Sprüche über das Outfit, belästigendes Antanzen, aufdringliche Anmachsprüche. «Sexualisierte Gewalt kommt im Ausgang überall vor», sagt Lula Pergoletti von Helvetiarockt. Am Freitag veröffentlichte der Verein den Bericht «Nicht nur Plakate in den Toiletten».

Er fordert die Politik, Behörden und Fachstellen auf, Clubs und Festivals bei Massnahmen gegen sexualisierte Gewalt mehr zu unterstützen. Helvetiarockt hat unter anderem eine Online-Umfrage sowie Interviews mit Mitarbeitenden von nicht profitorientierten und oftmals von öffentlicher Hand abhängigen Clubs und Festivals durchgeführt.

«Für uns ist es wichtig, dass Clubs und Festivals für Besuchende und Auftretende möglichst sichere Orte sind», sagt Pergoletti. Als sexualisierte Gewalt definiert Helvetiarockt «jegliche Formen von belästigendem, diskriminierendem und ausbeuterischem Verhalten aufgrund der Geschlechtsidentität und der sexuellen Orientierung».

Trotz Sensibilisierung gibt es viele Hürden

Laut einer Studie von GFS Bern im Auftrag von Amnesty International haben 42 Prozent der befragten Frauen ab 16 Jahren in Bars oder Clubs bereits sexuelle Belästigung erlebt. Am häufigsten in Form von unerwünschten Berührungen, Umarmungen oder Küssen, sexuell anzüglichen Kommentaren und Witzen oder einschüchternden Blicken.

Dies, obwohl laut Helvetiarockt die meisten Clubs und Festivals bereits sehr sensibilisiert auf sexualisierte Gewalt sind, präventiv dagegen vorgehen und auch aktiv werden, wenn es zu Übergriffen kommt. Dennoch gebe es laut dem Verein viele Hürden. Awareness-Konzepte, die sich gegen jede Form von Diskriminierung stellen, gibt es zwar in vielen Organisationen. Die Umsetzung sei aber oft schwierig.

Weil Sicherheitsfirmen für den Umgang mit sexualisierter Gewalt oft ungenügend ausgebildet sind, hängt ein grosser Teil der Arbeit von persönlichem Engagement Einzelner ab. «Wenn zum Beispiel einer Barmitarbeitenden ein sexueller Übergriff gemeldet wird, muss sie eine Verantwortung tragen, die nicht in ihrer Lohnklasse liegt», sagt Pergoletti.

Auch Codewörter wie «Luisa» werden laut Clubs und Festivals nur selten genutzt. Mit der Frage «Ist Luisa da?» können Betroffene Übergriffe niederschwellig beim Clubpersonal melden. Allerdings würden Betroffene teilweise erst im Nachhinein erkennen, dass sie gerade Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind. Nebst den Clubs müssten auch die Besuchenden selbst darauf sensibilisiert werden, was sexualisierte Gewalt ist und auf welche Arten sie auftreten kann. Dafür seien Codewörter wie «Luisa» hilfreich.

Jetzige Massnahmen gegen sexualisierte Gewalt reichen nicht

«Wenn man am Club-Eingang liest, dass man sexualisierte Gewalt melden kann, oder es an Festivals immer wieder auf dem Bildschirm an der Bühne eingeblendet wird, schafft das Bewusstsein», sagt Pergoletti. Die Kommunikation von Massnahmen gegen aussen schaffe zudem Verbindlichkeit, bei Vorfällen zu handeln. «Es müssen aber zwingend weitere Präventions- und Interventionsmassnahmen ergriffen werden.» Ein Patentrezept für alle gäbe es nicht. Wichtig sei, dass Massnahmen im ganzen Team diskutiert und strukturell verankert würden.

Helvetiarockt nimmt vor allem Politik und Behörden in die Pflicht. «Clubs und Festivals machen in unseren Augen bereits viel. Und das oftmals als freiwillige, unbezahlte Arbeit», sagt Pergoletti. Helvetiarockt fordert mehr Unterstützung und finanzielle Mittel. Um Schulungen durchzuführen oder zusätzliches geschultes Personal einzustellen. Bestehende Angebote müssten sichtbarer gemacht und die Zusammenarbeit und der Austausch zwischen Veranstalterinnen und Behörden verbessert werden. Helfen könnte auch eine zentrale Anlauf- und Koordinationsstelle.

Anlaufstellen für Opfer von sexualisierter Gewalt

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