«Ich bin schlicht überwältigt, kann meine Gefühle kaum fassen», sagt Christiane Weideli gegenüber dem Beobachter: Die Schweiz anerkennt die 64-Jährige als Opfer im Sinne des Gesetzes über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981.

Anfang Juni erhielt Weideli die Nachricht des Bundesamtes für Justiz. Als Wiedergutmachung bezahlt ihr die Schweiz für das erlittene Unrecht einen Solidaritätsbeitrag von 25’000 Franken.

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Christiane Weideli kam am 3. Februar 1961 in Zürich als Tochter einer gebürtigen Deutschen mit Schweizer Bürgerrecht zur Welt – mit dem Namen Daniela Docekal. Ihre Eltern waren verheiratet, führten aber eine schwierige Beziehung. Obwohl die Eltern nicht bevormundet waren, wurde die Mutter von der privaten Adoptionsvermittlerin Alice Honegger dazu gedrängt, ihre Tochter zur Adoption freizugeben. 

Vom Adoptionsvater missbraucht

Das Baby wurde bei einer schweizerisch-belgischen Familie in Peru platziert. Die neuen Eltern gaben das Kind als ihr eigenes aus, mit neuem Namen und neuem Geburtsdatum. Später wurde das Mädchen vom Adoptionsvater jahrelang körperlich misshandelt und sexuell missbraucht. Erst im Erwachsenenalter, nach jahrelangen Nachforschungen, erfuhr Christiane Weideli von ihren Wurzeln in der Schweiz – ihre leibliche Mutter war wenige Jahre zuvor verstorben. Der Beobachter berichtete über ihr Schicksal. 

«Der Entscheid der Schweiz hat mir ein Gefühl von Frieden in mein Herz gebracht, das ich nie zuvor verspürte.»

Christiane Weideli

Heute lebt Weideli in Kanada. «Endlich Anerkennung zu erhalten, ist schwer zu beschreiben», sagt sie. «Der Entscheid der Schweiz hat mir ein Gefühl von Frieden in mein Leben und in mein Herz gebracht, das ich nie zuvor verspürte.» Sie habe die positiven Veränderungen, die sie als Person erleben würde, unterschätzt: «Mehr Selbstvertrauen, mehr Selbstwertgefühl und ein glückliches Herz.»

Opfer waren Kinder von Fremdarbeiterinnen

Christiane Weideli gehört gemäss dem Bundesamt für Justiz zu den ersten Personen, die von der Schweiz ins Ausland vermittelt wurden und nun eine finanzielle Wiedergutmachung erhalten. Wie viele Kinder in den Sechziger- und Siebzigerjahren zur Adoption ins Ausland freigegeben wurden, ist nicht bekannt. Die Zahl dürfte in die Hunderte gehen. Der Beobachter machte diese fragwürdige Praxis publik.

Betroffen von dieser Art der Adoptionen waren meist ledige Fremdarbeiterinnen, die in der Schweiz über keine Aufenthaltsbewilligung verfügten. Damit lösten die Behörden auch gleich das Problem des neugeborenen Kindes, das ihrer Ansicht nach kein Bleiberecht in der Schweiz hatte.  

Quellen
  • Bundesamt für Justiz: Korrespondenz Solidaritätsbeitrag
  • Privatarchiv Christiane Weideli: Korrespondenz, Adoptionsunterlagen, div. Dokumente