Am 5. Juli sind in Givisiez FR eine Frau und ihr sechs Wochen altes Baby getötet worden. Der Tatverdächtige: ihr Ehemann und Vater des Kindes.

Damit hat die Zahl der mutmasslichen Femizide in der Schweiz 2025 mit mindestens 19 Fällen bereits das Niveau des gesamten Vorjahres erreicht. Nun sagt Justizminister Beat Jans der Tötung von Frauen den Kampf an. 

Wie Spanien gegen geschlechtsspezifische Gewalt vorgeht, liess sich Jans Ende Juni bei einem Arbeitsbesuch in Madrid vom Gleichstellungsministerium zeigen. In dieser Schweizer Delegation dabei war auch die Aargauer Mitte-Nationalrätin Maya Bally. Im Beobachter-Interview sagt sie, wieso die Bekämpfung von Femiziden Bundessache sein muss.

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Beobachter: Maya Bally, was kann die Schweiz von Spanien im Umgang mit Femiziden lernen?
Maya Bally: Das Land macht offensichtlich vieles richtig. Dieses Jahr hatte Spanien ungefähr gleich viele Fälle wie die Schweiz, aber dort leben fünfmal mehr Menschen als hier. Das ist schon beeindruckend. Die Zahlen geben ihnen mit ihrer Strategie recht. In Spanien nehmen die Femizide ab, hier steigen sie hingegen stark an. 

Was für eine Strategie ist das?
Dort ziehen alle am gleichen Strick, mit Ausnahme der rechten Vox-Partei. Es gibt eine ganze Kaskade von Massnahmen und Präventionsprogrammen für Täter sowie Hilfsangebote für Opfer von häuslicher Gewalt. Auf den Opferschutz legt man sehr viel Wert. Das Personal bei der Polizei, bei der Staatsanwaltschaft, bei Hilfs- und Opferschutzorganisationen, aber auch bei Ärzten wird intensiv geschult. Es wird ein systematisches Monitoring betrieben, und es werden ganz viele Daten erhoben und statistisch ausgewertet. 

Und wieso macht Spanien so viel gegen Femizide? In der Schweiz gibt es ja nicht einmal eine offizielle Statistik dazu.
Der Grund dafür ist ein ganz schlimmer Fall, der Mord an Ana Orantes im Jahr 1997. Die Frau hatte am Fernsehen von ihrem gewalttätigen Ex-Mann erzählt, zwei Wochen danach passte dieser sie ab, zündete sie an und verbrannte sie bei lebendigem Leib. Die Leute sind deswegen in Massen auf die Strassen gegangen. 2004 beschloss Spanien dann ein fortschrittliches Gesetz zur Umsetzung eines landesweiten Systems. Der Erfolg zeigt sich heute.

«Wir haben an Bildschirmen gesehen, wie das Überwachungssystem beim Tragen von Fussfesseln funktioniert.»

Was haben Ihnen die spanischen Fachleute konkret gezeigt?
Uns wurde das gesamte System erläutert, inklusive der zentralen Erfassung und Klassifizierung von Tätern. Wir haben im Kontrollzentrum für die elektronische Überwachung von Gewalttätern im Kontext von häuslicher Gewalt an Bildschirmen gesehen, wie das Überwachungssystem beim Tragen von Fussfesseln funktioniert. Nähert sich ein Täter seinem Opfer erneut, wird dieses alarmiert. Der Täter wird konfrontiert und aufgefordert, sich zu entfernen. Gleichzeitig wird die lokale Polizei informiert. Es war faszinierend, das anhand von laufenden Fällen zu beobachten. Ein Riesenvorteil am spanischen System ist, dass es alles zentral erfasst und alle Akteure national und regional darauf zugreifen können.

In der Schweiz laufen Tests für Fussfesseln in einzelnen Kantonen.
Ich finde es okay, wenn man dezentral testet. Aber nachher muss man sich schweizweit einigen, was die beste Lösung ist, und die Überwachung zentral organisieren. Ein Opfer von häuslicher Gewalt wechselt vom Aargau in den Kanton Solothurn und ist dann nicht mehr geschützt – weil die Systeme unterschiedlich sind und man keinen Überblick hat? Das darf doch einfach nicht sein. 

Ist eine solche Zentralisierung nicht zu untypisch für die Schweiz?
Auch Spanien ist föderalistisch aufgestellt. Beratung, Unterstützung und Polizeischutz werden lokal organisiert. Aber die Datenerhebung, Kategorisierung und Überwachung läuft auf nationaler Ebene. Der Vorteil ist, dass man die Problematik in seiner ganzen Weite erforschen und überblicken kann. Und dann braucht es eine gute und abgestimmte Koordination mit den Regionen. Das kann auch eine Entlastung für die Kantone sein, damit nicht alles 26 Mal organisiert werden muss. Das ist alles machbar. Wir müssen als Gesellschaft nur wollen.

«Die Investition lohnt sich, wenn wir am Ende weniger Gewaltopfer haben.»

Eine solche Maschinerie kostet viel. Die Schweiz will aber sparen. 
Man muss die Gesamtrechnung machen. Gewalt kostet die Gesellschaft auch sehr viel. Sie verursacht Gesundheitskosten und auch Arbeitsausfälle durch Verletzungen oder psychisch traumatisierte Menschen. Die Investition lohnt sich, wenn wir am Ende weniger Gewaltopfer haben.

Planen Sie jetzt politische Vorstösse?
Mit den beiden Nationalrätinnen, die auch Teil der Delegation in Spanien waren, Tamara Funiciello und Jessica Jaccoud, habe ich abgemacht, nach der Sommerpause die Köpfe zusammenzustecken, um zu schauen, was jetzt konkret auf gesetzlicher Ebene nötig ist. Es ist im Moment einiges am Tun, auch wir in der Rechtskommission haben Aufträge an die Verwaltung erteilt. Wir müssen abwägen, ob wir sofort bereits weitere Forderungen stellen oder gewisse Arbeiten noch abwarten sollen.