Frankreich setzt im Kampf gegen sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche auf ein digitales Kontrollsystem für Priester: Ein QR-Code auf dem Priesterausweis zeigt, ob ein Geistlicher ohne Einschränkungen arbeiten darf – oder ob es Missbrauchsvorwürfe, Sanktionen oder laufende Verfahren gibt.

Geht es nach dem Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg, wird ein ähnliches System auch in der Schweiz eingeführt. In einem Interview mit der NZZ kündigte Charles Morerod an, den Priesterausweis in seinem Bistum zu testen. «Und ich setze mich in der Bischofskonferenz dafür ein, es schweizweit umzusetzen. Noch sind nicht alle überzeugt, weil das französische System in der Deutschschweiz weniger bekannt ist.»

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So funktioniert das System in Frankreich

Die Idee: Jeder Priester erhält einen Ausweis mit Personalien und einem QR-Code. Scannt man den Code, erscheinen die aktuelle Funktion und die Einsatzorte des Geistlichen. Und: ein allgemein gehaltener Hinweis, ob Einschränkungen vorliegen. Worin diese bestehen und weshalb, erfährt man aus datenschutzrechtlichen Gründen nur, wenn der Priester zusätzlich seinen PIN-Code eingibt. Möglicherweise darf er nicht allein mit Minderjährigen arbeiten oder generell keine Taufen oder Ähnliches abhalten.

Die Daten werden von den Bistümern und Ordensgemeinschaften erhoben und in einem digitalen Register gespeichert. Sie sind nicht öffentlich einsehbar. Prüfen dürfen sie nur diejenigen, die Priester anstellen oder für eine Veranstaltung beauftragen.

Nulltoleranz geht anders

In Frankreich ist es so, dass Beschuldigte oder Verurteilte also unter Umständen weiterhin als Priester arbeiten dürfen – aber mit Einschränkungen. Es besteht zudem keine kirchenrechtliche Pflicht der Pfarreien, vor jedem Auftrag oder einer Anstellung den QR-Code zu prüfen. Es besteht nur eine Weisung der Französischen Bischofskonferenz. Immerhin: Wer die Karte nicht vorweisen will, darf in Frankreich nicht beauftragt werden.

Wie sieht es rechtlich aus in der Schweiz?

Kompliziert. Kirchenrechtlich stellen sich verschiedene Fragen. Aber auch abgesehen davon gibt es einige weltliche, rechtliche Paragrafen, die beachtet werden müssen.

Fühlt sich jemand zur Sammlung der Daten gezwungen, kann eine Persönlichkeitsverletzung vorliegen.

Es ist insbesondere heikel, ein Register mit Verdachtsfällen zu führen. Da ist unter anderem der Datenschutz: Es handelt sich um besonders schützenswerte, personenbezogene Daten, die gespeichert werden. Dafür braucht es die Einwilligung der betroffenen Person – und zwar freiwillig. Fühlt sich jemand zur Sammlung der Daten gezwungen, kann eine Persönlichkeitsverletzung vorliegen. Bei einer Interessenabwägung würde aber für ein Register sprechen, dass der Schutz von Minderjährigen schwerer gewichtet werden muss.

Und: Strafrechtlich gilt die sogenannte Unschuldsvermutung, bis die beschuldigte Person rechtskräftig verurteilt ist. Hinzu kommen Fragen zum Einklang mit dem öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnis, dessen Bestimmungen kantonal und kommunal unterschiedlich sind.

Die Schweizer Bischofskonferenz und die Diözese geben keine Auskunft

Wir hätten gern gewusst, wie der Stand der Dinge ist, wer die Daten in der Schweiz erhebt und woher sie kommen. Die Schweizer Bischofskonferenz hüllt sich aber nach einer Medienanfrage des Beobachters in Schweigen und verweist auf die zuständige Diözese. Diese antwortet innert Frist nicht.

Quellen