Der Buchtitel «Zigeuner» war auf der Einladung der Stadt Zürich für eine interne Veranstaltung plötzlich verschwunden. Der Leiter der Antirassismus-Fachstelle hat die Anweisung gegeben, den Titel zu löschen.

Dabei hat die jenische Schriftstellerin Isabella Huser ihr Buch ganz bewusst «Zigeuner» genannt. Weil das schwierige Wort «Zigeuner» für sie trotz allem auch eine positive Eigenbezeichnung ist (mehr dazu im Rechtsratgeber zu Rassismus).

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Fachstellenleiter greift zum Zensurstift

Das bestätigt sogar die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus in einem Bericht: «Ein Teil der Schweizer Jenischen wie auch der Roma nimmt das Wort ‹Zigeuner› traditionell und bis heute für sich als positiv besetzte Selbstbezeichnung in Anspruch.»

Diese Feinheiten innerhalb einer Minderheit berücksichtigte die Zürcher «Fachstelle Diversität, Integration, Antirassismus» im Departement von Stadtpräsidentin Corine Mauch nicht. Der Fachstellenleiter zensierte den Titel ohne Rücksprache mit der Schriftstellerin. 

«Den Titel werden wir nicht aussprechen.»

Leiter der Antirassismus-Fachstelle der Stadt Zürich

Die Fachstelle wolle nicht Wörter verwenden, «die von Teilen der Bevölkerung als abwertend oder (rassistisch) diskriminierend wahrgenommen werden (können)». «Den Titel werden wir nicht aussprechen.»

Schriftstellerin Huser ist allerdings selbst Mitglied der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus und als solches höchst unverdächtig, Literatur zu verbreiten, die der Sache der Jenischen schaden würde. 

«Grotesker Zensurentscheid»

Das sei ein «grotesker Zensurentscheid», kritisierte der Verleger Ricco Bilger vom Bilgerverlag in einer Rundmail Ende September. Die Fachstelle von Stadtpräsidentin Corine Mauch habe ein «eigenmächtiges und respektloses Verhalten» gegenüber einer jenischen Schriftstellerin gezeigt.

«Da schwingt sich ein Amt zum Herrscher über die Sprache auf.»

Isabella Huser, jenische Schriftstellerin

Isabella Huser sagt: «Da schwingt sich ein Amt zum Herrscher über die Sprache auf.» Die Schweiz brauche das Widersprüchliche, damit eine Auseinandersetzung möglich sei. «Ein Wort zu tilgen, hilft dabei nicht.»

Aus der Sprache der Familie

«Ich finde es grotesk, dass die Stadt Zürich meinen Buchtitel ‹Zigeuner› nicht nennt, weil dieser rassistisch verstanden werden könnte.» Das Buch so zu nennen, sei eine klassische Selbstermächtigung einer Angehörigen einer Minderheit.

Ihr Vater, ein jenischer Musiker, habe oft gesagt: «Wir sind stolze Zigeuner.» Er habe die Wörter «Jenische» und «Zigeuner» synonym verwendet. «Als Kind meinte ich gar, «Stolizigüüner» sei ein einziges Wort», sagt Huser.

Jenischen-Kulturfest hat kein Problem

«Von jenischer Seite habe ich noch nie eine Kritik zu hören bekommen, was die Wahl meines Buchtitels und meine Selbstbezeichnung betrifft.» Dass die Fachstelle den Titel ohne Rücksprache mit ihr gelöscht habe, sei despektierlich.

Sie habe ihr Buch an unzähligen Lesungen oder Veranstaltungen vorgestellt, etwa an den jenischen Kulturtagen in Innsbruck – immer ohne Probleme. «Die Stadt Zürich ist die erste Veranstalterin, die sich weigert, den Buchtitel ‹Zigeuner› zu nennen.» 

Departement der Stadtpräsidentin lässt Fragen offen

Dennoch will Huser an der internen Weiterbildungs-Veranstaltung der Stadt Zürich teilnehmen, zu der sie gemeinsam mit anderen Jenischen und Roma eingeladen worden ist. Dabei will die Stadt Zürich Angestellte für die Anliegen dieser Minderheit sensibilisieren.

Eine Medienanfrage an den Fachstellenleiter sowie das Departement beantwortet der Kommunikationschef von Corine Mauch ausweichend. Der Entscheid, auf das Wort «Zigeuner» zu verzichten, habe der Fachstellenleiter in Eigenregie getroffen und betreffe ausschliesslich die Kommunikation der Fachstelle. «Eine verbindliche stadtweite Richtlinie gibt es diesbezüglich nicht.»

Die Moderatorin des Anlasses darf das Wort «Zigeuner» nicht aussprechen.

Frau Huser sowie anderen Referentinnen und Referenten stehe es natürlich frei, das Wort «Zigeuner» an der Veranstaltung zu benutzen. Auch städtische Angestellte dürften es verwenden, sofern sie ausserhalb der Fachstelle arbeiteten. Die Moderatorin des Anlasses darf «Zigeuner» jedoch nicht aussprechen, weil sie für die Antirassismus-Fachstelle arbeitet. 

Einen Fehler gibt die Stadt Zürich zu: «Dass Frau Huser erst spät oder zu spät erfahren hat, dass der Text in der definitiven Version der Einladung zur internen Veranstaltung angepasst wurde, bedauert die Fachstelle.» Und trotz der Differenzen werde man an der internen Veranstaltung das Buch von Isabella Huser auflegen, und sie werde Gelegenheit haben, dieses zu signieren.

Quellen