In der Schweiz dürfen Steuerpflichtige mittels einer Selbstanzeige einmal im Leben nicht deklariertes Einkommen und Vermögen offenlegen, ohne dass sie dafür bestraft werden. Nachsteuern und Verzugszinsen werden bis maximal zehn Jahre rückwirkend erhoben, während Nachkommen, die eine Steuerhinterziehung quasi erben und diese zur Anzeige bringen, für die letzten drei Jahre vor dem Tod des Erblassers zur Kasse gebeten werden.

Von dieser 2010 eingeführten Möglichkeit der Selbstanzeige haben bis im Frühling 2016 etwa 22’000 Personen Gebrauch gemacht. Dabei wurden laut Bundesrat Vermögen von rund 24,7 Milliarden Franken offengelegt. 

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Für den Nationalrat ist das aber anscheinend nicht genug. In der diesjährigen Herbstsession hat er eine Motion mit 105 zu 79 Stimmen angenommen, die fordert, dass Kantone bei einer Selbstanzeige eigenständig Rabatte auf die nachträglich zu bezahlenden Steuern gewähren dürfen. Der von den bürgerlichen Parteien – insbesondere der SVP – getragene Entscheid wurde damit begründet, dass so mehr Steuereinnahmen generiert würden, auf welche die Kantone im Hinblick auf die Unternehmenssteuerreform III angewiesen seien. Die bisherige Form der straflosen Selbstanzeige sei ergo zu wenig effektiv.

Nachsteuern sollen also laut Motion nur zu einem Teil nachgezahlt werden müssen. Wäre das nicht ein Affront gegenüber denjenigen Bürgern, die ihrer Steuerpflicht nachkommen? Doch, sagen die Gegner. «Das ist geradezu eine Einladung zur Steuerhinterziehung! Ehrliche Bürger, die die vollen Steuern zahlen, sind dann doch die Dummen», äusserte sich die Luzerner SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo im Rat. 

Konflikt mit der Verfassung

Eine ablehnende Haltung nimmt auch der Bundesrat ein. Ueli Maurer berief sich dabei unter anderem auf einen Entscheid des Bundesgerichts. Dieses hatte 2015 eine Regelung des Kantons Tessins als verfassungswidrig beurteilt, die – wie die vom Nationalrat angenommene Motion – die Nachsteuern bei einer Selbstanzeige reduzieren wollte. Maurer bemängelte zudem, dass die Umsetzung der besagten Motion zu einer Ungleichbehandlung der Schweizer Bürger führen würde. Der eine Kanton würde einen Rabatt einführen, der andere nicht.

Bevor sich der Bundesrat mit der Ausarbeitung einer Vorlage zu beschäftigen hat, muss zunächst der Ständerat die Motion annehmen. Damit ist nicht unbedingt zu rechnen. Schon 2015 lehnte dieser nämlich einen vom Nationalrat angenommenen Antrag für eine Steueramnestie ab.

«Nimmt der Ständerat die Motion auch an, würde die jetzige Form der straflosen Selbstanzeige blockiert.»

Marcel Weigele, Beobachter-Experte

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Dass mit einer reduzierten Nachbesteuerung der Anreiz zur Selbstanzeige erhöht werden und somit höhere Steuererträge erreicht werden könnten, erscheint nachvollziehbar. Dass die kantonal unterschiedlichen Regelungen eine steuerliche Ungleichbehandlung für die Schweizer Steuerzahler bedeuten würden ebenso. Unbestritten ist allerdings die Verfassungswidrigkeit der Motion – und dass es Jahre dauern würde bis zur Umsetzung eines solchen Gesetzes.

Für den Steuerexperten Marcel Weigele aus dem Beobachter-Beratungszentrum ein heikler Punkt: «Nimmt der Ständerat die Motion auch an, würde die jetzige Form der straflosen Selbstanzeige blockiert. Steuersünder könnten dann solange mit einer Selbstanzeige zuwarten, bis der Staat möglicherweise attraktivere Konditionen eingeführt hat.»

Dieses Abwarten ist dabei nicht nur für den Staat problematisch, dem deshalb Steuereinnahmen entgehen könnten. Auch Steuersünder riskieren, in der Zwischenzeit aufzufliegen und dafür gebüsst zu werden. Oder dass ihr Wohnkanton im Endeffekt die Steueramnestie mit Rabatt auf die Nachsteuern gar nicht anbietet.

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