30’000 Atemgeräte von Schlafapnoe-Patientinnen und -Patienten hat der Medizinaltech-Hersteller Philips in den letzten zwei Jahren in der Schweiz zurückgerufen – aus Sicherheitsgründen. Weltweit waren es sogar 5,6 Millionen Geräte.

Schadenersatzklagen hat Philips in der Schweiz nicht zu befürchten. Bisher hat kein einziger der Betroffenen juristische Schritte gegen den Marktführer bei Atemgeräten unternommen. Obwohl Philips jahrelang von den Problemen mit dem lärmdämmenden Schaumstoff wusste, der sich zersetzte.

Das ist kein Wunder. In der Schweiz gibt es keine Möglichkeit zur Sammelklage, kein Instrument für den kollektiven Rechtsschutz. Das zeigte sich beispielhaft nach dem sogenannten Dieselskandal. Der deutsche Autohersteller VW hatte damals zugegeben, bei einigen Dieselmotoren zwischen 2009 und 2014 eine Software eingebaut zu haben, um die Messung des Schadstoffausstosses zu manipulieren. In Deutschland, Österreich und in anderen Ländern wurden VW-Besitzer daraufhin entschädigt. Die Schweizer Betroffenen gingen leer aus. Gleiche Motoren, unterschiedliches Rechtssystem. 

«Grossen Akteuren völlig ausgeliefert»

Die Sache mit den Philips-Atemgeräten nennt Sara Stalder, Geschäftsleiterin des Konsumentenschutzes, einen «skandalösen Fall». «Wir sind solch grossen Marktakteuren völlig ausgeliefert, weil in der Schweiz bis heute der kollektive Rechtsschutz fehlt. So haben internationale Konzerne hier leider keine juristischen Klagen von Betroffenen zu befürchten.»

Auch wenn Tausende vom gleichen Schaden betroffen sind, müssen sie in der Schweiz allein vor Gericht ziehen. Das bedeutet viel Aufwand, hohe Kosten, zu viel Risiko. Deshalb lohnt sich der Rechtsweg für Betroffene bei den mangelhaften Schlafapnoe-Geräten nicht. Oder für geprellte Anleger der Credit Suisse. Oder für Opfer von Missbrauch im Umfeld der katholischen Kirche.

Thema seit zehn Jahren verschleppt

Eigentlich haben Parlament und Bundesrat schon vor zehn Jahren festgestellt, dass es in dieser Frage eine Rechtslücke gibt. Man war sich einig, dass Handlungsbedarf besteht. Seither wird das Thema vom Parlament aber auf die lange Bank geschoben. Man wollte den kollektiven Rechtsschutz mal im Finanzdienstleistungsgesetz unterbringen, dann in der Revision der Zivilprozessordnung. 

Beide Male wurde eine entsprechende gesetzliche Regelung wieder gestrichen, weil die Vorschläge zu umstritten waren. 2021 legte der Bundesrat schliesslich einen separaten Vorschlag für Verbesserungen im kollektiven Rechtsschutz vor. Er will die bereits bestehende Verbandsklage ausbauen und kollektive Vergleiche ermöglichen. 

Doch schon wieder stockt die Sache in Bundesbern: Die zuständige Rechtskommission des Nationalrats hat schon zweimal zusätzliche Abklärungen von der Verwaltung verlangt, bevor sie überhaupt entscheidet, ob sie auf den Vorschlag eintreten will oder nicht. Zuletzt im Juli 2023. Wann das Thema wieder auf die Traktandenliste kommt, ist offen. 

Philips-Atemgeräte: Betroffene gesucht

Haben Sie ein Atemgerät von Philips genutzt, das im Rahmen der Sicherheitswarnung ausgetauscht oder repariert werden musste? Der Beobachter sucht im Zusammenhang mit einer weiteren Recherche Betroffene, um mit ihnen über ihre Erfahrungen zu sprechen.
Schreiben Sie an: otto.hostettler@beobachter.ch