösse abzulehnen, die in diese Richtung zielten.
Der Bundesrat scheint Schwarzarbeit zu akzeptieren
Im Jahr 2002 hatte sich der Bundesrat noch kämpferisch gezeigt und sich für eine echte Repressionspolitik ausgesprochen. Heute scheint er Steuerhinterziehung, nicht bezahlte Sozialversicherungen und unkontrollierbare Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit virtueller Schwarzarbeit zu akzeptieren.
Schade, denn unsere französischen Nachbarn hätten die Lösung: Gemäss dem Gesetz für eine digitale Republik müssen Plattformbetreiber die Cloudworker identifizieren, sie über ihre Rechte und Pflichten informieren und jedes Jahr die auf der Plattform erzielten Umsätze offenlegen. Und: Bescheinigt wird das Ganze von einem zugelassenen, externen Dritten. So geht das.