Die Pflege brennt aus. Zu lange hat sich die Politik darauf verlassen, dass die Gesundheitsfachpersonen alles Menschenmögliche machen, um ja keine Patientin leiden zu sehen. Für den Bundesrat und das Parlament, welche für den Gegenvorschlag geworben haben, ist das Ja zur Pflegeinitiative nicht nur ein Denkzettel, sondern die letzte Chance. 

Die Zeit drängt. Daran wird die Annahme der Initiative nichts ändern. Immer mehr von uns sind auf eine gute Pflege angewiesen, aber immer mehr Pflegende steigen erschöpft aus dem Beruf aus. 

Und jene die aussteigen, sind nicht so einfach zu ersetzen, wie viele meinen. Ja, den Hintern abwischen kann jeder. Aber um die wichtigen Zusammenhänge zwischen Stuhlgang und Medikamenteneinnahme zu verstehen, braucht es Personen mit guter Ausbildung und langer Berufserfahrung. Momentan steigen aber 40 Prozent der Pflegefachpersonen wieder aus dem Beruf aus, die meisten davon vor dem 35. Lebensjahr. Nur für teures Geld neuen Nachwuchs auszubilden, wie es der Gegenvorschlag des Bundesrats wollte, bringt etwa gleich viel, wie ein Fass mit Loch voll halten zu wollen. Nachhaltig sind nur bessere Arbeitsbedingungen. 

«Als Berufsschullehrerin bilde ich den Nachwuchs aus, welcher der Politik scheinbar keine Sorgen bereitet. Mir schon. Bereits jetzt im ersten Lehrjahr wollen 90 Prozent meiner Klasse nicht mehr weitermachen, weil sogar sie sich an die Wand gefahren fühlen.»

«Klar haben wir für unsere Patientinnen und ihre Angehörigen immer ein Lächeln auf dem Gesicht. Wir sind Vollprofis. Doch unsere Belastung bleibt unsichtbar.»

«Wenn der Frühdienst kam, habe ich oft geweint. Ich war einfach nur froh, dass nichts Schlimmes passiert war in der Nacht.»

«Die Pflege geht doch alle an. Wir alle sollten ein Interesse daran haben, dass sie möglichst gut ist. Für unsere Kinder, unsere Eltern, für uns selbst.»

Die Stimmen stammen von den 16 Pflegenden, die sich schon im Juli in der Beobachter-Titelgeschichte «Krank gespart» Gehör verschafft haben. Damals haben wir nach Pflegefachkräften gesucht, die von ihrer Arbeit erzählen. Die Rückmeldungen kamen schnell und dutzendfach. Aus dem ganzen Land, von Pflegeheimen bis zu psychiatrischen Einrichtungen, von den Akutspitälern bis zur Spitex. Sie alle klingen gleich. Zu viele Patienten, zu viel Druck. Zu wenig gut ausgebildetes Pflegefachpersonal, zu wenig Zeit. Nicht erst seit Corona.

Die Dringlichkeit ihrer Botschaft bleibt auch mit dem Ja zur Initiative bestehen. Das halten sich Gesundheitspolitiker und die Kantone am besten gut in Erinnerung. Es ist jetzt an ihnen, die Initiative so schnell wie möglich in die Berufsrealität zu übertragen und nicht jahrelang an Details zu feilschen. 

Denn noch einmal: Die Zeit drängt. Der Beruf krankt. Und das schon lange. Das ist schlecht für die Pflegenden, aber noch viel schlechter für die Patienten. Wer in der Schweiz beim Pflegepersonal spart, verschuldet nachweislich und mutwillig Kosten von fast zwei Milliarden Franken und den vermeidbaren Tod von 243 Patientinnen und Patienten pro Jahr. 

243 Frauen, Männer und Kinder, die sterben, weil die Pflege krank gespart wurde. Der Handlungsbedarf bleibt gross.

«Die Pflege ist keine Berufung, sondern ein Beruf. Sie produziert Gesundheit. Das sollte mehr wert sein.»