Worum geht es?

Rauchen ist gemäss dem Bundesamt für Gesundheit eine der häufigsten Todesursachen in der Schweiz. Knapp jeder sechste 15-Jährige in der Schweiz raucht bereits regelmässig oder zumindest gelegentlich. Dabei spielt die Werbung eine entscheidende Rolle. Eine breite Allianz aus Gesundheitsorganisationen, Parteien und Sportverbänden hat deshalb die Initiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» eingereicht, mit der die Werbung für jegliche Art von Tabakprodukten verboten werden soll.

Ist denn der Zusammenhang zwischen rauchenden Jugendlichen und Werbung überhaupt belegt?

Ja, dazu gibt es zahlreiche Studien. Die amerikanische «Food and Drug Administration» listet in einem Hintergrundpapier von 2019 gleich mehrere auf, die alle zu einem ähnlichen Schluss kommen: Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen Marketing- und Werbemassnahmen der Industrie und erhöhtem Zigarettenkonsum. Dasselbe gilt auch für neue Produkte wie E-Zigaretten. Eine Studie über Marketingstrategien für Tabakprodukte kam vor einigen Jahren zum Schluss, dass Tabakwerbung so formuliert und gestaltet ist, dass sie möglichst viele junge Menschen erreicht.


Lesen Sie dazu auch: 

Hat das Parlament nicht kürzlich ein neues Tabakproduktegesetz beschlossen, in dem Werbeverbote enthalten sind?

Doch, und dieses Gesetz enthält auch Bestimmungen zum Jugendschutz. Es enthält bestimmte Werbeverbote und bestimmt etwa, dass Tabakprodukte nicht mehr an Jugendliche unter 18 Jahren verkauft werden dürfen. Das Gesetz tritt unabhängig vom Ausgang der Volksabstimmung in Kraft.

Wo liegt in dem Fall das Problem?

Das Tabakproduktegesetz ist kein Ruhmesblatt für die eidgenössischen Räte. Sie brauchten zwei Anläufe und mehr als fünf Jahre, um das Gesetz fertig zu beraten.

Bürgerliche Parteien und die vom Gewerbeverband angeführte Tabaklobby wehrten sich dabei insbesondere gegen Werbeeinschränkungen. Sie argumentierten, dadurch würde die Gewerbefreiheit verletzt und man gefährde Arbeitsplätze in der Schweiz. Schliesslich setzten sie sich in vielen Punkten durch. So wird die Werbung für Tabakprodukte und E-Zigaretten zwar etwa auf Plakatwänden, im Kino und an Festivals mit internationalem Charakter verboten, und auch Gratismuster von Tabakprodukten dürfen nicht mehr verteilt werden. Ausgerechnet im von Jugendlichen am meisten genutzten Medium, dem Internet, ist aber Werbung weiterhin erlaubt, ebenso in Läden und Kiosken.

Die Initiantinnen und Initianten des Volksbegehrens bezeichnen das Tabakproduktegesetz denn auch als «Alibiübung».

Reicht es denn nicht, dass im Tabakproduktegesetz festgelegt ist, dass Tabakprodukte nur noch an Erwachsene verkauft werden dürfen?

Die Schweiz ist weltweit eines der letzten Länder, die die internationale Rahmenkonvention der WHO über die Tabakkontrolle noch nicht ratifiziert haben. Und das liegt insbesondere daran, dass hierzulande nach wie vor sehr lasche Werbebestimmungen für Tabakprodukte gelten.

Daran ändert auch das neue Tabakproduktegesetz nichts, denn die Konvention verlangt ein umfassendes Verbot für jegliche Form von Werbung oder Sponsoring – also auch im Internet. Mit der Annahme der Volksinitiative würde diese Lücke geschlossen.

Was spricht denn gegen einen besseren Schutz von Jugendlichen?

Eigentlich nichts, und das räumen auch die Gegnerinnen und Gegner ein. Sie argumentieren primär aus wirtschaftlicher Sicht. In der Schweiz werden jährlich rund 40 Milliarden Zigaretten hergestellt, die internationalen Hauptsitze von zwei global tätigen Tabakkonzernen befinden sich hier, und damit auch mehrere tausend Arbeitsplätze. Dies alles würde gefährdet, wenn der Industrie verboten werde, für ihre legalen Produkte zu werben, argumentieren die Gegnerinnen und Gegner der Initiative. Schliesslich habe die Branche schon freiwillig beschlossen, dass sich Werbung nur an erwachsene Konsumentinnen und Konsumenten richten dürfe. Der Schutz der Jugendlichen dürfe daher nicht als Vorwand benutzt werden, um vollständige Kommunikations- und Werbeverbote für Tabakprodukte einzuführen.

Ist die Tabaklobby in der Schweiz tatsächlich so einflussreich?

Ja, zumindest wenn man dem «Global Tobacco Interference Index» glaubt, der vom «Global Center for Good Governance in Tobacco Control» publiziert wird. In dieser Rangliste landete die Schweiz kürzlich auf dem zweitletzten Platz. Nur in der Dominikanischen Republik ist der Einfluss der Tabakindustrie auf die Politik noch grösser.

Wer ist für, wer gegen die Volksinitiative?

Hinter der Volksinitiative steht eine breite Allianz von Schweizer Gesundheitsligen, also zum Beispiel die Krebsliga, die Lungenliga und Pädiatrie Schweiz. Daneben unterstützen die FMH, die Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention, Sucht Schweiz, die Lehrinnen und Lehrer Schweiz und Swiss Olympic das Anliegen. Ebenfalls mit an Bord sind die Grünen, die SP, die EVP und die EDU.

Gegen die Initiative haben sich bisher unter anderem der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, der Gewerbeverband, das Konsumentenforum und Swiss Cigarette. Daneben haben sich Verbände der Werbe- und Kommunikationsbranche wie etwa Kommunikation Schweiz, der Werbe-Auftraggeberverband und der Verlegerverband gegen die Volksinitiative ausgesprochen. Ein Nein gibt es zudem von der FDP und den Jungfreisinnigen. 

 

Jetzt folgen, um über neue Artikel zum Thema per E-Mail informiert zu werden

Die besten Artikel – Woche für Woche
«Die besten Artikel – Woche für Woche»
Thomas Angeli, Redaktor
Der Beobachter Newsletter